Prowein Düsseldorf Alkoholfreie Weine im Trend – ist das eine Chance für die Branche?

Hintergrund

Auf der Prowein wurde deutlich: Immer mehr Winzer setzen auf alkoholfreie Varianten. Auch neue Zoll-Drohungen aus den USA sorgten für Gesprächsstoff in Düsseldorf.

Mittwoch, 02. April 2025, 05:40 Uhr
Tobias Dünnebacke
42.000 Fachbesuchende aus 128 Ländern reisten nach Düsseldorf zur Prowein. Bildquelle: Prowein

Mitte März verwandelt sich die Rheinmetropole Düsseldorf jedes Jahr zu einem multikulturellen Schmelztiegel, wenn sich die weltweite Weinwirtschaft zur Fachmesse Prowein trifft. Insbesondere im öffentli­chen Nahverkehr hört man zu dieser Zeit zumin­dest gefühlt mehr Spanisch, Italienisch und Französisch als Deutsch. Mit über 42.000 Besuchern aus über 128 Ländern bezeichnen die Veranstalter die Prowein als „Weltleitmesse für Wein und Spirituosen“.

Normalerweise herrscht gute Stimmung in den insgesamt elf Messehallen. Doch dieses Jahr sorgen sich nicht wenige Winzer und Fachhändler um den deutlich rückläufigen Markt. Laut Deutschem Weininstitut (DWI) und NielsenIQ sank die Menge des eingekauften Weins 2024 hierzulande um 4 Prozent und der damit erzielte Umsatz um 5 Prozent.

Besonders deutsche Erzeugnisse mit einem Durchschnittspreis von 4,47 Euro je Liter haben es derzeit schwer, da sie im Vergleich zum Wettbewerb aus dem Ausland deutlich teurer sind (3,72 Euro je Liter). „Der Konkurrenzdruck auf die deutschen Erzeuger ist hoch, da Deutschland der weltweit größte Weinimporteur ist und viele Winzer mit dem Preisniveau ausländischer Erzeugnisse nicht mithalten können“, ordnet Ernst Büscher, Sprecher des DWI den Markt ein (siehe Kasten „3 Fragen an“). Damit nicht genug: Ein Tag vor Messebeginn, als hätte er es so geplant, ließ der US-Präsident im Zollstreit mit der EU die nächste Bombe platzen. 200 Prozent mehr Abgaben für Weine aus europäischen Ländern stehen plötzlich im Raum. Die Maßnahme würde die Weinwirtschaft erheblich treffen (siehe Kasten am Schluss).

Marian Kopp ist Stammgast auf der Prowein. Der Geschäftsführer von Lauffener Weingärtner aus Baden-Württemberg ist eher nicht bekannt für übertriebenen Trübsal. Ja, im Moment erlebe man eine Art Rückwärtsbewegung, sagt er zur verhaltenen Konsumlaune. „Der Fokus liegt jetzt darauf, die gut laufenden Produkte zu fördern – das ist die bekannte Renner-Penner-Systematik, die im Lebensmittelhandel wichtig ist“, so Kopp. Auf der Prowein setzt der Markenmacher („Lesestoff“ und „Whyne“) auf unter anderem das Ziel­gruppenkonzept „Weinheldinnen“. Die Marke soll für starke Frauen im Weinbau stehen, also Winzerinnen, Kellermeisterinnen und Sommelières, die sich in einer traditionell männlich geprägten Branche durchsetzen.

Auch Matthias Willkomm, Geschäftsführer beim Branchen-Schwergewicht Peter Mertes, sieht keinen Grund zur Panik: „Preissensibilität beim Verbraucher ist nicht neu.“ Die Kellerei, lange vornehmlich als Produzent von Handelsmarken bekannt, setzt seit Jahren verstärkt auf das Markengeschäft. „Wir konnten uns in den vergangenen Jahren gegen den Trend positiv entwickeln. Das verdanken wir unter anderem Maybach und Bree“, so Willkomm. Um rund 10 Prozent sei der Absatz aller Marken im vergan­genen Jahr gestiegen. Sowohl Maybach als auch Bree zählen nach Unternehmensangaben aktuell zu den am besten verkauften Markenweinen im Lebensmitteleinzelhandel nach Doppio Passo und Grand Sud.

