Im zweiten Corona-Jahr habe sich das Wachstum in der Kategorie Süßgebäck zwar verlangsamt, sei aber dennoch weiter höchst erfreulich für den Handel, analysieren die Marktforscher von Nielsen. Das passt zu dem, was Mondelez-Europa-Chef Vinzenz Gruber kürzlich stellvertretend für viele Konsumenten formulierte: „Sowohl bei mir im Büro als auch bei uns zu Hause stehen immer Kekse bereit. Das passt am besten zu meinem Tagesablauf, aber – das wissen wir aus unseren Studien – auch zu den Verzehrgewohnheiten der meisten Menschen.“ Kein Wunder, dass die Kategorie erfreulich läuft. Bis einschließlich Kalenderwoche 26 war der Umsatz der über 1,7 Milliarden Euro großen Kategorie im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Drogeriemärkten um 4,3 Prozent gestiegen. Das Volumen hingegen wuchs lediglich um 1 Prozent.
Insgesamt habe sich der coronabedingte Höhenflug des Jahres 2020 aber wieder gelegt. Die Hamsterkäufe mit ihren meist zweistelligen Umsatz- und Mengenzuwächsen des ersten Lockdowns hätten sich nicht wiederholt, berichtet Nielsen-Süßwarenexperte David Georgi. Ein Beispiel: Die Anzahl der verkauften Verpackungen ging im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um rund 6 Prozent zurück. Beim Umsatz allerdings zeigt sich ein erfreulich anderes Bild: Der Handel verlor hier nur 1,8 Prozent.
Kunde kauft höherwertiger
Laut Nielsen ist der Grund dafür das weiter angestiegene Preisniveau von über 3 Prozent (auf den Kilopreis gerechnet). Und das Niveau ist beim Kunden auch etabliert: „Der Trend zum Kauf von höherpreisigen Produkten und Marken hält bei Süßwaren und Waffeln unvermindert an“, sagt Georgi. Markenartikel zeigten beispielsweise ein doppelt so hohes Umsatzwachstum (plus 5,6 Prozent) wie die Handelsmarken (plus 2,8 Prozent). Auch die positive Mengenentwicklung (plus 5 Prozent) ergebe sich fast ausschließlich aus den Markenverkäufen. Handelsmarken stünden zwar noch für 59 Prozent der Absätze, aber nur noch für 46,1 Prozent im Umsatz. Für Georgi liegt dies auch darin begründet, dass die Discounter mehr Marke verkaufen (plus 4,1 Prozent im Umsatz, 2,1 Prozent im Absatz). Insgesamt aber bleiben die Discounter die erste Wahl des Kunden beim Kauf von Süßgebäck (52 Prozent Umsatz, 60 Prozent Volumen). 897 Millionen Euro setzte diese Vertriebsschiene in den letzten zwölf Monaten um.
Renner: Kekse mit und ohne Schoki
Ganz deutlich zeige sich diese Entwicklung aber in den Verbrauchermärkten: „Hier zeichnen sich die Markenprodukte durch einen deutlich positiven Wachstumstrend aus“, betont Georgi.
Umsatzstärkstes Segment ist weiterhin Gebäck ohne Schokolade (460 Millionen Euro Gesamtumsatz). Dieser Bereich wächst weiter zweistellig. Ebenso gut laufen Kekse mit Schokolade, Eiswaffeln (selbst in diesem eher durchwachsenen Sommer) sowie andere Waffelspezialitäten ohne Schokolade. Sandwichgebäck dagegen scheint derzeit weniger beliebt; diese Kategorie zeigte zwar zuletzt eine Fülle von Neueinführungen bei Marken und Eigenmarken, „verlor aber deutlich an Substanz“, meint der Nielsen-Experte. Ähnlich stürzen offenbar auch die größeren, amerikanisch anmutenden Cookies ab. Backt diese der Kunde vielleicht gerade eher selbst?
