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Herr Queisser, wissen Sie noch, wie viel Rotkäppchen vor der Wende absetzte?
Christof Queisser: Das waren so um die 15 Mio. Flaschen. Nach dem Mauerfall wurde das Unternehmen unter Aufsicht der Treuhand weitergeführt. 1992 lag der Absatz dann bei 1,2 Mio. Flaschen, der Umsatz bei 14,8 Mio. DM und der Marktanteil bei 0,8 Prozent. Da war Rotkäppchen ganz tief unten. Das war dann auch der Wendepunkt mit dem Buy-out.
Das Unternehmen kauften der damalige Geschäftsführer (und Vorgänger von Queisser) Gunter Heise, vier leitende Angestellte und die Familie Harald Eckes-Chantré in einem Management-Buy-out von der Treuhand und bauten es zum führenden Sekthaus in Deutschland aus.
Damals hat kaum einer in der Branche gedacht, dass Rotkäppchen mal Marktführer wird …
Es gehörte damals viel Mut, Glaube und Hoffnung dazu, sein privates Geld in das Unternehmen zu investieren. Die Sektbranche war damals schon u. a. mit Henkell und Freixenet hoch konzentriert.
Sie haben von 1995 bis 2000 bei Tengelmann gearbeitet und als Trainee auch den Markt in Königstein geleitet. Wie sieht für Sie das perfekte Sektregal aus?
Ich habe ein komplettes Jahr als Trainee genossen und dabei u. a. Ware eingeräumt und die Kasse gemacht. Das Sektregal ist ein schönes Regal für den Händler, denn es ist überschaubar, meist mit fünf Böden und mit gleichgroßen Flaschen bestückt. Sekt ist natürlich stark impulsgetrieben, aber man muss die Kategorie im Gesamten ausschöpfen: Im Regal ist die Auswahl über die verschiedenen Herkünfte und Qualitäten der Kompetenznachweis des Händlers. Ich brauche natürlich Champagner. Ich sollte Winzersekte genauso anbieten wie eine Breite bei der Dosage, also Brut, Trocken, Extra Trocken etc., auch wenn der Umschlag bei den Spezialitäten geringer ist. Vielfalt im Regal ist enorm wichtig für den Händler bzw. Kunden. Bei der Zweitplatzierung geht es dann eher um Schnelldreher. Masse verkauft Masse. Das habe ich in der Obstabteilung gelernt. Aber: Die Balance zwischen Regal und Aktion darf nicht verloren gehen. Beim Aktionsverkauf darf man sich mit der Menge nicht verheben, damit es später beim Regal keine Probleme gibt, wenn die Aktionsreste dort landen.
Würden Sie Ihrer Tochter heute eine Karriere im LEH empfehlen?
Ja, absolut. Für mich war das persönlich eine gute Erfahrung. Man befindet sich in der Mitte der Gesellschaft, ist angewiesen auf eine gute Zusammenarbeit im Team, und lernt den Umgang mit den Kunden. Ob das jetzt die ältere Dame ist, die morgens ungeduldig auf den frischsten Spargel wartet, während man noch einräumt, oder aber der letzte Kunde am Abend, der für die Kassiererin vielleicht das eine oder andere nicht so freundliche Wort übrig hat: Ich schöpfe auch heute im täglichen Leben von meiner Zeit im Handel und kann als Vorsitzender von Rotkäppchen-Mumm viel von dem, was ich gelernt habe, anwenden. Oft mehr als ich im Studium gelernt habe.
Der Niedergang von Tengelmann verschärft die Konzentration im Handel. Das dürfte Sie kaum freuen.
Das Thema Konzentration im Handel ist ein Dauerbrenner. Ich habe da eine klare Meinung: Am Ende des Tages findet jedes gute Produkt einen Platz im Markt. Jeder muss sich beim Verbraucher behaupten. Wie hoch der Handel konzentriert ist, ist weniger wichtig. Wenn eine Marke nicht läuft, wird sie ausgelistet. Konzentration ist nicht gefährlich, und es gibt immer noch Raum für Nischen. Das gilt auch für den Handel selbst und seine Detailformate. Discounter, Drogerie etc., die Vielfalt ist nicht verloren gegangen.