Politik contra Wirtschaft Mehr Freiheit bitte

Politik contra Wirtschaft: im zweiten Polit-Talk der Lebensmittel Praxis fordert Ralph Beranek mehr unternehmerische Freiheiten, einen Abbau der Bürokratie und mehr Ernährungsbildung in den Schulen.

Mittwoch, 03. November 2021 - Süßwaren
Jens Hertling
Artikelbild Mehr Freiheit bitte
Bildquelle: Seeberger, Houben

Zur Person: Reinhard Houben ist seit 1984 geschäftsführender Gesellschafter der Arnold Houben GmbH, einem mittelständischen Handelsunternehmen in Köln. Er ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter und ist wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Zur Person: Ralph Beranek ist Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing von Seeberger. Die Seeberger GmbH ist eine Unternehmensgruppe für Nüsse, Trockenfrüchte, Kaffee und Tee mit Sitz in Ulm. Das Unternehmen hat 800 Mitarbeiter und einen Umsatz von knapp 300 Millionen Euro.

Was braucht Ihr Unternehmen am wichtigsten von der Politik?
Beranek:
Ich habe keinen so riesigen Katalog dabei (und lacht). Ich wünsche mir für die Unternehmen mehr Wertschätzung. Es ist erschreckend, wie viel Zeit und Geld den Unternehmen durch die deutsche Bürokratie verloren geht. Darunter leiden nicht nur die betrieblichen Abläufe, sondern auch die Kunden.

Herr Houben, können Sie etwas von diesen Wünschen versprechen?
Houben: Es geht hier nicht um Versprechungen, sondern um die politische Einschätzung. Ich möchte mit dem Thema Wertschätzung beginnen. In der öffentlichen Wahrnehmung wird der Unternehmer leider sehr negativ dargestellt. Dass in unseren Schulbüchern ein Unternehmer immer noch als Strichmännchen mit Zigarre und Hut gezeichnet wird, passt so nicht in die politische Landschaft. Deswegen bin ich froh, dass das Land Nordrhein-Westfalen das Thema „Wirtschaft an die Schulen“ wieder in den Lehrplänen verankert hat. Das ändert die Wahrnehmung von wirtschaftlichen Zusammenhängen.

Können Sie auf den Vorwurf der Bürokratie eingehen?
Houben
: Das Thema „Bürokratie“ ist ein Evergreen. In unserem Wahlprogramm haben wir die sportliche Forderung „one in – two out“. Wir wollen Subventionen des Bundes stufenweise abschmelzen. Dazu werden wir die Kapitel des Bundeshaushalts auf die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der jeweils vorgesehenen Ausgaben hin überprüfen. Für neue Subventionen soll eine „One in – two out“-Regelung gelten. Demnach ersetzt eine neue Subvention zwei alte, damit die Subventionen stetig weniger werden. Das ist sicher ambitioniert und schwer durchzusetzen. Bei der heutigen Fülle an gesetzlichen Auflagen hat der Unternehmer nur zwei Chancen: Entweder er erfüllt alle Anforderungen, die an ihn gestellt wird – dann kommt er kaum noch zum Arbeiten - oder er hat den Mut zur Lücke.
Beranek: Ich möchte noch etwas zu dem Punkt „Wirtschaft an die Schulen“ ergänzen. Das Thema „Ernährung“ muss wieder in den Lehrplan der Schulen aufgenommen werden, denn die Verbraucher sollten sich wieder mehr mit diesem Thema beschäftigen. Es gibt keine schlechten Lebensmittel. Nüsse sind beispielsweise tolle Produkte – nur ist eben die Dosis entscheidend. Die Ernährungsbildung soll Kinder zu einem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Umgang mit Essen und Trinken befähigen. Deswegen finde ich Ernährung so wichtig in der Ausbildung der Kinder und Schüler.

Warum ausgerechnet Ernährungs-Bildung?
Beranek:
Ernährung war lange ein Thema, das Kindern innerhalb der eigenen Familie nähergebracht wurde. Es gibt aber auch Kinder, die in der Familie keine Vorbilder in Sachen Ernährung haben. Vielleicht fehlt einfach die Zeit zum Zubereiten von frischem Essen, Geld oder die Eltern wissen selbst zu wenig darüber, was der Körper braucht, um fit zu bleiben. Mein Fazit lautet: Wir brauchen mehr Ernährungswissen und eine bessere Ernährungsbildung. Übrigens nicht erst in der Schule, sondern schon in der Kita.

Wie wichtig sind für einen Unternehmer stabile Verhältnisse?
Beranek:
Sehr wichtig. Die Zukunft soll für uns planbar sein.
Houben: Im Grunde haben wir in Deutschland und in der EU stabile Bedingungen. Wir allerdings sind aber inzwischen schon so stabil, dass wir uns nicht mehr bewegen können. Das ist der Konflikt, den wir haben.