Traditionell bringt der Handel zum 1. September die saisonalen Gebäcke auf seine Aktionsflächen. In diesem Jahr zeigt sich gleich ein fulminanter Start, denn die Temperaturen sanken deutlich.
Weihnachtssaison ante Portas
„Kühlere Temperaturen wirken sich positiv auf den Saisonstart und -verlauf aus“, heißt es denn auch bei den Lebkuchen-Spezialisten von Lambertz aus Aachen oder Lebkuchen-Schmidt/Wicklein in Nürnberg. „Gerade für unsere Sortimente gilt ja der besondere Effekt, dass sie eben nur in einem limitierten Zeitraum von vier Monaten angeboten werden, dann verschwinden sie wieder komplett aus den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels“, erläutert Lambertz-Chef Hermann Bühlbecker. „Umso größer sind dann nach acht Monaten der Auszeit die Vorfreude und die direkte Nachfrage der Konsumenten.“
Im Handel freuen sich die Konsumenten in der Tat schon seit Anfang September. „Gefühlt bekommen wir ja laut Kundenaussage das Weihnachtsgebäck jedes Jahr immer früher – wobei es immer in der ersten Septemberwoche ausgeliefert wird“, berichtet Karl Kordes, Marktleiter des Marktkauf Espelkamp. „Gekauft wird es aber trotzdem.“
Die Renner in seinem Markt seien nach wie vor Spekulatius, Printen, Lebkuchen mit und ohne Füllung sowie Dominosteine, berichtet er. Die momentanen Abverkäufe seien mehr als zufriedenstellend, ergänzt er. „Platziert haben wir das Weihnachtsgebäck im Kunden-Hauptgang sowie auf einer Aktionsfläche neben der Süßwarenabteilung.“
Neues Segment: Herbstgebäcke
Dabei gehen die Verbraucherwünsche längst über reine Weihnachtsspezialitäten hinaus. Daher hat sich ein neues Segment gebildet: die Herbstgebäcke, wesentlich vor allem Lebkuchen-Varianten, etwa Dominosteine und andere saisonale Gebäckarten. „Es ist einfach so, dass sich viele Verbraucher freuen, dass diese besonderen Sortimente ab dem meteorologischen Herbstanfang wieder zur Verfügung stehen“, so Bühlbecker. Elementarer Unterschied zu den klassischen Weihnachtssegmenten der Lambertz-Gruppe, die in voller Breite erst im November und Dezember im Handel zu finden sind, ist, dass die Herbstprodukte eine eigenständige Produktcharakteristik und grundsätzlich eben keine Weihnachts- oder Wintermotive aufweisen. „Fakt ist auch, dass in den osteuropäischen Nachbarländern Lebkuchen sogar ganzjährig konsumiert werden“, erklärt der Lambertz-Chef. Dort könne man auch teilweise gar nicht verstehen, dass dies in Deutschland traditionell anders ist. Lambertz ist jedenfalls gut auf den Herbst vorbereitet: Die Firma produziert auf 27 Backlinien in insgesamt acht Werken. Die Vorproduktion hatte bereits im Juni begonnen. An Spitzentagen verlassen bis zu 10.000 Paletten die Produktionslager. Die tägliche Produktionsmenge der Lambertz-Werke liegt in der Saison bei rund 600.000 Kilogramm. Insgesamt werden etwa 664 Millionen Dominosteine und 720 Millionen Lebkuchenherzen, -sterne und -brezeln produziert.
Engpässe erst später erwartet
„Trotz diverser globaler Engpässe in den Lieferketten und Problemen in der internationalen Logistik- und Containerwirtschaft ist unsere Produktions- und Liefersicherheit weiterhin gewährleistet“, betont Hermann Bühlbecker. Das Unternehmen habe sich frühzeitig auf mögliche Schwierigkeiten eingestellt, sich mit langfristigen Kontrakten abgesichert oder auf Alternativen umgestellt.