Brot und Backwaren Sortiment neu gemischt

Auch wenn sich das Wachstum der Backstationen etwas abgeschwächt hat: Mit Brot und Backwaren lässt sich im Handel gutes Geld verdienen ‧ wenn der Mix stimmt.

Donnerstag, 26. Februar 2015 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Sortiment neu gemischt
Auffällig: Unter der Marke ohne Namen bietet Real auch SB-Backwaren im Preiseinstiegssegment an.
Bildquelle: Hoppen, Lieken, Rosendahl, Sinnack

Es ist ein bisschen ruhiger geworden um die Backstationen. Ihre flächendeckende Einführung im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) vor einigen Jahren brachte die Branche in Bewegung. „Inzwischen hat sich das Wachstum deutlich verlangsamt“, sagt beispielsweise Katharina Frerichs. Doch die Direktorin Marketing bei Lieken ist sich ebenso wie andere Branchenkenner sicher: „Die Bedeutung von Bake-off wird ohne Zweifel hoch bleiben.“ Nach den Zahlen des Verbands Deutscher Großbäcker (VDG) werden hierzulande zwei von drei Broten im Supermarkt gekauft: „Der LEH ist inzwischen faktisch der größte Anbieter von Qualitätsbackwaren in Deutschland“, sagte Prof. Dr. Ulrike Detmers, VDG-Präsidentin, bei der jüngsten Pressekonferenz. Zwei von drei Broten werden in diesem Vertriebskanal gekauft. Aufgewertete Vorkassenzonen-Bäcker, immer mehr Gastro-Konzepte im Handel oder Konzepte wie die „Hausbäckerei“ bei Real, bei der Brot und Backwaren in einer Abteilung mit Bäckerei-Charakter präsentiert werden – der gesamte Auftritt des Bereichs Brot und Backwaren bei den Vollsortimentern wird auch 2015 weiter in Richtung Wertigkeit und handwerksähnliche Anmutung gebracht. Es bleibt spannend zu sehen, wie die Discounter reagieren werden: Konzepte mit Gastro-Charakter oder Bedienungsansätze verbieten sich (vor allem für Backstationen-Vorreiter Aldi Süd) eigentlich per Definition. Derzeit geht der Trend hin zur Wertschöpfung durch ausgefeilte Sortimente und eine hochwertige Präsentation.

In ihrer Jahresbilanz für 2014 präsentieren die Marktforscher der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) eine auf den ersten Blick für den LEH nicht so gute Entwicklung: Lag die Zahl der Shoppingtrips im Jahr 2004 im Durchschnitt noch bei 267, waren es 2014 nur noch 216. Gleichzeitig macht der Einkauf immer weniger Kunden Spaß: 2006 sagten 74 Prozent der Befragten, dass sie gerne einkaufen gehen – 2014 waren es noch 66 Prozent. „Der Trend zum selteneren, vornehmlich zweckgebundenen Einkauf wird vor allem von den Berufstätigen und noch einmal ganz besonders von den Unter-30-Jährigen getragen“, heißt es im GfK Consumer Scan für 2014. Gleichzeitig beobachten die Marktforscher schon seit einiger Zeit den „Trend der Konsumenten zum höherwertigen Einkauf“. Auf dem zweiten Blick spricht dies aber für die Vollsortimenter: „Im Supermarkt werden alle fündig, egal, ob jemand das besondere Etwas sucht oder die preiswerte Handelsmarke“, bilanzieren die GfK-Marktforscher, „die größere Auswahl in Anzahl und Qualitätsspreizung sehen die meisten Verbraucher nach wie vor bei den Vollsortimentern.“

