Süßwarenindustrie unter Druck Kakao-Krise und hohe Energiekosten – Lösungen für die Branche auf der Sweet Week in Köln

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Hohe Energiekosten, teurer Kakao: Die Branche schlägt Alarm. Auf die neue Bundesregierung kann sie nicht warten – aber die Kölner Sweet Week als Plattform für innovative Lösungen nutzen.

Montag, 03. Februar 2025, 06:40 Uhr
Susanne Klopsch
Süßwarenindustrie unter Druck: Kakaoanbau in der Krise
Wie geht es weiter mit dem Kakaoanbau? Der Blick durch die Virtual-Reality-Brille wird es nicht beantworten. Anstöße für Lösungen lassen sich aber bei der Sweet Week diskutieren und angehen. Bildquelle: ISM

Die Hoffnung liegt auf einer zukunftsweisenden und wirtschaftsfreundlichen Ausrichtung der neuen Regierung“, sagte Konstantin Lebens, Geschäftsführer Genuport Trade, im Vorfeld der Internationalen Süßwarenmesse ISM. Auf die Kakaopreise hat die Bundesregierung – ob alt oder neu – keinen Einfluss. Auf die Energiepreise hierzulande aber schon. „Die insbesondere im europäischen Vergleich hohen Energiekosten belasten die mehr als 220 mittelständischen Süßwarenunternehmen in Deutschland und führen zu deutlichen Wettbewerbsnachteilen im Export wie auf dem heimischen Markt“, sagt Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDSI, gegenüber der Lebensmittel Praxis. „Um eine Verlagerung der Produktion ins Ausland zu verhindern, sind die bisherigen Kompensa­tio­nen zum Schutz vor Carbon Leakage unverzichtbar.“ Weiter müsse der dringend erfor­der­li­che Ausbau der Netzinfrastruktur vorangetrieben werden, „um langfristig Stromkosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern“.

Die Energiepolitik war auch zentrales Thema einer gemeinsamen Pressekonferenz der Verbän­deallianz energieintensive Ernährungsindustrie bei der Internationalen Grünen Woche. Auch der BDSI gehört zu dieser Allianz. „Fast die Hälfte der deutschen Unternehmen sieht die steigenden Strom- und Energiekosten als Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Mit dem Krieg in der Ukraine sind die Energiekosten zu einem Wettbewerbsfaktor geworden. Die deutsche Politik darf nicht auf die Situation vor 2022 schauen, sondern auf die aktuelle Lage im europäischen Markt“, heißt es dort in der gemeinsamen Presseerklärung der Verbände. Hohe Energiekosten führen zu Deindustrialisierung, so die Befürchtung der Unternehmen.

Austausch in Köln

Doch bis die neu gewählte Bundesregierung liefern könnte, müssen die Unternehmen selbst ran. Inspiration, was etwa in der Produktion geht, welche Tools es gibt, an die man noch gar nicht gedacht hat, gemeinsam über Lösungen zu diskutieren – dafür bietet ab Sonntag, 2. Februar, bis zum Mittwoch, 5. Februar, die Sweet Week in Köln Gelegenheit. Mit der Sweet Week 2025 verzahnt die Kölnmesse die Internationale Süßwarenmesse ISM und die Zuliefermesse Pro Sweets Cologne noch stärker als 2024. Netzwer­ken, voneinander lernen, neue Produkte testen, neue Konzepte erfahren, einfach Ideen sammeln – dafür steht die Veranstaltung seit mehr als 50 Jahren. „Die fünf zentralen Themen sind Rohstoff- und Energiepreise, Personalkos­ten, Fachkräftemangel und Regulierung“, sagte Guido Hentschke, Director Pro Sweets Cologne, im Gespräch mit Lebensmittel Praxis (LP 20/2024).

Die Messe-Verantwortlichen haben sich den Austausch unter den relevanten Akteuren auf die Fahnen geschrieben. Sabine Schommer, Director ISM: „Wir wollen die gesamte Wertschöpfungskette abbilden.“ Dazu zählen Vorlie­feranten, Verpackungs- und Prozessmaschinenhersteller ebenso wie Industrie und Handel. „Diese Kombination ist weltweit einzigartig.“ Da brauchte es einen neuen Namen: Sweet Week. Vor allem in Halle 10.1 wird es vor Energie brummen mit vielen Angeboten.

Dieser Gipfel soll nur der Anfang sein

Premiere bei der Sweet Week feiert auf der „Sweet Week – Talks & Tasting Stage“ am Montag, 3. Februar, von 13.30 Uhr bis 17 Uhr der „Sweet Week Production Summit“. Treffpunkt ist Halle 10.1, E80. Hier sollen sich gezielt Teams aus der Produktion mit der Zulieferindustrie der Pro Sweets Cologne vernetzen, also der salopp gesagt Maschinen- und Zuliefermesse.

