Sommerlicher Ortstermin im Gebäude eines Käseherstellers: ein Besucherraum mit moderner Medientechnik, ansprechende Architektur mit viel Glas, Käse-Dummys auf den Tischen. An der Rückseite des Raumes ist eine Tür zu sehen. Beim Durchschreiten gelangt man in eine andere Welt. Gerade noch im urbanen Büroambiente, steht man urplötzlich in der Kaltbachhöhle. War es gerade noch sommerlich warm, greift man jetzt reflexartig zur Jacke. Das Licht gedämpft. Wasser tropft von den Felswänden herunter und mündet in einen kleinen Bach, der Boden ist glitschig. Emmi, die größte Molkerei der Schweiz, wertet hier im von außen unscheinbaren Bergrücken im Kanton Luzern ihre Käsemarke Kaltbach professionell auf. Denn noch mehr als mit optischen Werten überzeugen die veredelten Käse durch ihre inneren Werte.
In den 24 Gängen der Höhle mit über 2.300 Metern Länge liegen Emmentaler, Gruyère, Appenzeller, Raclette-, Berg-, Ziegen- und Rahmkäse. Insgesamt mehr als 100.000 Laibe. Was hier auf den Brettern reift und veredelt wird, war schon vorher etwas Besonderes. So stellen beispielsweise 215 Schweizer Käsereien Le Gruyère in AOP-Qualität her, aber „lediglich 4 Prozent davon erfüllen alle Kriterien, um ihre Käselaibe nach Kaltbach liefern zu dürfen“, beschreibt Peter Ziswiler, Betriebsleiter der Kaltbachhöhle, das strenge Auswahlverfahren in puncto Lagerfähigkeit, Geschmack und des äußeren Erscheinungsbildes.
Alle angelieferten Laibe reifen zunächst sechs Monate im jeweiligen Herkunftsbetrieb, bevor sie in Kaltbach ein weiteres halbes Jahr veredelt werden. Und Ziswiler gibt zu bedenken: „In der Höhle kannst du keinen schlechten Käse besser machen, aber einen sehr guten zu einem hervorragenden.“ Ganz konkret bedeutet das, dass die feuchte Luft verhindert, dass der Käse austrocknet und zugleich eine Schutzschicht auf der Oberfläche bildet, die das Wachstum von Schimmel und Bakterien begünstigt. Die hohe Luftfeuchtigkeit sorgt auch dafür, dass der Käse schneller reift und dadurch ein intensiveres Aroma sowie eine cremigere Textur entwickelt.
Die Höhle ist eine Art sich selbst erhaltende Klimakammer. Dank der Beschaffenheit des Gesteins bleiben Temperatur und Luftfeuchtigkeit konstant. Egal ob Sommer oder Winter. Es ist also keine Kühlung nötig, um das Höhlenklima konstant zu halten. Und das soll auch so bleiben. Wärme schadet der langsamen Käsereifung und wird daher aus der Höhle verbannt. Eine Kaffeemaschine für die Mitarbeiter sucht man deshalb vergeblich. Leuchtstoffröhren, die auch Wärme erzeugen, wurden durch LED-Leuchten ersetzt. Einzig durch die elf Mitarbeiter und Besucher kommt Wärme in die Höhle, die dann eine Kühlung neutralisiert.
Beleuchtung und Kühlung brauchen Energie, und auch für den Betrieb der Käsepflegemaschinen, die „Susi“ und „Michu“ getauft wurden, wird Elektrizität benötigt. In der Summe ist der Strombedarf, anders als in einer herkömmlichen Käserei, in Kaltbach verschwindend gering. Gedeckt wird er zum Teil aus der eigenen PV-Anlage. Eine in Planung befindliche Biogasanlage soll mittelfristig dafür sorgen, dass der Strom komplett aus regenerativen Quellen stammt. Unterm Strich heute schon eine ressourcenarme Art der Käsereifung.
Dennoch gilt generell: Die Käsereifung, vor allem eine lange, verschlechtert die Klimabilanz des Produktes. Das Ifeu-Institut hat errechnet, dass bei der Hartkäseproduktion bis zu 6 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm anfallen. Der ökologische Fußabdruck ist also enorm. Das liegt unter anderem an der langen Reifung – im Kühlhaus, für mehrere Monate – unter Einsatz von Strom. Und genau an diesem Punkt „spart“ man bei Emmi und nutzt natürliche Ressourcen.
An vielen kleinen Rädchen drehen
Emmi setzt bei all seinen milchbasierten Produkten nicht auf die eine nachhaltige Lösung, sondern geht das Thema vielschichtig an, beschreibt es Peter Meier, Nachhaltigkeitsbeauftragter für Milch bei Emmi. Mehrere Projekte im vorgelagerten Bereich haben ein klares Ziel: bis 2027 den Kohlendioxidausstoß bei der Milcherzeugung, also im Scope 3, um 25 Prozent zu senken. „Schon 2024 werden wir nur noch Milch verarbeiten, die nach dem Branchenstandard ‚Nachhaltige Schweizer Milch‘ produziert wird“, nennt Meier einen weiteren Schritt Richtung Nachhaltigkeit. Dabei handelt es sich um einen 2019 eingeführten Branchenstandard mit Vorgaben in Sachen Tierwohl, Fütterung, Nachhaltigkeit und Soziales. Für ihr Engagement erhalten die Landwirte einen Zuschlag von 3 Rappen pro Liter aufs Milchgeld. Die Marke Swissmilk green labelt Milchprodukte, die die Anforderungen des Produktionsstandards erfüllen.
Das Projekt „KlimaStaR Milch“ zielt darauf ab, die Milchproduktion klimafreundlicher, ressourcenschonender und standortangepasster zu gestalten. Dafür haben sich mit Nestlé, Emmi, Aaremilch und ZMP vier gewichtige Akteure der Schweizer Milchbranche mit der Energie- und Klimaschutzagentur Agro-Clean-Tech zusammengeschlossen. Kostenpunkt etwa 21 Millionen Euro bis 2027. „Wir wollen mit diesem Projekt die Treibhausgasemissionen reduzieren und die Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz vermindern“, fasst Meier die Maßnahmen zusammen. Ein Maßnahmenkatalog zeigt den Landwirten, mit welcher Optimierung sie welche Klimawirkung erzielen und, vor allem, was sie das an Zeit und Geld kostet. Die Futterration der Kühe zu optimieren, braucht zwar Zeit, bringt aber in Sachen Klimaschutz schon recht viel.
Der Abschlussbericht für das erste Jahr zeigt, wie schwierig es ist, Klimaschutz nicht nur auf dem Papier voranzubringen. Denn aufgrund der wetterbedingten unterdurchschnittlichen Futtermittelqualität 2021, die zu leicht weniger Milchleistung führte, konnten die Landwirte beispielsweise statt der angedachten 3,3 nur 1 Prozent CO2-Äquivalente einsparen.