Diese Bequemlichkeit der Verbraucher und ihr Streben nach hochwertigen Produkten gilt es, auch für das Sortiment Brot und Backwaren im LEH zu nutzen. Bis Ende September 2014 ging laut Nielsen (MAT KW 39) der Warengruppenumsatz im LEH und bei Drogeriemärkten gegenüber dem Vorjahr um 2,2 Prozent auf knapp 3,7 Mrd. Euro zurück. Der Absatz reduzierte sich um 3,7 Prozent. Da der Brotkonsum hierzulande stabil blieb, spricht dies eher für Verschiebungen innerhalb der Sortimente. Vor allem Ganzbrot landete erheblich seltener im Einkaufswagen (siehe S. 66). Die größte Umsatzbedeutung hat weiterhin Schnittbrot (etwa 876 Mio. Euro, minus 4,5 Prozent), gefolgt vom Toastbrot (Umsatz: 713 Mio. Euro. Bezogen auf den Absatz ist Toastbrot allerdings das stärkste Teilsegment (minus 3,4 Prozent), gefolgt vom Schnittbrot (minus 6,6 Prozent). „Die Verbraucherpräferenzen am SB-Regal verschieben sich immer mehr auf die Bereiche Mischbrotschnitten und Toast, am meisten zugunsten von Sandwich und Toastbrötchen“, sagt Karina Alikhan, Leiterin Marketing bei Harry-Brot. Sehr erfreulich sei auch die Rückkehr der Verbraucher zur Marke gewesen.

„Sicher wäre es ein Fehler, die klassischen SB-Sortimente zu vernachlässigen“, ist sich auch Katharina Frerichs (Lieken) sicher. Vor allem für die Marken Golden Toast und Lieken Urkorn hat sich das Unternehmen eine Menge vorgenommen. Dabei gab es schon 2014 einen guten Lauf: „Wir konnten mit unserer Marke Golden Toast im Kernbereich Toastbrot im Gesamtjahr 2014 mehr als 4 Prozent Wachstum in Umsatz und Absatz versus Vorjahr verbuchen. Dieses Wachstum liegt deutlich über dem Wachstum des Gesamtmarktes für Toastbrot.“ Sehr positiv habe sich die Subrange Körnerharmonie geschlagen. Um 4 Prozent stieg Frerichs zufolge auch der Umsatz mit den Lieken-Urkorn-Produkten, um 5 Prozent legte die Fit-&-Vital-Range zu. Markenbrot mit Mehrwert scheint bei den Verbrauchern hoch im Kurs zu stehen. Für 2015 ist u. a. eine ganzjährige bundesweit laufende Promotion für Golden Toast organisiert, Lieken Urkorn Fit & Vital wird durch ein „Städtebattle“ aufmerksamkeitsstark promotet.


Auch VDG-Präsidentin Prof. Dr. Detmers sieht in der Sortimentsverschiebung Umsatzchancen für das SB-Regal: „Ein Teil der bisher im Brotregal angebotenen Brotsorten kommt jetzt über die Backstation, das Brotregal bietet ausreichend Platz für Spezialitäten.“ Sie weiß wovon sie spricht: Großbäcker Mestemacher, in dessen Führungsspitze Detmers als Gesellschafterin und Mitglied der zentralen Unternehmensleitung verantwortlich zeichnet, schaffte 2014 im rückläufigen Markt der SB-Brote im LEH ein Umsatzplus von 7,4 Prozent. „Wir haben die Verschiebung der Sortimente gut bewältigt“, sagte sie bei der Vorstellung der Zahlen. Neben Vollkorn- und internationale Brotspezialitäten sehen die Gütersloher vor allem gute Absatzchancen für Brote in kleineren Verpackungseinheiten. Angepasst an veränderte Verzehrgewohnheiten und den demografischen Wandel sollen in der ersten Jahreshälfte 2015 drei neue Brote auf den Markt gebracht werden: Walnuss- sowie Karottenbrot im 250-g-Pack sowie ein Veggie-Vollkornbrot in der 300-g-Packung. Letzteres ist vegan, hefe- und laktosefrei.