Wie sieht es bei dem Punkt Steuer aus?
Beranek:
Ich möchte, dass alle Unternehmen hier gleichbehandelt werden.
Houben: Wir wollen die steuerliche Belastung von Unternehmen auf den OECD-Durchschnitt (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von rund 25 Prozent senken. Unser Ziel ist es, im Zuge der angestrebten Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa den deutschen Sonderweg der Gewerbesteuer zu beenden. Das heißt zugleich, dass die Finanzierung der Kommunen auf eine neue Grundlage gestellt werden muss – etwa durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer. Wir wollen ebenfalls die Vermögensteuer dauerhaft aufheben. Denn kaum etwas schädigt den Standort Deutschland so sehr wie eine Debatte um Enteignungen.
Beranek: Ich bin persönlich auch nicht dafür, weniger Steuern zu bezahlen. Mir ist es aber wichtig im Wettbewerb Gleichheit zu schaffen – es sollten für alle gleiche Regeln gelten. Die Vermögensteuer ist ein bürokratisches Monster – hier stellt sich mir die Frage, wie Vermögen bewertet werden soll?

Was heißt das für Sie und für kleine Unternehmen?
Beranek:
Ich bin für eine Steuerdebatte, die nicht so viel Verunsicherung erzeugt wie beispielsweise derzeit der Streit über Soli-Abbau und Vermögensteuer. Wir stehen zu unserer Steuerverantwortung, wir zahlen gerne Steuern. Aber die Belastung muss stemmbar bleiben, damit die Investitionskraft nicht verloren geht.

Das Stichwort Europa fiel schon. Lassen sie uns zum europäischen Lieferkettengesetz kommen. In Deutschland ist es durch. Jetzt soll es europäische Regelungen geben: Können Sie uns hier ihre Standpunkte erläutern?
Beranek:
Ich bin tatsächlich kein Gegner des Lieferkettengesetzes: Die inhaltliche Forderung ist wirklich gut. Leider wird bei anderen Firmen das Produkt noch oft über den günstigsten Preis vermarktet. Bei uns ist das anders. Das Thema ist doch, dass der Unternehmer Verantwortung übernehmen muss. Für uns ist es deshalb wichtig, dass niemand in der Lieferkette betrogen wird. Ich trage die Verantwortung für meine Vorlieferanten. Für mich stellt sich deshalb die Frage, wie ich das ohne riesigen Arbeitsaufwand umsetze.

Sehen Sie es eigentlich, dass das Lieferkettengesetz beim Kunden gut ankommt?
Beranek:
Beim Endverbraucher kommt das Lieferkettengesetz natürlich gut an. Ein Kunde erwartet von einer Marke wie Seeberger Verantwortung für die Lieferanten. Wir kennen viele der Lieferanten, mit denen wir zum Teil seit Generationen zusammenarbeiten. Es ist schade, dass es dafür ein Gesetz braucht.

Was fürchten denn die Unternehmen?
Beranek:
Die Unternehmen fürchten eher weniger die Strafzahlungen aufgrund von Verstößen gegen das Gesetz. Größer ist die Sorge, aus den Lieferketten der Geschäftspartner ausgeschlossen zu werden. Es bestehen Unklarheiten in der Beweisführung, also zum Beispiel darüber, inwieweit die Lieferketten überwacht und dokumentiert werden müssen.

Herr Houben, brauchen wir aus Ihrer Sicht das Lieferkettengesetz?
Houben:
Mit ihren Plänen für ein Lieferkettengesetz beweist die Bundesregierung, dass gut gemeint noch lange nicht gut gemacht ist. Heimische Unternehmen für Verfehlungen von Zulieferern im In- und Ausland haftbar zu machen, wird zu einem Rückzug dieser Firmen aus Entwicklungsländern führen. Dabei bringen gerade deutsche Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechtsstandards in diesen Ländern voran. Für mittelständische Firmen ist eine lückenlose Überwachung ihrer Lieferketten kaum zu leisten. Viel zielführender wäre es, Unternehmen zu Investitionen in Entwicklungsländern zu ermutigen. Dazu brauchen wir vor allem eine europäische Lösung statt einem nationalen Alleingang.

Was ist hier die Lösung?
Houben:
Die Wahrung der Menschenrechte ist eine ureigene Aufgabe der Staaten. Diese Verantwortung kann nicht einfach auf die Wirtschaft abgewälzt werden. Insofern ist ein Lieferkettengesetz der falsche Weg und führt auch durch polarisierende Parolen nicht zur Lösung von Problemen. Der zielführendere Ansatz ist die Verankerung von klaren Menschenrechts- und Umweltstandards inklusive dazugehöriger Kontroll- und Sanktionsmechanismen in Freihandelsabkommen.

