Interview mit Christof Queisser Der Insider - Interview mit Christof Queisser: Teil 3

Christof Queisser hat bei Tengelmann das Handelsgeschäft von der Pike auf gelernt und kennt sich hier besser aus als viele andere aus der Industrie. Bis heute hat der Rotkäppchen-Chef eine Passion für den LEH und macht jede Woche bis zu fünf Store-Checks. Ein Gespräch über den Aufstieg des Sektmarktführers, die Wertigkeit von Schaumwein und den Einstieg in ausländische Märkte.

Montag, 15. Mai 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Der Insider - Interview mit Christof Queisser: Teil 3

Inhaltsübersicht

Das klingt nicht unbedingt nach Wertigkeit, ein Begriff, den Sie bei der jüngsten Jahres-Pressekonferenz in Leipzig verwendet haben.
Rotkäppchen ist ein gern genommener Frequenzbringer, dem können wir uns nicht entziehen. Das ist im Übrigen bei fast allen Marktführern der Fall. Sekt hat seinen Konsumhöhepunkt, wenn auch der Handel viel Umsatz macht, etwa an Gründonnerstag, Weihnachten, Silvester.

Aber gerade dann wird Ware in Aktion en masse angeboten.
Ja, so ist das. Wann ist Wasser am günstigsten? Im Sommer. Im Sektgeschäft gibt es eben diese wichtigen Tage, an denen Frequenz für den Handel wichtig ist. Bei Waschmitteln gibt es diese Höhepunkte nicht so extrem. Für uns ist es wichtig, in die Marke zu investieren. Das meine ich mit Wertigkeit. Ein Beispiel ist unsere Individualisierungspromotion „Sag‘s mit Rotkäppchen“, in die wir viel Geld investiert haben. Werbung und Promotion müssen in der Balance sein. 2013 haben wir unter der Marke Rotkäppchen Fruchtsecco eingeführt. Da lag es nahe, die Werbebudgets für ein bis zwei Jahre vom Sekt abzuziehen. Wir haben das aber nicht gemacht und das hohe Werbedudget für Fruchtsecco on top gesetzt. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass unser Kerngeschäft Sekt wieder gewachsen ist. Ich führe das auch auf diese Entscheidung zurück.

Aktionen aktivieren Ihre Käufer

Um die Sichtbarkeit von Sekt zu erhöhen und den Käufer zur Ware zu lenken, lohnt es sich laut Rotkäppchen-Studie, die Kaufabsicht über Zweitplatzierungen, eine große Auswahl und die Generierung von Anlässen zu fördern:

Zweitplatzierung
Zweitplatzierungen fördern über die Sichtbarkeit tatsächlichen Zusatzabsatz: Spontankäufe werden generiert, und die Erinnerung an den Bedarf bei vage geplanter Kaufabsicht wird gestützt.

Aktionsfläche
Mehr als ein Drittel der Käufer der Displayware gaben an, dass sie ohne die Aktion nicht gekauft hätten. Eine Zweitplatzierung erinnert an die Kaufabsicht und lenkt so gegebenenfalls an das Regal: Der Erfolg einer Zweitplatzierung kann also nicht allein am Absatz im Rahmen der Aktion gemessen werden.

Impulskaufpotenzial
Deutscher Sekt und Weinhaltige Mischgetränke eignen sich am besten dazu, Impulskäufe zu initiieren.

Umfelder
Insbesondere in den Umfeldern „Party/Knabbern“ und „Festlicher Anlass/ Delikatessen“ erwarten die Käufer durch ihren stark anlassbezogenen Kauf mögliche Zweitplatzierungen.

Rotkäppchen-Mumm hat das Portfolio über die Jahre enorm ausgebaut: Geldermann, Spirituosen, Wein und ganz neu Prosecco. Wie geht Entwicklung in Ihren Sortimenten weiter? Wachstum wird in der Flughöhe nicht leichter, oder?
Nein, Wachstum wird nicht leichter. Seit 1993 ging es mit Ausnahme eines Jahres stetig bergauf. Das ist eine luxuriöse Situation. Das Portfoliomanagement ist für uns enorm wichtig. Als ich damals auf Handelsseite die Jahresgespräche mit Rotkäppchen geführt habe, war das Unternehmen mit Rotkäppchen Sekt als Monomarke in nur einer Kategorie aktiv. Heute sieht das anders aus. Wir haben mit MM Extra eine Traditionsmarke, ein klassisch deutscher Sekt und stark in der Kleinflasche. Rotkäppchen wurde bereits 1856 gegründet, wurde aber nach der Wende als neue Marke wahrgenommen und erlebte dieses große Revival. Mumm ist ein Sekt, der häufig von Männern und zu klassisch-formellen Anlässen gekauft wird. Wenn bei einer Feier im Büro nur die Kollegen kommen, wird Rotkäppchen gekauft, kommt der Chef: muss es eben Mumm sein. Geldermann bedient das Premium-Segment mit der Flaschengärung, und Jules Mumm wird von der Lifestyle-Verwenderin gekauft. Wir haben also kaum Überschneidungen im Portfolio, jede Marke hat ihre Rolle. Die einzige Lücke, die wir hatten, war das Thema Italien. Die haben wir jetzt mit der Übernahme des Prosecco-Herstellers Ruggeri geschlossen. Damit ist unser Schaumwein-Portfolio aber auch sehr rund.

Für Ruggeri ist die Zielrichtung aber nicht unbedingt Deutschland, oder?
Italien ist der drittgrößte Schaumweinmarkt in Europa mit einer geringen Importquote. Die Italiener kaufen ihre Produkte, genau wie Franzosen und Spanier. Die brauchen eine italienische Marke. Trotzdem wollten wir unser Portfolio auch für Deutschland mit einer mediterranen Marke erweitern. Darüber hinaus sichert uns die Akquisition über Nacht einen Zugang zu 30 Ländern, denn jede vierte exportierte Flasche Schaumwein kommt aus Italien. Das bringt uns bei der Internationalisierung einen enormen Schub. Die Kontakte hätten wir mit den eigenen Marken bzw. dem Haus nicht so schnell aufbauen können. Natürlich werden wir jetzt nicht in jedem Land, in das wir Prosecco liefern, auch Rotkäppchen verkaufen. Aber der Zugang zu beispielsweise lokalen russischen Distributoren ist schon hilfreich.

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