Welche Milch? Einfluss auf Boden und Klima

Welche Sorte Milch im Einkaufswagen landet, entscheidet mit über Bodengesundheit und Klimaschutz. Weit hergeholt? Ganz und gar nicht. Man muss in die Tiefe gehen.

Dienstag, 05. September 2023 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Einfluss auf Boden und Klima
Heumilch als Ausgangsprodukt für Trinkmilch, Butter, Sahne, Quark und Käse.
Bildquelle: Dr. Friederike Stahmann

Biomilch, Weidemilch, Heumilch oder Milch mit Haltungsstufe 1, 2, 3 – im Glas ist jede Milch erst einmal nur weiß. Geschmacksunterschiede? Eine Sache für Spezialisten. Doch mit dem Griff zur einen oder anderen Milchtüte entscheiden Kunden mit, wie es um die Gesundheit der Böden von Wiesen und Weiden steht. Und damit auch, wie es um unser Klima bestellt ist. Denn die Bodenqualität ist einer der Schlüsselfaktoren für ein widerstandsfähiges Klima.

Regenerativ ist das Zauberwort der Zeit. Einer der wichtigsten Rohstoffe überhaupt, nämlich Boden, ist dies aber gerade nicht. Die Böden im heutigen Mitteleuropa sind im Laufe der letzten 12.000 Jahre, seit dem Ende der letzten Eiszeit, entstanden. Und zwar langsam. „Pro Jahr wächst ein Millimeter humoser Boden dazu“, erklärt Dr. Andreas Bohner, Umweltökologe bei der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie Lebensmittel- und Biotechnologie im österreichischen Raumberg-Gumpenstein. Und gibt im selben Atemzug zu bedenken, dass bei einem einzigen Erosionsereignis teilweise mehr als das Zehnfache verloren gehen kann. Nachhaltiges Wirtschaften ist daher enorm wichtig.

Böden sind die dünne, fruchtbare Haut der Erde und gleichzeitig Multitasking-Systeme. „Sie bieten Lebensräume für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Sie erzeugen Nahrungs- und Futtermittel, sorgen für sauberes Trinkwasser, schützen vor Überschwemmung, speichern Kohlenstoff, Wasser und Pflanzennährelemente, und sie liefern Energie und Rohstoffe“, erläutert Bohner. Vor allem ihre Klimaschutzwirkung rückt aktuell immer mehr in den Vordergrund. Nach den Ozeanen sind sie der größte Kohlenstoffspeicher der Erde. Allein die Böden unter Wiesen und Weiden speichern mit 588 Milliarden Tonnen CO2 eineinhalbmal so viel wie alle Wälder dieser Welt zusammen. Gleichzeitig ist das Erdreich auch eine der wichtigsten natürlichen Quellen für CO2 in der Atmosphäre, was wiederum für die Bodenfruchtbarkeit von Bedeutung ist.

Um diesen wichtigen Kohlenstoffspeicher steht es aber alles andere als gut. Das attestierte vor Kurzem der Europäische Rechnungshof. „Bei der Gesundheit der Böden in Europa besteht erheblicher Verbesserungsbedarf“, ist im Sonderbericht zum Zustand der Böden nachzulesen. Geschädigt durch Erosion, Dürren, Versiegelung, Verdichtung, Überdüngung und Versauerung werden Böden krank.

Gesunde Böden durch Organismen
Ob ein Boden von hoher Qualität, also gesund ist, hängt unter anderem von der Anzahl der darin lebenden Bodenorganismen, den Nährstoffen und seiner guten Durchlüftung ab. Parameter, die genauso auf Wiesen, Weiden und Almflächen zutreffen. Daher gehört Dauergrünland durch seine hohe Bodenqualität zu den wertvollen CO2-Senken, also den Ökosystemen, die mehr Kohlenstoff aufnehmen, als sie abgeben. Ebenso wie auch Wald und Moore. In den oberen Bodenschichten bindet Grünland pro Hektar etwa ein Drittel mehr Kohlenstoff als Ackerböden. In den tieferen Bodenschichten der Wiesen und Weiden wird sogar mehr Kohlenstoff gespeichert als in einem durchschnittlichen Waldboden, nämlich 196 Tonnen Kohlenstoff je Hektar. Der im Boden eingelagerte Kohlenstoff kann nicht in die Erdatmosphäre entweichen und so das Klima schädigen.

Damit im Boden Kohlenstoff gespeichert werden kann, braucht es kleine „Heinzelmännchen“: Mikroorganismen. Zuhauf leben sie im Boden. In einem halben Kilogramm fruchtbarer Erde gibt es mehr Kleinorganismen als Menschen auf der Erde (8 Milliarden). Die meisten davon sind für das menschliche Auge unsichtbar. Oder anders ausgedrückt: In einem Hektar Boden befinden sich 15 bis 25 Tonnen Bodenlebewesen. Und die wiederum machen es möglich, dass sich so viel Bodenkohlenstoff bilden kann. Böden in schlechtem Zustand können nicht nur weit weniger klimaschädlichen Kohlenstoff speichern, sie sind auch nicht so widerstandsfähig, wenn es zu Überschwemmungen oder Dürreperioden kommt. Nicht zu vergessen, dass Böden mit wenig Kohlenstoff auch eine schlechtere Bodenqualität haben und damit weniger Nahrungsmittel hervorbringen können.

