Alternativen zu Plastik Flaschen-Revolte

Neuartige Getränkeflaschen auf Basis nachwachsender Rohstoffe haben bis jetzt wenig kommerzielle Bedeutung. Eine niederländische Firma will jetzt den Durchbruch schaffen. Marketinghype oder echte Alternative? Wir haben einen Experten gefragt.

Montag, 26. September 2022 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Flaschen-Revolte
Bildquelle: Ifeu-Institut

Während die Getränkebranche gespannt auf die Signale aus Berlin wartet, mit welchen Maßnahmen die Mehrwegquote erhöht werden soll, sind die Hersteller nicht untätig, Alternativen zur Einweg-Plastikflasche zu entwickeln.

Prominentes Beispiel ist die sogenannte Plant Bottle von Getränke-Primus Coca-Cola, die 2009 vorgestellt wurde und zu 30 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Derzeit arbeitet der Softdrink-Riese an der Entwicklung einer zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehenden Flasche. Auch der dänische Brauer Carlsberg berichtet seit Jahren über Arbeiten an einer Alternative zu Einweg-Plastik. Die sogenannte Fibre Bottle wird mit Holzfasern und einer Innenschicht aus sogenanntem Polyethylenfuranoat (PEF) zusammengehalten. Der Hauptbaustein dieser neuartigen Verpackung kann aus Zuckern, beispielsweise aus Weizen, Mais und Zuckerrüben, hergestellt werden. Der Partner bei der Entwicklung ist das niederländische Unternehmen Avantium.

Noch befindet sich der Brauer in einer Pilotphase. So werden derzeit in diversen europäischen Märkten 8.000 Flaschen einem ausgewählten Publikum vorgestellt. Stephane Munch, Vizepräsident für Group Development bei Carlsberg, erklärt: „Dieses Pilotprojekt dient einem größeren Zweck, indem es die Produktion, Leistung und das Recycling dieses Produkts in großem Maßstab testet.“ Trotzdem ist die Anzahl der Flaschen zunächst gering.

Nur ein Marketing-Hype in der aktuell hitzigen Verpackungsdebatte sind die Versuche also nicht. Zwar steht die Skalierbarkeit zu marktrelevanter Größe noch völlig in den Sternen. Avantium plant erst 2024 eine Anlage in Betrieb zu nehmen, um den Hauptbestandteil der Zuckerflaschen kommerziell herstellen zu können. Dabei sollen auch land- und forstwirtschaftliche Abfälle zum Einsatz kommen. Aber die positiven Eigenschaften bei der Klimabilanz gelten bei Experten als vielversprechend. Eine Studie vom Nova-Institut (Hürth) zeigt die erhebliche Verringerung von Treibhausgasemissionen durch Verwendung von 100 Prozent erneuerbarem Kohlenstoff in PEF anstelle fossilen Kohlenstoffs in PET bei der Herstellung von 250- und 500-Milliliter-Flaschen.

Ifeu-Experte ist skeptisch
Benedikt Kauertz, Verpackungsexperte beim ifeu-Institut in Heidelberg, sieht die große Revolution noch nicht gekommen: „Biobasierte Polymere kennen wir schon länger. Deren ökobilanzielle Bewertung ist immer stark abhängig von der Biomasseherkunft. Anbaubiomasse (also Felderzeugnisse) haben neben der Debatte um die Flächennutzungskonkurrenz mit Futter- und Lebensmitteln auch immer das Problem der Emissionen, die mit der industriellen Agrarwirtschaft einhergehen.“

Der Experte weist außerdem darauf hin, dass in der Getränkewirtschaft schon lange Kartons auf Basis von nachwachsenden Holzfasern eingesetzt werden (beispielsweise Tetra Pak). Zumindest dieser Aspekt der „Fibre Bottle“ sei also nicht neu.

Generell liegt der Fokus der Getränke- und Lebensmittelwirtschaft derzeit vor allem auf Schließung der Materialkreisläufe. Gerade bei PET-Einweg sieht Kauertz noch viel Luft nach oben: „Hier bieten sich mit dem Einsatz von PET-Rezyklaten und mit den Möglichkeiten der Gewichtsreduktion gerade für Bierflaschen noch viele Optimierungsmöglichkeiten. Viele Studien haben gezeigt, dass eine weitgehend optimierte PET- Einwegflasche gerade in langen Lieferdistanzen gute ökobilanzielle Bewertungen erreichen kann.“

Insbesondere die Möglichkeit, das Material in einem geschlossenen Kreislauf zu führen, ist eine wesentliche Stellschraube für diesen Befund. Gerade hier dürfte es bei der neuen Flasche von Avantium aber haken. „Die Recyclingfähigkeit ist bei der ‚Fibre Bottle‘ mit PEF als Verbundverpackung zumindest eingeschränkt. Vermutlich sind die Herausforderungen für die Verwerter ähnlich wie im System der Getränkeverbundkartons“, sagt Kauertz. Das PEF lasse sich nach derzeitigem Wissensstand zwar in den PET-Wertstoffkreislauf einpflegen. Der Faseranteil findet eher nicht zurück in die Lebensmittelverpackung, sondern geht den Weg der klassischen Papier- Verwertungskaskade. Kauertz betont aber: Generell werde nachwachsenden Rohstoffen ein Potenzial im Verpackungsmarkt zugesprochen.

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