Bewusste Ernährung Handelsmarken preschen vor

Dass die Verbraucher derzeit auch für laktose- und glutenfreie Produkte tiefer in die Tasche greifen müssen, bleibt nicht ohne Folgen. Ein Blick auf den Markt und wie Hersteller reagieren.

Donnerstag, 13. Juli 2023 - Sortimente
Hedda Thielking
Artikelbild Handelsmarken preschen vor
Bildquelle: Carsten Hoppen

Hersteller von laktose- und glutenfreien Produkten sprechen schon lange nicht mehr nur Verbraucher an, die aus gesundheitlichen Gründen auf diese Lebensmittel angewiesen sind. „Wir beobachten, dass etwa die Hälfte aller Arla-Lacto-Free-Konsumenten nicht von einer Laktoseintoleranz betroffen ist. Es handelt sich bei ihnen um ernährungsbewusste Menschen, die nicht auf echten Milchgeschmack verzichten, aber Laktose meiden möchten“, sagt Hanna Kraft, Brand Managerin Arla Lacto-Free, Arla Foods Deutschland. „Lifestyle“ heißt bei vielen Verbrauchern das Kaufargument.

Nachdem die Pandemie dem Frei-von-Markt ein ordentliches Wachstum bescherte, gibt der Krieg in der Ukraine einen anderen Takt vor. So hinterlassen die Preissensibilität und Kaufzurückhaltung der Verbraucher auch in diesem Markt deutliche Spuren: Lifestyle-Kunden greifen zurzeit weniger zu den vergleichsweise teureren Frei-von-Produkten. Und Handelsmarken machen auch in diesem Segment das Rennen.

Geringeres Wachstum für „laktosefrei“
Zunächst ein Blick auf den Markt für laktosefreie Produkte (ohne Käse): Der Umsatz kletterte erneut um 11 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro (einschließlich pflanzliche Milchalternativen), allerdings ist dieses Plus aufgrund der gestiegenen Rohstoff- und Herstellungskosten vor allem preisgetrieben (MAT April 2023, Quelle: Circana). Die Verkaufsmenge legte um 2,8 Prozent zu und fiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich geringer aus (+ 9,8 Prozent). Verloren hatten beispielsweise die laktosefreien Varianten für Frischmilch, Fruchtjoghurt, Desserts und Butter. Laktosefreie Milchmischgetränke und H-Milch legten in der Menge erneut zu (+ 5,4 beziehungsweise + 3,8 Prozent), wenn auch nicht mehr so stark wie im Vorjahreszeitraum. Auch Eiskaffee (+ 16,4 Prozent) verzeichnete ein deutliches Absatzplus. Dazu der Pressesprecher der Rewe Group Thomas Bonrath: „Die Segmente laktosefreier Eiskaffee und Milchmischgetränke sind vergleichsweise klein. So können schon einzelne Artikeleinführungen, wie die veganen Yfood-Trinkmahlzeiten, einen deutlichen Zuwachs bedeuten.“ Er sagt weiter: „Generell dämpfenden Einfluss auf die Entwicklung der Frei-von-Warengruppe hat die wachsende Zahl an Milchalternativen auf Hafer-, Nuss- oder Sojabasis.“ Seiner Ansicht nach würden auch pflanzenbasierte und gleichzeitig laktosefreie Artikel den Geschmack der Milch nachahmen, die sich selbst nicht im Bereich Frei-von positionieren. „Dieser Bereich zeigt sich sehr dynamisch und gleicht die rückläufigen Absatzmengen der ausgewiesenen laktosefreien Milchmarkenartikel mehr als aus“, erklärt Thomas Bonrath.

Laktosefreier Käse legte im Umsatz um 15 Prozent, in der Menge nur leicht um 0,6 Prozent zu. Dass die Verkaufsmenge von laktosefreiem Käse insgesamt gestiegen ist, ist dem Absatzplus von Hart- und Schnittkäse – dem umsatzstärksten Segment – zu verdanken. Denn fast alle andere Produktgruppen, wie Weichkäse als zweitstärkste Kategorie, Feta, Ricotta und Schmelzkäse, wurden weniger nachgefragt. Als Trendsegmente kristallisierten sich Mozzarella sowie Fondue- und Raclettekäse heraus.

Handelsmarken gewinnen
Wie in anderen Warengruppen kam es auch im Frei-von-Markt zu Verschiebungen der Marken- und Handelsmarkenanteile. Handelsmarken steigerten ihre Verkaufsmenge von laktosefreien Milchprodukten (ohne Käse) um 11 Prozent. Das ging klar zulasten der Markenartikel: Machten sie im Vorjahreszeitraum noch ein Absatzplus von knapp 7 Prozent, verloren sie im vergangenen Jahr um 8 Prozent. Handelsmarken für laktosefreien Käse legten sogar um 20 Prozent zu, während der Verkauf von Markenprodukten um 6 Prozent zurückging.

Profitieren von diesen Entwicklungen konnten bei der Rewe vor allem Milch und Naturjoghurt der Eigenmarke „Rewe frei von“. Auch der Mozzarella und der Frischkäse von „Rewe frei von“ verkaufen sich weiterhin stabil auf Vorjahresniveau.