Im Fokus stehen praxisnahe Best-Prac­tice-Beispiele und neue, innovative Ansätze für eine kosteneffiziente, zukunftssiche­re Produktion. „Hervorzuheben sind die dreiminütigen Pitch-Sessions der Zulieferer, die im Anschluss durch ein Matchmaking-Forum in der Networking-Area vertieft werden, um konkrete Lösungen und Geschäftsbeziehungen anzustoßen“, sagt Guido Hentschke, Director Pro Sweets Cologne.

Vor allem die Chancen, die sich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) ergeben, sollen bei dieser Veranstaltung beleuchtet werden. Dazu gibt es verschiedene kurze Vorträge. So verdeutlicht Norbert Weichele, Co-Gründer von OMMM Operations Management Solutions, an einer Benchmark-Fallstudie, „wie man KI zur Professionalisierung des Betriebsmanagements in der F&B-Branche nutzen kann“.

Maximilian Köhler (Optiwiser A.I. Solution) erklärt, wie KI-gestützte verbesserte Planung für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit sorgen kann. Wie KI in der Qualitätssicherung sowie Produktentwicklung eingesetzt werden kann, ist das Thema von Julia Hildebrant vom Unternehmen „Mehr.Wert Qualitäts­lösungen“. Mit der KI-basierten Software von Foodforecast Technologies kann die gesamte Bedarfsplanung digital gesteuert und geplant werden. „KI als neuer Mitarbeiter für Ihre Produktionsplanung“ heißt der Vortrag von Gründer Justus Lauten.

Schokoladenwaren-Konsum ging zurück

Die Kakaopreise sind neben den Energiekosten für viele Hersteller der teuerste Posten. Die daraus resultierenden Preissteigerungen schlugen sich 2024 auch im gesunkenen Konsum nieder: Minus 2,4 Prozent beim Absatz (in Kilogramm) gab es bei Schokoladenwaren (Quelle: NIQ-Süßwarenmonitor; 2024 gegenüber Vorjahr). Auch beim Umsatz sind die Schokoladenwaren Schlusslicht – gemeinsam mit dem Segment Gebäck: Beide wuchsen „nur“ um 6,4 Prozent. Im Gegensatz dazu legten Zuckerwaren sowie Salzige Snacks um 10,4 beziehungsweise 7,7 Prozent im Umsatz zu. In Menge wurden 1,7 Prozent mehr Zuckerwaren und 5 Prozent mehr Salzige Snacks gekauft.

Hersteller sind im Zugzwang. Denn selbst wenn sie eigene Plantagen haben wie etwa Ritter: Der Klimawandel hat starke Auswirkungen auf den Anbau von Kakao. Da wundert es nicht, dass es bei der Sweet Week einen Vortrag gibt mit dem Titel „Die Kakao-Krise: Kann Technologie unsere geliebte Schokolade retten?“. Tal Govrin von Kokomodo spricht auf der Bühne beim Sweet Week Talks & Tasting in Halle 10.1, E80, am Sonntag, 2. Februar, von 13.30 bis 14 Uhr. Denn die Lösungen müssen auf allen Ebenen des Produktionsprozesses gefunden werden. Beim Anbau, aber auch in der späteren Verarbeitung. Da braucht es Maschinen, die effizient und nachhaltig die wertvolle Ressource Kakao beziehungsweise Schokolade verarbeiten.

Rohstoffbeschaffung essenziell

Die sichere Beschaffung von qualitativ hochwerti­gen Rohstoffen ist für die Unternehmen entschei­dend. Der österreichische Waffelhersteller Manner ist der größte Bezieher von Fairtrade-Kakao in Österreich. „Das ist mit Abstand der wichtigste Rohstoff für uns, er macht fast 30 Prozent des Rohstoffeinsatzes aus“, sagt Karin Steinhart, Leiterin Unternehmenskommunikation, ESG und Sponsoring. Für den typischen Geschmack vieler Manner-Produkte sind Haselnüsse entscheidend. In den vergangenen Jahren kaufte Manner in großem Stil Agrarland im Norden Aserbaidschans, insgesamt rund 318 Hektar. Das entspricht etwa 445 Fußballfeldern. Geplant ist der Anbau von rund 180.000 Haselnusssträuchern. In diesem Sommer steht eine erste, allerdings sehr kleine Haselnussernte an. „Die Plantage soll künftig bis zu 20 Prozent unseres Eigenbedarfs sicherstellen“, sagt Steinhart.

Weniger Zucker

Mit einer echten Innovation kommt Wicklein auf die Messe: Die neue „Meisterstücke“-Range biete vollen Genuss bei 30 Prozent weniger Zucker, wie Dr. Jürgen Brandstetter beschreibt, Geschäftsführer des Nürnberger Lebkuchenbäckers Gottfried Wicklein. Drei Jahre Entwicklungszeit liegen hinter dem Unternehmen. Denn der Zucker sollte nicht durch chemische Polyole wie Aspartam ersetzt werden. Zudem ist Zucker beim Backen wichtig für die Elastizität des Teiges. Eine anspruchsvolle Aufgabe für die Produktentwickler. Wicklein-Vertriebsleiter Stefan Roßkopf: „Wir wollten auf keinen Fall den authentischen Geschmack unserer Spezialitäten einbüßen.“ Vor allem bei den Elisen-Lebkuchen sei dies eine große Herausforderung gewesen. Die zuckerreduzierte Range umfasst neben den Elisen-Lebkuchen Wicklein-„Allerlei“, Spekulatius, Zimtsterne, Butterzeug und Vanillekipferl.