Gut 444 Mio. Euro setzte der Handel laut Nielsen bis Ende September mit Aufbackware aus dem SB-Regal um – ein Plus von 2,6 Prozent. „Bake-off hat uns nichts weggenommen“, sagt Liesel Schlüter, Verkaufsleiterin bei Handelsmarkenspezialist Sinnack, „im Gegenteil, die Vielfalt hat den ganzen Markt beflügelt.“ Die Kunden suchten am SB-Regal Mehrwertprodukte, die sie in der Backstation nicht fänden, zudem sei Brot für die Vorratshaltung gefragt. Dabei stehen nach Schlüters Erfahrungen bei den Endverbrauchern weiterhin Weizenbrötchen hoch im Kurs. Ende 2014 brachten die Bocholter daher ein „neu interpretiertes“ Kaiserbrötchen auf den Markt: Das Brötchen backt sich locker und leicht aus, mit einer knusprigen Kruste, die mit etwas Butter verfeinert wurde. Die Brötchen im 4er-Pack sind 42 Tage haltbar. Diese „wachstumsfreudigen Produkte“ werden Mitte des Jahres durch die Varianten Sesam bzw. Mohn ergänzt. In Planung ist zudem ein Kaiserbrötchen hergestellt mit Sauerteig. Im Premiumsegment ist die neue Steinofenbrötchen-Variante angesiedelt, die die Bocholter spätestens zur Amsterdamer PLMA im Mai präsentieren wollen.

Dennoch darf die Backstation ganz sicher nicht aus dem Auge verloren werden: „Die Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Karina Alikhan von Harry-Brot, „ein aktuelles Sortiment und gute Betreiberqualität könnten Käuferreichweite und Bedarfsdeckung noch ausweiten.“ Neben (meist herzhaften) Snacks sind es derzeit süße Produkte, die das Interesse des Handels geweckt haben. Mestemacher-Tochter Aerzener testete im vergangenen Jahr, laut Prof. Dr. Detmers sehr erfolgreich, die Belieferung des Handels mit tiefgekühlten, handwerklichen Plattenkuchen für die Backstation: Butterkuchen oder Donauwelle sowie der Apfelkuchen werden bei Bedarf aufgetaut bzw. aufgebacken und vervollständigen die Angebote im Bereich Bake-off. „Wir profitieren als TK-Hersteller vom Rückgang der Handwerksbäcker und Konditoreien“, sagt Prof. Dr. Detmers. Derzeit sind weitere Kuchen-Neuheiten im Praxistest.

Kuchen in Konditorqualität für die Backstationen des Handels liefert laut Detlef Brandes auch Kuchenmeister: Der Geschäftsleiter Vertrieb nennt als Beispiel Törtchen, Klassiker wie Streuselkuchen oder Mandelhörnchen. Hiestand & Suhr bietet unter der Dachmarke Otis Spunkmeyer u. a. vorportionierte Kuchen im Becher an, sogenannte Cakes-to-go. Mit dem im Deckel der wiederverschließbaren Verpackung integrierten Göffel (eine Kombination von Gabel und Löffel) können die Kuchen auch unterwegs verzehrt werden. „Die Produkte werden fertiggebacken tiefgekühlt angeliefert und sind nach 120 Minuten Aufzeit verzehrfertig“, beschreibt Steffen Göhringer, Leiter Channelmanagement und Marketing Services bei Hiestand & Suhr. Danach sind sie 5 Tage ungekühlt haltbar. Neue Zielgruppen will sich das Unternehmen auch durch halalzertifizierte, herzhafte Snacks erobern: Börekschnecken in den Sorten Hackfleisch, Kartoffel, Thunfisch, Ziegenkäse und Spinat sollen auch muslimische Kunden ansprechen.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen Auffällig: Unter der Marke ohne Namen bietet Real auch SB-Backwaren im Preiseinstiegssegment an.
Bild öffnen „Es wäre ein Fehler, die klassischen SB-Sortimente zu vernachlässigen.“

Katharina Frerichs, Direktorin Marketing bei Lieken
Bild öffnen „Bake-off hat den ganzen Markt beflügelt.“

Liesel Schlüter, Verkaufsleiterin Sinnack

Neue Produkte

Viel gelesen in Hersteller

HIT Produkte 2023

Im Gespräch - Hersteller