Frei von Gentechnik Verbündete gesucht

Lidl gibt Gas beim Thema gentechnikfrei. Einkaufs-Verantwortlicher Christof Mross zu den Zielen und der Gründung einer neuen Soja-Initiative, für die der Discounter die gesamte Branche gewinnen möchte.

Donnerstag, 05. Juli 2018 - Fleisch
Bettina Röttig
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Bildquelle: Lidl, Gettyimages

100 Prozent gentechnikfreie Produkte: Lidl hat sich für seine Eigenmarken in den Frischesegmenten hohe Ziele gesteckt. Seit 2002 wurde bereits Frischgeflügel umgestellt, 2011 folgten die Eier, bald sollen alle frischen Molkereierzeugnisse die grüne Raute tragen. „Unser Ziel ist es, irgendwann zudem ausschließlich GVO-freie Rindfleisch- und Schweinefleischerzeugnisse anbieten zu können“, erklärt Christof Mross, Geschäftsführer Einkauf bei Lidl Deutschland. Ende Mai wurden die ersten Wurstprodukte mit dem Siegel des VLOG bundesweit eingeführt, regional kamen sieben Schweinefleischartikel der regionalen Eigenmarke „Ein gutes Stück Bayern“ dazu. „Für einen weiteren Ausbau der gentechnikfreien Fleisch-Range und die angestrebte komplette Umstellung sind wir jedoch an Grenzen gestoßen“, so Mross. Knackpunkt: die Futtermittel. Soja ist ein zentraler Bestandteil des Tierfutters, der Anteil GVO-freier Ware auf dem Weltmarkt jedoch zu gering. Genau dieser Herausforderung hat sich das Unternehmen angenommen. Der Aufbau eines neuen Soja-Projekts soll die weitere Umstellung beschleunigen und die gesamte Branche mitnehmen.

Pro Terra

Der „Pro-Terra“-Standard zertifiziert ausschließlich gentechnikfreies Soja entlang der gesamten Lieferkette. Er verpflichtet zu nachhaltigeren landwirtschaftlichen Praktiken und gibt für bessere Arbeitsbedingungen und den Schutz der Gemeinden Standardkriterien in den Bereichen „Arbeitssicherheit“ sowie „Kinder- und Zwangsarbeit“ vor. Für die Erzeugung von gentechnikfreiem Soja werden bestehende Soja- Anbaugebiete umgewandelt.

Für die Produktion der in Deutschland, Schweiz und Österreich verkauften Menge an Frischfleischprodukten benötigen der Discounter beziehungsweise dessen Lieferanten rund 147.000 Tonnen gentechnikfreies Soja. Für die Verfügbarkeit sorgt Lidl nun selbst.

Im Januar 2018 startete nach längeren Vorbereitungen offiziell die länderübergreifende „Lidl Soja-Initiative“. In Zusammenarbeit mit der Non-Profit-Organisation „Pro-Terra Foundation“ fördert Lidl finanziell die Umstellung auf einen nachhaltigeren und gentechnikfreien Soja-Anbau in Brasilien – Hauptproduktionsland für Soja. Eine halbe Million Euro fließt allein in diesem Jahr in das Projekt, bei dem bestehende Soja-Anbaugebiete in gentechnikfreie Anbaugebiete umgewandelt werden. Insgesamt wird Lidl hierfür mehrere Millionen investieren. Ein Investment, das Lidl aus eigener Tasche bezahlen will (siehe Interview S. 44).

Das erste Zwischenziel von 65.000 Tonnen zertifiziertem GVO-freiem Soja für die DACH-Region wird laut Mross in diesem Jahr erreicht. Die insgesamt derzeit für die Länder benötigte Menge von 147.000 Tonnen soll 2019 erreicht werden. Lidl denkt jedoch über die eigenen Konzerngrenzen hinaus und will die gesamte Branche für das Projekt begeistern.

