Interview mit Christof Queisser Der Insider - Interview mit Christof Queisser: Teil 4

Christof Queisser hat bei Tengelmann das Handelsgeschäft von der Pike auf gelernt und kennt sich hier besser aus als viele andere aus der Industrie. Bis heute hat der Rotkäppchen-Chef eine Passion für den LEH und macht jede Woche bis zu fünf Store-Checks. Ein Gespräch über den Aufstieg des Sektmarktführers, die Wertigkeit von Schaumwein und den Einstieg in ausländische Märkte.

Montag, 15. Mai 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Der Insider - Interview mit Christof Queisser: Teil 4

Wie schätzen Sie das Image von Sekt im Vergleich zu ausländischen Produkten, etwa Champagner, ein?
Da haben wir noch Nachholbedarf. Die Franzosen, Italiener und Spanier profitieren von einer sehr positiv besetzten Weinkultur. Die Exklusivität von Champagner treibt natürlich das Image. Da können wir beim deutschen Sekt dazu lernen. Das wird intern viel diskutiert. Die Italiener haben es mit ihrem Konsortium für Prosecco vorgemacht: Da ist noch Luft nach oben.

Welchen Stellenwert haben für Sie Wein und Spirituosen?
Unser Geschäft fußt auf drei Säulen. Obwohl in der Menge kleiner, ist die Spirituose integraler Bestandteil unseres Unternehmens. Das Spirituosengeschäft funktioniert anders, aber Wein und Sekt sind sich recht ähnlich. Mit 20 Mio. verkaufter Flaschen sind wir im Weinmarkt ein mittelgroßer Player. Wir sehen aber bei einem Marktanteil von 2 Prozent weiteres Wachstumspotenzial.

Wie sieht es mit modernen Kategorien wie Gin und Rum aus?
Bei den Spirituosen gibt es die deutschen Klassiker und die internationalen Marken, mit globalen Konzernen und milliardenschweren Umsätzen. Da können wir nicht mitspielen, und das ist auch nicht unser Anspruch. Aber es gibt Möglichkeiten. Nehmen Sie unseren Pfefferminzlikör Pfeffi. Der läuft in der Szene-Gastronomie jedem Rum und Gin den Rang ab. Wir verkaufen davon 4 Mio. Flaschen.

Ein starker Trend im Markt sind auch alkoholfreie Getränke.
Das ist ein gesellschaftlicher Wertewandel hin zu einer bewussteren Ernährung. Wir stellen zwar Sekt her, aber das ist ein guter Trend: Bewusster Genuss ist für uns essenziell. Die Statistiken zeigen: Jugendliche fangen immer später an, das erste Mal ein alkoholisches Getränk zu probieren und sind auch beim Thema Autofahren viel sensibler und aufgeklärter, als wir es waren. Auch ältere Leute verzichten gerne mal auf Alkohol. Wir hatten in diesem Bereich lange Nachholbedarf beim Geschmack und der Qualität. Wir haben durch unsere Investition jetzt das teuerste Verfahren zur Entalkoholisierung. Aber auch das mit dem besten Ergebnis. Das zeigt sich bei unserem neuen Mumm Dry Alkoholfrei. Der ist geschmacklich viel besser als das, was es vor ein paar Jahren auf dem Markt gab. Ich sehe aber die Gefahr, dass der Trend mit vielen Produkten bedient wird, die nicht schmecken.

Im Handel wird heiß diskutiert, wie Weinmischgetränke platziert werden sollten. Haben Sie eine Antwort?
Wir haben eine sehr intensive Category-Management-Studie gemacht, um die Frage zu beantworten. Der Verbraucher sucht diese Produkte in der Nähe des Sektes, will es aber nicht vermischt haben, weil der Anlass informeller ist. Perfekt ist also: Klassischer Sekt mit Premium, Sekt Alkoholfrei, Weinmischgetränke und Wein, allerdings die Mixes in separater Platzierung. Ab 4-mal-1-m brauchen sie ein komplettes Element Weinmischgetränke. In kleineren Outlets wird es schwieriger, da kommen die Weinmischgetränke zum Sekt.

In Ihren Studien beschäftigen Sie sich auch mit gekühltem Sekt …
Absolut. Die klassischen Sektanlässe sind zwar geplant, aber bei Fruchtsecco etwa sieht es anders aus. Das Wetter ist gut, da wird eine SMS verschickt oder über Whats-App eingeladen, und abends treffen sich zehn Freunde zum Grillen. Da bleibt häufig keine Zeit zum Kühlen. Der Bedarf an gekühlten Getränken insgesamt ist enorm, das hat unsere Studie gezeigt. Und das hat auch Vorteile für den Händler: Gekühlter Sekt mit vollem Preis macht dem Händler ebenso Freude wie die Kleinflasche Fruchtsecco mit guter Marge. Ich kenne aus meiner Zeit im Handel die Roherträge im Kühlregal, und wenn ich mir dort die Konkurrenz angucke, dann sind unsere Produkte hier durchaus attraktiv für den Händler.

Auferstanden aus Ruinen

Obwohl Rotkäppchen von vielen Menschen mit der ehemaligen DDR in Verbindung gebracht wird, handelt es sich nicht um eine klassische Ostmarke: Mit der Gründung 1856 in Freyburg liegt der Ursprung viel weiter zurück. Während der streng geplanten Wirtschaft zu DDR-Zeiten wurden 15 Mio. Flaschen Sekt abgefüllt. Nach der Wende drohte die Marke allerdings in der Versenkung zu verschwinden: In der ersten Hälfte des Jahres 1990 brach der Absatz dann völlig ein. Die DDRStrukturen der Warenverteilung existierten nicht mehr – und in den Regalen der neuen, aus Westdeutschland kommenden Handelsketten gab es Rotkäppchen Sekt noch nicht. Das Unternehmen wurde dann unter anderem von dem Geschäftsführer Gunter Heise in einem sogenannten Management- Buy-out von der Treuhand gekauft und weitergeführt. Mit dem Kauf der Sektmarken Mumm, Jules Mumm und MM Extra samt den Produktionsstandorten in Eltville am Rhein und Hochheim am Main wurde das Haus zu einem der wichtigsten Player im deutschen Sektmarkt. Heute verkauft das Unternehmen 271,2 Mio. Flaschen Wein, Sekt und Spirituosen. Der Umsatz lag zuletzt bei 986 Mio. Euro.

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