Anteil der Wein kaufenden Haushalte

Auch Spirituosen vom Rückgang betroffen

Timo Fischer, Vertriebsgeschäftsführer beim Spirituosen-Importeur Sierra Madre, liefert einen Einblick in sein Kerngeschäft: „Auch bei den Spirituosen ist der Konsument zurückhaltender – das betrifft besonders die Premium-Spirituosen, die Sierra Madre ausnahmslos mit seinem Sortiment bedient.“ Wachstumsimpulse verspricht man sich beim Hagener Importeur von dem Neuzugang Finlandia Vodka. „Die Marke liegt einerseits im mittleren Preissegment und ist andererseits schon gut distribuiert“, so Fischer. Auch die Kategorie Rum böte ein gewisses Potenzial. „Aufwendigere Destillationsverfah­ren und raffinierte Lagerungen lassen hier neue, hochwertige Produkte entstehen“, sagt Fischer. Für die Marken Don Papa und die Eigenkreation Remedy sollen in diesem Jahr Neuheiten kommen. Dabei wollen Fischer und sein Team so viele Probierkontakte wie möglich schaffen und mit Displays und Zweitplatzierungen den Handel beim Verkauf unterstützen.

Wachstum bei Alkoholfrei macht Hoffnung

Kaum einer der großen Markenhersteller kam dieses Jahr auf der Prowein an dem Thema alkoholfreier Wein vorbei. Die Winzer hoffen auf einen ähnlichen Boom wie bei Bier. Noch spielen entalkoholisierte Weine mit einem Marktanteil von etwa 1,5 Prozent nur eine marginale Rolle. Allerdings stieg der Umsatz im vergange­nen Jahr laut Circana Handelspanel um 27 Prozent. Als Pionier muss die Kellerei Carl Jung aus Rüdesheim am Rhein genannt werden. Das Unternehmen stellte auf der Prowein unter anderem mit Carl Jung Sprizz zwei neue Ready-to-drink-Produkte in der 0,33-Liter-Longneck-Flasche vor. „Das Thema wird an Fahrt aufneh­men – ähnlich wie es in der Bierbranche der Fall war“, ist auch Alexander Rittlinger, Geschäftsführer bei Reh Kendermann überzeugt. Der Handel sei mittlerweile bereit, ein Meter Regal für Weinalternativen zu nutzen. Die exportorien­tierte Kellerei verkauft bereits alkoholfreie Vari­anten unter den Marken Black Tower, Riesling vom Kalkstein und Ebony Vale. Die Exportmarke soll zudem in naher Zukunft auch im gesamten Bundesgebiet gelistet werden.

3 Fragen an

Ernst Büscher, Sprecher beim Deutschen 
Weininstitut (DWI).

Warum sind deutsche Weine im Schnitt deutlich teurer als Produkte aus Italien oder Spanien?
Ernst Büscher: Ereignisse wie die Corona-Pandemie und steigende Energiepreise haben Preiserhöhungen notwendig gemacht, die jedoch oft nicht ausreichten, um die gestiegenen Kosten der Betriebe zu decken. Hinzu kommt: Der Konkurrenzdruck auf die deutschen Erzeuger ist hoch, da Deutschland der größte Weinimporteur ist. In vielen wichtigen Regionen wie Italien oder Spanien ist der Konsum deutlich rückläufig. Dadurch entsteht ein Überangebot solcher Weine hierzulande.

Der Handel setzt also lieber auf günstigeren Wein aus dem Ausland?
Der Handel bestimmt letztlich den Endverbraucherpreis. Wenn die Winzer aber bestimmte Schwellen überschreiten, droht die Auslistung. Das ist das Dilemma, vor dem die deutschen Erzeuger stehen. Sie können Preiserhöhungen nur sehr vorsichtig umsetzen, weil sonst Weine aus Ländern wie Chile, Australien, Frankreich oder Italien den Markt übernehmen.

Wie kommt die Branche aus diesem Dilemma?
Die Frage ist, wie lange die Kaufzurückhaltung und der Kaufkraftverlust, den wir durch die gestiegenen Energiepreise erlebt haben, noch anhalten werden. Die
Konsumstimmung ist derzeit eher gedämpft. Wenn jedoch die angekündigten 500 Milliarden Euro investiert werden und die Gastrono­mie möglicherweise wieder von einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz profitiert, könnten die Preise dort sinken und die Wirtschaft wieder in Schwung kommen.

Innovativ zeigt sich auch das Weingut Dr. Hinkel aus Framersheim in Rheinland-Pfalz: Die alkoholfreie Marke Dri.Ver! definiere das Thema neu, heißt es aus dem Unternehmen. Durch die Zugabe von sogenanntem Verjus, dem Saft unreifer Trauben, zu entalkoholisiertem Wein entstehe ein besonderes „Süße-Säure-Spiel“, das andere Produkte dieser Kategorie nicht bieten.

Büscher vom DWI teilt die Euphorie der Hersteller, sagt aber auch: „Wir stehen hier noch am Anfang.“ Beim Bier hätten die Brauereien einen technologischen Vorsprung von 40 Jahren. Die Brauer könnten heute Experimente machen und schnell Anpassungen vornehmen. „Bei Wein muss man ein Jahr lang warten, was ein Wettbewerbsnachteil ist“, so der Sprecher des DWI. Hinzu kommt: Alkoholfreie Weine sind wegen der höheren Produktionskosten meist sogar teurer als herkömmliche Produkte.