Und da wären wir wieder beim Ausgangspunkt, nämlich der Frage, inwieweit Verbraucher mit dem Kauf der einen oder anderen Milchsorte mitentscheiden, wie es um die Bodengesundheit steht. Milch, die von Kühen stammt, die auf Dauergrünland weiden, Stichwort Weidemilch, ist besonders gut fürs Klima. Durch die Tritte und das Abweiden der Kräuter und Gräser der Kühe wird das Wurzel- und Pflanzenwachstum angeregt. Abgestorbene Wurzeln werden von Mikroorganismen und Regenwürmern abgebaut und zu Humus umgewandelt, der wiederum zusätzlich Kohlenstoff speichert. Der Mist der Kühe gelangt als natürlicher Dünger in den Boden und dient Pflanzen als Nährstoffquelle.

Das Drei-Stufen-Modell
Wer noch mehr für Bodengesundheit und Klimaschutz tun möchte, greift zu Heumilch. Diese traditionelle Weise Milch zu erzeugen wird vor allem im Voralpengebiet und in den Alpen betrieben. Dabei sind die Kühe während der Weidesaison auf den Weiden, zu Beginn in den Tälern, dann in mittleren Lagen und im Hochsommer dann auf den Hochalpen. Während ganz oben geweidet wird, wird in den mittleren Lagen und im Tal Heu für den Winter gemacht. Die sogenannte Drei-Stufen-Landwirtschaft hat viele Vorteile: „Mit ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung tragen die Heumilchbauern zum Klimaschutz bei, indem sie das Dauergrünland im Jahreskreislauf pflegen und erhalten. Die Wiesen und Weiden werden mosaikartig bewirtschaftet und somit die Artenvielfalt geschützt, die wertvollen Böden gewissenhaft genutzt, dadurch bleiben sie als Kohlenstoffspeicher erhalten. So wird das wertvolle Dauergrünland für die Heumilchkühe und für kommende Generationen bewahrt“, bilanziert Christiane Mösl, Geschäftsführerin der ARGE Heumilch. Und Dr. Andreas Bohner fügt noch hinzu: „Durch die schonende und standortangepasste Bewirtschaftung steigt der Humus-Gehalt im Boden ganz natürlich – je nach Standort auf bis zu 8 Prozent. Dieser besonders nährstoffreiche Boden bildet die Basis für ein gesundes Wachstum von Pflanzen, sorgt für Artenvielfalt und sichert eine Vielzahl von biologischen und ökologischen Bodenfunktionen.“

Stichwort Artenvielfalt: Bis zu 90 Pflanzenarten pro 25 Quadratmeter konnten Wissenschaftler auf Almen in Österreich finden. Auf sehr ertragreichem Wirtschaftsgrünland beispielsweise in Norddeutschland werden dagegen nur 15 bis 20 Arten gezählt. Folglich sind es die Landwirte als Hauptakteure, die am Rädchen Artenreichtum im

Grünland durch ihre Nutzung drehen.
Damit die kleinen „Boden-Heinzelmännchen“ ihrer „Arbeit fürs Klima“ nachgehen können, brauchen sie optimale Bedingungen. Grünland bleibt aber nur durch eine fortlaufende Nutzung erhalten. Erfolgt keine Mahd oder Beweidung mehr, setzt die sogenannte Sukzession ein. Die Flächen wachsen mit Sträuchern und Bäumen zu und die Artenvielfalt nimmt dabei stark ab. Andersherum schadet aber eine zu häufige Nutzung. „Oft zu mähen oder stark zu beweiden ist genauso schlecht wie gar nicht nutzen“, gibt der Umweltökologe zu bedenken. Eine mittlere Nutzungsintensität ist das Mittel der Wahl, damit Gräser und Kräuter auch aussamen und sich somit erhalten können.
Das Mittel der Wahl in Sachen Bodengesundheit und Klimaschutz hat damit jeder Verbraucher aktiv in der Hand mit dem Griff zur einen oder anderen Milchpackung.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Karl Neuhofer, Obmann der ARGE Heumilch, ist überzeugter Heumilcherzeuger.
Bild öffnen Heumilch als Ausgangsprodukt für Trinkmilch, Butter, Sahne, Quark und Käse.
Bild öffnen Nachhaltige Kreislaufwirtschaft mit weidenden Kühen auf Dauergrünland fördert den Nährstoffkreislauf und fungiert als CO2-Senke.

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