Herbstgebäck Warum der Erfolg von Lebkuchen & Co. am Septemberwetter hängt

Alle Jahre wieder erobert im September Herbstgebäck die Regale.
Während Klassiker wie Lebkuchenherzen und Spekulatius gefragt bleiben, gibt mancher Hersteller seinen Produkten einen neuen Dreh.

Dienstag, 17. September 2024 - Sortimente
Manuel Glasfort
Artikelbild Warum der Erfolg von Lebkuchen & Co. am Septemberwetter hängt
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Die Erinnerung an den Sommerurlaub ist bei den meisten noch frisch, doch die Nächte werden bereits kürzer und kühler. Nicht mehr lange, da werden in den Regalen der Supermärkte und Discounter Lebkuchen, Spekulatius, Printen und weitere Saisongebäcke die kalte Jahreszeit mit einläuten. Für die Hersteller der winterlichen Waren sind es entscheidende Wochen. Wie gut der Verkauf im September und Oktober anläuft, hängt dabei maßgeblich vom Wetter ab: Beginnt der Herbst kühl und verregnet, steigt der Appetit auf diese Spezialitäten. Feiert der Sommer dagegen – wie im vergangenen Jahr – im September ein spätes Comeback mit hohen Temperaturen, dann bleibt mehr ­Ware im Regal liegen. Womöglich war also nicht nur die hohe Inflation schuld an der Kaufzurückhaltung bei Saisonwaren im vergangenen Jahr, sondern auch die warme Witterung. Der Absatz von Saisongebäck war 2023 deutlich rückläufig, wie Daten von NIQ belegen: 101.863 Tonnen Herbstgebäck setzten die Hersteller im vergangenen Jahr hierzulande ab, ein Rückgang von knapp 8 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Nur dank Preiserhöhungen legte der Gesamtumsatz um 6,35 Prozent zu.

Auf das Wetter haben die Hersteller von Saisongebäck keinen Einfluss, auf das Produktangebot sehr wohl. Dabei sind die Klassiker durchaus weiterhin bei der Kundschaft gefragt, wie Andreas Coppenrath bestätigt, Geschäftsführer des gleichnamigen Gebäckherstellers aus Geeste im Emsland. „Insbesondere bei unseren Saisonprodukten erleben wir keine Überraschungen“, berichtet Coppenrath. „Hoch im Kurs steht seit jeher unser Gewürzspekulatius zur Wintersaison. In diesem Jahr erhalten unsere Kunden diesen sogar in einer hochwertigen Dose als Limited Edition.“

Zugleich hat auch Coppenrath die aktuellen Trends beim Gebäck auf dem Radar: „Neben unseren klassischen Produkten wie Gewürz-, Butter-, Mandel- und Schoko-Spekulatius werden auch immer mehr Artikel zur Spezialernährung nachgefragt, wie zucker- oder glutenfreie Produkte. Damit beispielsweise Diabetiker oder Zöliakie-Erkrankte auch unsere Gebäcke genießen können, werden wir auch zukünftig in die Entwicklung von entsprechendem Feingebäck investieren“, kündigt der Firmenchef an. Auf die Frage nach der Umsatz- und Absatzentwicklung beim Saisongebäck sagt Andreas Coppenrath: „Wir befinden uns auf dem Vorjahresniveau. Das entspricht auch unseren gesetzten Zielen.“

Eigenmarke dominiert

Wie viele andere Gebäckproduzenten vertreibt Coppenrath seine Produkte nicht nur unter eigenem Label, sondern stellt auch Private-Label-Produkte her. Grundsätzlich spielt die oftmals preiswertere Alternative zum Markenprodukt im Gebäckmarkt eine größere Rolle als bei anderen Süßwaren, etwa Schokoladenwaren. Das gilt auch für die Saisonprodukte. Bei Lebkuchen und Spekulatius entfielen laut den Marktforschern von NIQ 2023 rund zwei Drittel des Absatzes auf Handelsmarken, bei Dominosteinen waren es sogar drei Fünftel. Allein bei Printen und Spitzkuchen dominiert Markenware. Die Daten von NIQ zeigen außerdem: Die Eigenmarken gewinnen fast durch die Bank noch an Bedeutung, auch wenn nicht jeder Hersteller das zu spüren bekommt: Eine Verschiebung hin zu mehr Eigenmarke könne er nicht feststellen, sagt Andreas Coppenrath.

Evergreen Lebkuchen

Die unangefochtene Nummer 1 der Deutschen beim Saisongebäck ist Lebkuchen in all seinen Varianten. „Unsere Lebkuchen mit dunkler Schokolade gehen immer und werden wohl auf ewig unser stärkster Saisonartikel bleiben“, bestätigt Dr. Jürgen Brandstetter, Geschäftsführer von Gottfried Wicklein. Dennoch finden auch neue Kreationen des Nürnberger Lebkuchenbäckers durchaus Anklang beim Verbraucher: „Nachhaltigen Erfolg konnten wir aber auch mit unserer ,Meistersinger Plus‘-Edition erzielen, bei der wir unseren meistverkauften Klassiker mit perfekt dazu passenden, aber überraschenden Geschmacksmomenten wie Mandelkrokant, Cashews oder Glühwein verfeinert haben.“ Jürgen Brandstetter ergänzt: „Und unser personalisierbarer Adventskalender wurde erfreulicherweise auch sehr gut angenommen und gehört nun zum Standardsortiment.“ Damit nicht genug: „Unsere vielleicht originellste Neuheit in diesem Jahr sind unsere ‚Tassenwichtel‘, die ja auch schon einige Preise eingefahren haben. Das sind kleine, drollige Männchen aus braunem Lebkuchenteig, die so geformt sind, dass man sie auf den Henkel nahezu jeder Tasse klemmen kann.“ Die Wichtel, so Brandstetter, seien nicht nur ein „absoluter Hingucker“, sondern „auch die ideale kleine Nascherei zu allen Arten von Heißgetränken“.