Um den Fleisch-Markt langfristig zu verändern, gentechnikfrei zum Standard zu machen und das Ziel zu erreichen, getrennte Warenströme von zertifiziert nachhaltigerem und gentechnikfreiem Soja zu gewährleisten, benötige man die Unterstützung möglichst vieler Branchenteilnehmer aus Handel, Industrie sowie Gastronomie, sagt Mross. Seit dem Start der Lidl-Soja-Initiative wirbt Mross bei seinen Wettbewerbern sowie bei seinen Lieferanten dafür, dass sie sich dem Projekt anschließen – zur Enttäuschung des Unternehmens bisher ohne nennenswerte Rückmeldungen.

Interview mit Christof Mross - „Wir wollen den Markt verändern“

Lidl will „gentechnikfrei“ im Fleischsegment zum Standard machen und sucht Verbündete, erklärt Christof Mross, Geschäftsführer Einkauf bei dem Discounter.

Sie haben sich das Ziel gesetzt, ihr Frischfleisch- und Frischwurstsortiment komplett auf zertifiziert gentechnikfrei umzustellen. Wie schnell werden Sie dieses Ziel, auch dank der Lidl-Soja-Initiative, erreichen?
Christof Mross: Bereits Ende nächsten Jahres soll durch das Projekt mit Pro Terra die für in Deutschland, Schweiz und Österreich verkauften Mengen an Fleisch- und Wurstwaren benötigten Volumen erreicht werden. Wir haben uns für das Projekt jedoch höhere Ziele gesteckt.

Welche sind das?
Wir möchten, dass „Ohne Gentechnik“ bei Fleisch- und Wurstwaren in Deutschland zum Standard wird, und außerdem dazu beitragen, den Markt insgesamt zu verändern. Dies ist nicht in zwei Jahren zu bewerkstelligen. Aber wir arbeiten daran.

Unser langfristiges Ziel ist es, segregierte Warenströme gentechnikfrei-zertifizierten Sojas von Brasilien bis in den deutschen Hafen aufzubauen und zu gewährleisten.

Aufgrund der mehrteiligen Lieferkette ist dies aktuell noch nicht durchgängig realisierbar.

Auch hierfür benötigen wir die Unterstützung möglichst vieler Branchenakteure.

Sie fordern Handelsunternehmen und Fleischproduzenten dazu auf, sich Ihrer Initiative anzuschließen. Wie ist bisher die Resonanz in der Branche?
Anfang dieses Jahres haben wir unsere Lidl-Soja-Initiative erstmals vorgestellt. Bisher sind leider noch keine konkreten Anfragen an uns herangetragen worden – in der Branche ist es aktuell noch keine gelebte Praxis, gemeinsam zu agieren. Wir werden jedoch weiterhin darum werben, letztlich sitzen wir alle im gleichen Boot und sollten Synergien nutzen.

Sie stecken Millionenbeträge in die neue Soja-Initiative. Werden Sie denn einen Teil der Kosten an den Kunden weitergeben?
Nein. Bisher haben wir die Kosten nicht an die Kunden weitergegeben, um eine Marktpreisspaltung zu verhindern. Leider müssen wir immer wieder feststellen: Der Kunde fordert mehr Nachhaltigkeit, insbesondere gentechnikfreie Produkte. Die Moral endet jedoch meist am Regal, wenn der Preis für diese Produkte höher ist.

Andere Unternehmen setzen stärker auf heimische Leguminosen und europäisches Soja. Für Sie keine Alternative?
Natürlich sind dies auch für uns interessante Alternativen. Grundsätzlich ist es unser Ziel, den Soja-Anteil zu reduzieren und Eiweißfutteralternativen einzusetzen. Aber hier haben wir das Problem, dass der Proteingehalt noch nicht mit dem des brasilianischen Sojas mithalten kann. Bei europäischem Soja, etwa aus dem Projekt Donau-Soja, stehen keine ausreichenden Mengen zur Verfügung, zudem gibt es auch hier Schwankungen im Proteingehalt.

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