Mehrwert ist gefragt
Doch die Markenhersteller zeigen sich weiter optimistisch und wollen mit Zusatznutzen Akzente setzen. „In den letzten Jahren haben neue Themen, wie Gesundheit und nachhaltige Ernährung, dazu geführt, dass das Spektrum an laktosefreien Produkten stetig wächst und diversifizierter wird“, teilt Moritz Collmar von Schwarzwaldmilch mit. So brachte die Molkerei im Juni die LAC-Bio-Frischmilch 3,5 Prozent Fett und einen LAC-Bio-Naturjoghurt 3,5 Prozent Fett in den Handel. Parallel dazu wurden die bestehenden Schwarzwaldmilch Bio-laktose-freien Frisch- und H-Milche um einen Bioland-zertifizierten Schwarzwaldmilch laktosefreien Naturjoghurt 3,8 Prozent Fett ergänzt.

Bei Lactalis erzielten die zwei MinusL-Bio-H-Milch-Artikel ein Mengenwachstum von + 9,1 Prozent. Nach wie vor sei auch Protein ein Trend im laktosefreien Markt. So erweitert Lactalis das Produktportfolio unter der Marke „Stay Strong“ ab Sommer durch zwei neue Drinks „Café Latte“ und „Schoko“. Potenzial sieht man zudem zum Beispiel im Dessert- und allgemein im Chilled- Dairy-Bereich. „Hier gibt es derzeit kaum oder nur ein begrenztes Angebot an laktosefreien Produkten“, informiert Patrick Husmann, Quality Director bei Lactalis. Und bei Arla fokussiert man sich weiterhin auf die frischen und haltbaren laktosefreien Milch-Drinks, mit dem Ziel, in allen Regionen führend zu sein.

Glutenfrei: höheres Markenbewusstsein
Wie lief es im glutenfreien Bereich? Tina Schording, Sortimentsmanagement Globus Markthallen, stellt fest: „Während der Pandemie griffen unsere Kunden wegen der hohen Nachfrage nach konventionellen Produkten alternativ verstärkt zu glutenfreier Ware. Dies führte zu deutlich höheren Absätzen.“ Doch im vergangenen Jahr wendete sich auch im glutenfreien Gesamtmarkt das Blatt. Der Umsatz stieg zwar preisgetrieben um 4,4 Prozent auf rund 728 Millionen Euro, der Absatz ging jedoch um 4,2 Prozent zurück (Quelle: MAT April 2023, Circana), Viele Segmente, wie glutenfreie Alternativen zu Brot, Mehl, Pasta oder TK-Pizza, wurden weniger nachgefragt. Positive Entwicklungen zeigten zum Beispiel süße und salzige glutenfreie Snacks.

Handelsmarken konnten mit einem Mengenplus von 1,6 Prozent leicht zulegen, Markenartikel mussten Prozente einbüßen. Im Vorjahreszeitraum war es noch umgekehrt: Damals steigerten Markenartikel ihre Verkaufsmenge deutlich und Handelsmarken hatten verloren.

Marktführer Dr. Schär hat eigenen Angaben zufolge im Gesamtmarkt aufgrund der Auslistung im Hard Discount Umsatz verloren (2022 zu 2021). „Im LEH wachsen wir überproportional zum Markt, sowohl im Absatz als auch im Umsatz. Laut GfK entwickelten sich Schär-Produkte positiver als der Gesamtmarkt, weil Konsumenten auch in der derzeitigen Inflationsphase ihrer Marke treu geblieben sind“, berichtet Matthias Müller-Thederan, Managing Director bei Dr. Schär. Er sagt weiter: „Wir legen den Fokus auf Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen. Bei unserer Kernzielgruppe stellen wir einen positiven Trend fest. Bei Kunden, die aus ,Lifestyle‘-Gründen unsere Produkte kaufen, sehen wir einen Rückgang.“

Zusatzqualität auch für glutenfreie Ware
Der Trend zu einem Zusatznutzen zeigt sich auch im glutenfreien Segment. Tina Schording bestätigt: „Die größten Zuwächse beobachten wir bei Produkten, die eine Zusatzqualität haben, also beispielsweise vegan oder biologisch sind. Vor allem Geschmack, Qualität der Zutaten und Nachhaltigkeit werden weiterhin im Fokus stehen.“ So hat Bauckhof, aufbauend auf dem Bestseller Bio-Wunderbrød, die Wunderbrødchen in sechs Sorten Original, Hafer, Weltmeister, Protein, Schoko und Müsli im Markt etabliert. Alle Sorten sind glutenfrei, vegan und vier davon sogar in Demeter-Qualität verfügbar. Um den Verkauf anzukurbeln, ist Bauckhof in den Social-Media-Kanälen aktiv. „Hier teilen wir zum Beispiel Rezepttipps, die leicht mit unseren Produkten umzusetzen sind. Dies wird von übergeordneten Kampagnen und Werbeanzeigen begleitet“, sagt ein Sprecher von Bauckhof.

Dr. Schär hat zwei neue Varianten der Schär Soft Cookies in der Einzelverpackung in die Regale gebracht. Sie haben eine fluffige Textur mit weichem Kern. „Das gab es bei glutenfreien Soft Cookies so noch nie“, informiert Müller-Thederan. Mit den Kaiserbrötchen und dem Pure & Active Brot möchte Dr. Schär die Kategorien Snacks und Brot zu weiterem Wachstum treiben. Außerdem will das Unternehmen die Kunden beispielsweise mit dem Ausbau des Schär-Clubs stärker an sich binden.

pdfMarktentwicklung für laktose- und glutenfreie Produkte

 

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