Herbstgebaeck

Mit der Darreichungsform experimentiert auch Lambertz. Das Aachener Unternehmen zählt zu den Großen im Bereich Saisongebäck. Bekannt und groß geworden mit seinen Aachener Printen, hat Lambertz längst so ziemlich jeden Herbst- und Weihnachtsklassiker unter den Backwaren im Sortiment. Etwa die Hälfte seines Jahresumsatzes in Höhe von zuletzt knapp 700 Millionen Euro macht Lambertz nach Angaben von Unternehmenssprecher Martin Heinen mit Saisonartikeln. Zu den Topsellern des Unternehmens zählen das Lebkuchensortiment „Herzen – Sterne – Brezeln“, gefüllte Lebkuchenherzen und Dominosteine. „Im Bereich Herbst- und Weihnachtsgebäck, also etwa in den Segmenten der Traditionsprodukte Aachener Printen, Nürnberger Lebkuchen und Dresdner Stollen, sind wir nationaler und internationaler Marktführer“, sagt Heinen.

Mozartkugeln mit weißer Schokolade

Heinen zufolge wollen die Verbraucher zur Herbst- und Weihnachtszeit nicht auf klassische, traditionelle Gebäcke verzichten: „Die Konsu­menten sind diesbezüglich eher konservativ eingestellt. Heißt: Sie verlangen nach bekannten, originalen Rezepturen.“ Allerdings verzichte Lambertz deshalb nicht auf Innovationen. „Ganz im Gegenteil: Das traditionelle Kernsegment wird immer auch durch trendige Neuheiten erweitert – etwa durch Mini-Formate oder Produkte mit Zusatznutzen.“ Heinen führt aus: „Trendgemäß gehört zu unserem Programm auch eine vegane Range mit klassischen Lebkuchenprodukten.“

Um vor allem eine jüngere Zielgruppe für Saisongebäck zu begeistern, hat sich Lambertz noch etwas einfallen lassen: „Ein Trend in diesem Jahr sind Saisonprodukte mit weißer Schokolade. Dazu haben wir eigens eine Edition ,White Christmas‘ auf den Markt gebracht, die die saisonalen Lieblingsprodukte hervorhebt wie verbindet. Dazu gehören unter anderem ,Herzen – Sterne – Brezeln‘, Lebkuchenstäbchen, gefüllte Lebkuchenherzen, Dominos, Mozartkugeln und Baumkuchenspitzen, die alle mit weißer Schokolade umhüllt sind.“

Und noch einen weiteren Trend hat die Lambertz-Gruppe laut Heinen identifiziert: „One-Bite-Formate sind beim Saisongebäck ebenfalls im Kommen. Den Trend bedienen wir unter anderem mit unseren neuen ,Lambertz Stollen Bites‘, einer mundgerechten Neuinterpretation des Christstollens.“ Ab 2014 hat Lambertz den Dresdner Stollenbäcker Dr. Quendt in die Gruppe integriert. Heinen zufolge hat das Traditionsunternehmen sich seither positiv entwickelt. Seit der Dr.-Quendt-Christstollen 2022 zum besten Christstollen Deutschlands gekürt worden sei, habe sich die Nachfrage „nochmals deutlich erhöht“.

Keine Weihnachtssymbolik

Wie gut das Geschäft mit dem Saisongebäck im September und Oktober anlaufe, hänge stark vom Wetter ab, betont Heinen. Die für Absatz und Umsatz wichtigeren Monate seien aber der November und Dezember. „In den letzten Jahrzehnten hat sich die Saison mehr und mehr in den Herbst erweitert“, gibt Heinen zu bedenken. Konsequenterweise verzichtet Lambertz bei seinen zu Beginn der Saison verkauften Produkten auf Weihnachtssymbolik.

Der Hannoveraner Keksriese Bahlsen ist zwar in erster Linie für Ganzjahresprodukte bekannt, verfügt jedoch auch über ein kleines Sortiment für Herbst und Winter, darunter neuerdings das „Winterkonfekt“. Seit dem erfolgreichen Marktstart im vergangenen Jahr sei das Produkt zum festen Bestandteil des Sortiments geworden, wie eine Unternehmenssprecherin mitteilte. Verbraucher können zwischen zwei Varianten des Winterkonfekts wählen: mit gemahlenen Haselnüssen auf edelherber Schokolade und als saftige Lebkuchenspezialität mit reichlich Persipan und Marzipan. Es ist nicht Bahlsens erstes und einziges Angebot an Lebkuchenfans, wie die Sprecherin betont: „Echte zeitlose Klassiker in unserem Herbst-Winter-Sortiment sind Bahlsen Akora und Contessa. Die gefüllten Lebkuchenherzen Akora genießen bereits seit über 50 Jahren große Beliebtheit bei den Konsumenten. Fast genauso lange gibt es den runden Lebkuchen Bahlsen Contessa, der durch seine feine Gewürznote besticht.“ Auch Butterspekulatius hat ­Bahlsen für die kalten Monate im Produkt­sortiment.

Ob die Herbst- und Wintersaison in diesem Jahr den Gebäckproduzenten am Ende Grund zur Zufriedenheit liefern wird? Wicklein-Geschäftsführer Brandstetter sagt nur so viel: „Bislang sind wir sehr zufrieden, vor allem aufgrund der nach wie vor bestehenden Herausforde­rungen gerade auf dem Rohstoffmarkt oder bei der Lohnentwicklung. Aber abschließend können wir das natürlich erst an Heiligabend beurteilen.“

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