Wie handeln Sie als Unternehmer, wenn es in einem Land Schwierigkeiten gibt?
Beranek:
Das geht über das Lieferkettengesetz hinaus. Hier muss meiner Meinung nach die Bundesregierung entscheiden, ob das entsprechende Land boykottiert wird. Diese Grundsatzentscheidung habe ich nicht als Unternehmer zu treffen.

Herr Houben, wenn Sie die Möglichkeit hätten, würden Sie noch einmal an dem Lieferkettengesetz feilen?
Houben:
Ich würde jetzt rein politik-handwerklich davon ausgehen, dass gewartet wird, bis es die europäische Lösung gibt. Und dann wird die Debatte wieder in Deutschland geführt. Wir werden mit dem Gesetz, was jetzt hier so beschlossen wurde, so lange arbeiten, bis die europäische Lösung da ist.

Wo sehen Sie als Unternehmer weitere Probleme?
Beranek.
Ich möchte noch einmal auf die Deklarationsvorschriften beim Nutri-Score eingehen. Ich finde den Nutri-Score politisch-handwerklich nicht akzeptabel. Beispielsweise gilt er nicht in der gesamten EU. Wir können nicht für jedes einzelne Land in der EU eine neue Packung bzw. eine eigene Folie machen. Das ist für mich und unsere Branche nicht nachvollziehbar.

Und inhaltlich?
Beranek:
Der Nutri-Score setzt für mich an der falschen Stelle an. Wir brauchen mehr Ernährungsbildung, nicht mehr Verbote. Die Informationen, die im Nutri-Score verarbeitet werden, sind bereits auf den Etiketten vorhanden.
Houben: Im Grunde ist die Regelung zum Nutri-Score damit wieder ein Handelshemmnis. Und was hilft mir der Nutri-Score, wenn ich ihn nicht verstehe. Ein Beispiel. Ich habe gestern in Köln eine Portion Pommes gegessen. Hier steht kein Nutri-Score darauf. Ich wusste aber, wenn ich das jeden Tag dreimal esse, ist das bestimmt nicht vernünftig. Wie schon gesagt: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Am Ende muss die Information den Empfänger erreichen. Und wenn der Empfänger die Botschaft gar nicht wahrnehmen möchte oder nicht versteht, dann macht das keinen Sinn.

Herr Houben ich möchte noch einmal auf internationale Handelsabkommen eingehen. Was könnten Sie uns über Ihre Position dazu sagen?
Houben:
Deutschlands Exporte sind ein wichtiges Standbein, sichern Wirtschaftswachstum und damit Arbeitsplätze und die öffentlichen Finanzen. Unser aller Wohlstand ist auf den Welthandel angewiesen. Wir wollen erreichen, dass die Verträge, die ausgehandelt sind, endlich ratifiziert werden. Wir wollen den Freihandel stärken, das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) ratifizieren und nach dem Vorbild von CETA einen transatlantischen Wirtschaftsraum zwischen Nordamerika und Europa voranbringen. Damit Deutschland nicht nur im Geschichtsbuch als Exportweltmeister auftaucht. Weitere Beispiele sind die TTIP 2 und das Mercosur-Abkommen.

Wie wichtig ist Ihrem Unternehmen der chinesische Markt?
Beranek:
Der chinesische Markt ist für uns weniger wichtig. Wir haben uns früh um den Absatzmarkt China gekümmert. Vor vielen Jahren haben wir ein Repräsentationsbüro in China gegründet, um Distributeure vor Ort zu finden und dort Geschäfte zu machen. Wir hatten den Fuß auch in der Tür, aber haben jetzt unsere Aktivitäten wieder deutlich runtergefahren. Wir finden nur schwer Zugang zum chinesischen Konsumenten. Was die Rohstoffseite anbelangt, haben wir uns bis auf ein Produkt komplett zurückgezogen. Das war aber unabhängig vom Lieferkettengesetz – wir wollen immer wissen, woher die Produkte stammen. Das hat uns China komplett verweigert. Für uns gab es dort keine Transparenz – zumindest nicht die, die wir von unseren Lieferanten fordern.

Inwieweit sind für Sie Handelsabkommen wichtig? Ist die USA für sie wichtig und inwieweit brauchen sie hier Handelsabkommen und Stabilität in den Handelsbeziehungen?
Beranek
: Ich persönlich finde Verträge gut und bin persönlich für eine gute global geregelte Wirtschaft. Wie liefern in 60 verschiedene Länder und natürlich hilft es uns immer, wenn uns die Politik die Wege ebnet.

Herr Houben: Hätten Sie nicht Lust in einer künftigen Regierung mitzuarbeiten? Vielleicht als Wirtschaftsminister?
Houben:
Als Abgeordneter ist es mir eine Ehre, im künftigen Bundestag mitentscheiden zu können. Ich möchte aber kein Wirtschaftsminister werden.

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