Schlachtung mit Achtung Alles für den Tierschutz

Der Transport zum Schlachthaus ist für viele Tiere mit Stress verbunden. Die Interessengemeinschaft „Schlachtung mit Achtung“ will das ändern.

Freitag, 09. Oktober 2020 - Fleisch
Jens Hertling
Artikelbild Alles für den Tierschutz
Bildquelle: Schlachtung mit Achtung

Fleischgenuss ist heute mehr denn je eine Frage des Tierschutzes. Doch zum Fleischkonsum gehört eben auch das Schlachten von Tieren. Allerdings bedeutet schon der Transport zum Schlachthof Stress für die Tiere und nicht selten Verletzungen. Das kann aber auch anders gehen: Die mobile Schlachttechnik aus Kandern (Kreis Lörrach) bringt den Schlachthof zum Tier.

Seit 2013 engagieren sich Thomas Mayer und Sandra Kopf für eine hofnahe Schlachtung, um Rindern den Transport zum Schlachthof zu ersparen. Sandra Kopf hat deshalb gemeinsam mit Thomas Mayer die Projektgruppe „IG Schlachtung mit Achtung“ (IG SMA) gegründet. Ziel des Projekts ist es, zur Schlachtung anstehenden Rindern aus jeglicher Haltungsform einen Tod ohne Angst zu ermöglichen. „Die Trennung der Tiere von der Herde und der Transport zum Schlachthof haben mich immer schon gestört“, sagt Sandra Kopf. Durch Pflegearbeiten in den Naturschutzgebieten wurde es für Thomas Mayer wichtig, Rinder zu halten, wie Sandra Kopf berichtet. Und irgendwann stand er vor dem Problem der Schlachtung. Ihr Prototyp einer mobilen Schlachteinheit besitzt seit Oktober 2018 die Zulassung und bringt den Tieren einen stressfreien Tod im gewohnten Umfeld. Die Einheit besteht aus einem großen Anhänger und einem Fressgatter, in dem die Rinder angefüttert werden. „Die Tiere sind das Gatter gewohnt. Wenn das Rind aber nicht alleine dort reinläuft, gibt es keine Schlachtung“, sagt Sandra Kopf. Eine der größten Herausforderungen war die Vorgabe, dass zwischen Betäubung und Entblutung maximal 60 Sekunden liegen dürfen. Darum zieht ein leistungsstarker Motor das Tier auf einer Art Schlitten sofort nach dem Bolzenschuss in den Anhänger. Das Rolltor fährt herunter, und somit erfolgt das Entbluten im geschlossenen Raum. Ansonsten verlaufe die Schlachtung ganz normal – mit Lebendschau und Amtsveterinär, so Kopf. Anschließend bleiben 45 Minuten, um den Schlachthof zu erreichen. Denn zwischen Tötung und Ausweiden dürfe nicht mehr als eine Stunde liegen. Da auf das Tier keinerlei Druck ausgeübt wird, sondern es sich am Schlachttag beim Fressen stressfrei und automatisch selbst für den Bolzenschuss fixiert, darf das Fleisch das Label „Schlachtung mit Achtung“ tragen.

Der Schlachtprozess wird von einer Videokamera gefilmt. „Die Aufnahmen dienen der Dokumentation gegenüber dem Tierarzt, dem Verbraucher und dem Landwirt“, sagt Kopf. Letztlich müsste der Tierarzt dann nur zur Lebendtierbeschau auf den Hof kommen.

Die Vorteile der hofnahen Schlachtung:

  • kein Verladen des Tieres
  • keine Lebendtiertransporte
  • keine Strapazen auf dem Schlachthof
  • keine Tierqualen durch Stress und damit angstfreie Schlachtung
  • Transparenz durch individuelle Nachverfolgung.

Die Vermarktung laufe an, so Sandra Kopf. Vor allem regionale Restaurants und Fleischereien zählen zu den Abnehmern. Zu den Kunden der ersten Stunde gehört auch „Hieber’s Frische Center“. „Der Tierschutz hat sich wirklich verbessert, nur nicht bei der Schlachtung“, sagt Martin Weisslämle, Bereichsleiter Theke und Frische bei Hieber’s. „Schlachtung mit Achtung“ bringt dem Lebensmittel Fleisch die Wertschätzung entgegen, die es verdient, und ebenso dem Lebewesen, das dahintersteht“, sagt Weisslämle. Dies sei Tierschutz par excellence – humaner geht es nicht, so der Bereichsleiter. Die Nachfrage sei im Kommen, berichtet Weisslämle. Seit dem 6. Dezember 2018 hat Hieber’s das SMA-Fleisch im Angebot. Dank eines guten Wurstprogramms laufe die Vermarktung rund, sagte Weisslämle. Das Fleisch sei in zwei Drittel aller Hieber-Märkte vorrätig und könne vorbestellt werden. Pro Woche werden in den Märkten zwei bis drei Rinder vermarktet. „Für mich war das ein Einstieg, um auch die Verbraucher mal darauf aufmerksam zu machen, was sich in diesem Bereich tun kann.“ Den Preis siedelt Weisslämle im Biobereich an. Hackfleisch beginnt ab 14,90 Euro pro Kilogramm und geht bis zu 89 Kilogramm für das Filet.

Für Weisslämle ist bei diesem Projekt die Schulung der Mitarbeiter besonders wichtig. „Sie müssen dem Kunden auch die Vorteile der Schlachtung mit Achtung vermitteln können.“
Er ergänzt: „Ob sich das mobile Schlachtverfahren als Erfolgsmodell durchsetzen und aus der bisherigen Nische geführt werden kann, wird wesentlich von der Bereitschaft der Verbraucher abhängen, dies beim Einkauf über einen höheren Preis zu honorieren, da der Einsatz mobiler Schlachtsysteme einen erheblichen Mehraufwand für den Schlachtprozess darstellt.“

Da jedoch nicht nur Rinder auf dem Weg zum Schlachter leiden, wollen Sandra Kopf und Thomas Mayer langfristig auch für Schweine eine Schlachteinheit anbieten. „Am Ende entscheidet immer der Verbraucher. Er muss wissen, ob ihm es das wert ist“, sagt Sandra Kopf.

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