Alkoholfreier Schaumwein fest etabliert

Wohin die Reise gehen könnte, zeigen Schaumweine ohne Alkohol. Laut dem Verband Deutscher Sektkellereien wurden 2023 über 18,2 Millionen Flaschen in Deutschland verkauft. Gegenüber 2019 ein Plus von fast 30 Prozent. Schaumwein-Primus Henkell-Freixenet setzte auf der Prowein voll auf das Thema. Das Segment „Alkoholfrei/Alkoholreduziert“ wachse stetig, insbesondere in Europa und hier in Deutschland, Großbritannien und Polen, erklärt eine Sprecherin. Neu vorgestellt wurde in Düsseldorf unter anderem Freixenet Cordon Negro 0,0 %, allerdings zunächst nur für die Märkte USA, Frankreich und Polen.

Anteil der Weinarten im Handel in Prozent

Frankreich hat ein Problem

Besonders betroffen vom rückläufigen Absatz ist Frankreich, allen voran das wichtigste Anbaugebiet Bordeaux. „In Bordeaux wurden letztes Jahr bereits 8.000 bis 9.000 Hektar gerodet. Das zeigt, wie ernst die Lage ist“, erklärt Büscher vom DWI. Weltweit gebe es eine Überproduktion und Rotwein sei nicht mehr so stark gefragt. Auch die Drohungen aus Washington bereiten den französischen Wein- und Champagnerhäusern Sorge. Wenn die EU ihre geplanten Zölle gegen amerikanischen Whiskey nicht zurücknehme, dann würden die USA auf Wein, Champagner und andere alkoholische Getränke aus europäischen Ländern Zölle in Höhe von 200 Prozent erheben, so US-Präsident Trump. Sollte das so kommen, wäre das ein herber Schlag für die französische Weinindustrie, die den Löwenanteil der EU-Exporte in die USA ausmacht.

Bei Barton & Guestier, dem mit 300 Jahren nach eigenem Bekunden ältesten Weingut Frankreichs aus der Stadt Blanquefort (Bordeaux), sieht man trotz der Herausforderungen Zukunft für das eigene Geschäft. Die Kellerei arbeite mit über 150 Winzern zusammen und könne neben Bordeaux Weine aller großen Appellationen wie Burgund, Rhône, Loire oder Languedoc anbieten. Somit sei man von der Bordeaux-Krise weniger betroffen. Darüber hinaus setze man auf technische Innovationen und Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit. Auf die größere Nachfrage nach Weißwein habe man unter anderem mit dem Crémant de Bordeaux reagiert. Insgesamt wolle man sich weiterentwickeln und nicht auf die „barocken Stilistiken“ setzen.

Winzer fürchten US-Zölle

Ein weltweiter Trend zu Weißwein hat die deutschen Exporte entgegen dem globalen Trend gestützt. Die ausgeführte Menge deutscher Weine sei 2024 um drei Prozent auf 1,2 Millionen Hektoliter gestiegen, sagte der Sprecher des Deutschen Wein-instituts (DWI), Ernst Büscher. Mit großer Sorge beobachte man beim Institut jedoch die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle in Höhe von 200 Prozent auf Wein, Champagner und andere alkoholische Getränke aus den EU-Staaten. „Der deutsche Weinmarkt würde komplett zusammenbrechen“, sagt Büscher.

Trumps angekündigte Zölle von 200 Prozent wären harter Schlag 
Die US-Strafzölle in Höhe von 25 Prozent hätten nach dem Inkrafttreten im Oktober 2019 schon Wertverluste von mehr als 20 Prozent für die deutschen Exporteure zur Folge gehabt, so Büscher. Die USA seien der bedeutendste Exportmarkt für deutsche Weine. Noch deutlich härter dürfte es die französische Weinwirtschaft treffen. Laut den Statistiken von Eurostat wurden im vergangenen Jahr Weine im Wert von knapp 5 Milliarden Euro in die USA exportiert. Fast 40 Prozent der Lieferungen in die USA stammten aus Frankreich.

Zollstreit kommt für Champagnerhäuser zur Unzeit
Der Zollstreit kommt besonders für die Champagnerhäuser zur denkbar schlechtesten Zeit. Der weltweite Champagner-Absatz ging 2024 abermals zurück. Die Winzer und Häuser der Champagne lieferten insgesamt 271,7 Millionen Flaschen aus, 9,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Der französische Heimatmarkt erwies sich mit einem Minus von 7,2 Prozent als stabiler als die Exportmärkte, die 10,8 Prozent weniger bestellten. Die Exporte machen mit 153,4 Millionen Flaschen 56,5 Prozent des weltweiten Absatzes aus.

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