Auftakt zum Jubiläum

Auf mehr als 140 Quadratmetern feiert Loacker in Köln sein großes Jubiläum: Das Unternehmen wird 100 Jahre alt. Wie aus einer kleinen Kondi­to­rei in Bozen ein nach eigenen Angaben globaler Marktführer im Bereich Premium-Waffel- und Schokoladenspezialitäten wurde, ist dabei ein Thema. Die Geburtstagskampagene läuft unter dem Titel „Rebels of Goodness“. Jubiläums­ver­packungen, aber auch neue Produkte und Konzepte sollen den Anlass in den Handel verlän­gern. Neben einer nationalen Digitalkampagne ist unter anderem ein Gewinnspiel am Point of Sale geplant. Eine Influencer-Kampagne und diverse weitere Social-Media-Aktivitäten sollen Aufmerksamkeit und Reichweite pushen.

Pflanzliche Alternative

Genuport stellt in Köln die Haferdrink-Marke Aito des finnischen Unternehmens Fazer vor. „Aito“ bedeutet „echt“. Das Produkt soll neutral und cremig schmecken und daher vielseitig verwendbar sein. Vorgestellt werden vier Vari­an­ten in 1-Liter-Packungen, darunter zwei mit Bio-Label. Mit einer 360-Grad-Kampagne soll das Produkt im Handel unterstützt werden. Den geschmacklichen Kontrapunkt setzt das Tyrkisk Peber von Fazer: Die Lakritzbonbons richten sich laut Genuport an Fans skandinavischer Lakritzkreationen, die „charakterstarke Süßwaren schätzen“. Die Namen „Hot & Sour“ oder „Hot Rings“ sind Programm.

Nougat und Confiserie

Bald ein Jahr ist es her, dass sich der Thüringer Süßwarenhersteller Viba Sweets mit der Übernahme von Hussel, Arko und Eilles völlig neue Vertriebsmöglichkeiten eröffnet hat. Bei der Messe stellt der für Nougatspezialitäten, aber auch Schokoladen-Confiserie und Fruchtriegel bekannte Hersteller als Highlight für den Herbst eine Royal Nougatcreme im Glas vor. Für Frühling/Sommer gibt es als saisonale Sortimentsergänzung ein Erdbeer-Nougat.

Starke Fruchtgummi-Marke

Trolli kennt seine Kundschaft: So war Trolli nach Unternehmensangaben mit Verweis auf Zahlen von Circana die erfolgreichste Fruchtgummi-Marke in der Halloween-Saison. „Dadurch erreichte Trolli im Oktober 2024 einen Marktanteil von 13,1 Prozent“, heißt es. Bunte Verpackungen und die detailverliebte Optik garantieren am Regal, dass die Produkte ins Auge fallen. Geschmacklich ist Sauer ein ganz starker Trend. Trolli setzt 2025 ein nach eigenen Angaben siebenstelliges Werbebudget ein, um die Marke weiter zu stärken und alle relevanten Zielgruppen crossmedial gezielt anzusprechen.

Was gibt es Neues bei den Zutaten?

In Zusammenarbeit mit der Zukunftsagentur Haute Innovation präsentiert die Pro Sweets Cologne auf einer 120 Quadratmeter großen Sonderfläche die „Special Show Ingredients“ (Halle 10.1). Kreative Lösungen, funktionelle Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen, vegane Zutaten: Die Angebotspalette ist breit. Hier können sich die Besucher auch mit Start-ups austauschen und vernetzen.

Influencer gefragt:
 Wie schmeckt das?

„Influencer Tasting“ heißt es am Sonntag, 2. Februar, 16 bis 16.30 Uhr, in Halle 10.1, E80. Nathalie Gleitman, Gründerin von „Nathalie’s Goodies“, ist gemeinsam mit weiteren Gästen beim Testen gefordert. Ihr zur Seite steht Moritz Schirdewahn, Gründer von Heyyy Gum.

Handel und Start-ups zusammenbringen

In der Networking Area, Halle 10.1, haben Start-ups, Scale-ups und Händler die Möglichkeit, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Termin ist Sonntag, 2. Februar, von 12.45 bis 13.30 Uhr.

Was können Algen in Snacks und Süßwaren?

Welche Chancen frische Mikroalgen, insbesondere Spirulina, für die Süßwaren- und Snackbranche liefern, das beleuchtet Gunnar Mühlstädt. Er ist Chief Technical Officer bei Algenwerk. Sein Vortrag beginnt am Sonntag, 2. Februar, um 12.30 Uhr.

Neue Produkte: ab Montag zu sehen

In Halle 10.1 wird ab Montag, 3. Februar, das Geheimnis gelüftet, wer die drei Gewinner des „New Product Showcase Awards“ sind. Die Produkte der Mitwettbewerber sind natürlich auch zu sehen.

Neue Produkte