Der deutsche Markt ist von großer Bedeutung für uns, erklärte Marco Tschanz, CEO der Bell Food Group mit Hauptsitz in Basel, im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis. Rund 37 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet die Schweizer Gruppe außerhalb des Heimatmarktes. Deutschland ist mit einem Nettoerlös von über 900 Millionen CHF (940 Millionen Euro) dabei der größte Auslandsmarkt. Rund 100 Millionen CHF (104,4 Millionen Euro) davon setzt Bell Deutschland um.
Die Strategie der Bell Food Group, deren Hauptaktivitäten vor allem in der Schweiz in der Fleischverarbeitung und im Conveniencebereich liegen, ist einfach: „Wenn wir auf den Teller schauen und frische Lebensmittel sehen, sagen wir: ,Diese Produkte sollten von uns kommen.‘“ Und das funktioniert: Der Nettoumsatz der Gruppe stieg 2024 währungs- und akquisitionsbereinigt um 5,7 Prozent auf 4,7 Milliarden Schweizer Franken (rund 4,92 Milliarden Euro). Damit konnte die Bell Food Group das Umsatzwachstum 2024 von 5,5 Prozent übertreffen. Besonderes Potenzial sieht der CEO beim Geflügelabsatz in Deutschland, Österreich und der Schweiz und beim Ausbau des Rohschinkenangebots sowie im Conveniencebereich.
Gute Geschäfte mit Rohschinken
Zufrieden zeigte sich Marco Tschanz mit dem Rohschinkengeschäft in Deutschland und Spanien: „Wir haben uns gut behauptet und konnten in einem schrumpfenden Markt Marktanteile gewinnen.“ In Europa sei Bell der einzige Rohschinkenanbieter mit einem Vollsortiment aus eigener Produktion. Diese klare Stärke will Bell weiter ausbauen. „Wenn wir auf unsere Entwicklung zurückblicken, vor allem auf die Zeit, als wir noch Brühwurst-Fabriken von Zimbo betrieben haben, sind wir heute klarer positioniert“. In den Bereichen Rohschinken, Würfelschinken und Thekenware sieht sich die Gruppe als sehr gut aufgestellt.
Nach Angaben von Bell ist die Marke Abraham Marktführer bei Rohschinken in Deutschland. Besonders erfreulich sei das Wachstum bei den spanischen Spezialitäten. Da das Unternehmen diese selbst auf der iberischen Halbinsel produziert und anschließen im niedersächsischen Harkebrügge schneidet, ist es nicht nur kostengünstig, sondern kann seinen Kunden jederzeit die Qualität garantieren. Insofern sei es eine kluge Idee gewesen, bereits 2005 eine eigene Produktionsstätte in Spanien in Betrieb genommen zu haben. Mittlerweile gibt es dort drei Werke für spanischen Schinken.
In seinem Slicer-Werk in Harkebrügge hat das Unternehmen im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben vor allem in moderne Produktionsanlagen und damit in die Herstellung hauchdünner Scheiben investiert. Verglichen mit den traditionellen Schinkenscheiben sind diese noch dünner geschnitten. Ein weiterer, mengenmäßig noch kleiner, aber stetig wachsender Bereich ist der Bio-Anteil im Rohschinkensegment. „Wir haben neue Produkte entwickelt, die gut angenommen werden. Wir planen, auch unsere spanischen Spezialitäten verstärkt in Bio-Qualität anzubieten.“
Bio-Geflügelproduktion im Ausbau
Großes Augenmerk legt Bell auf die Geflügelproduktion: „Wir sind der größte Bio-Geflügelproduzent in Europa. Vor allem in Deutschland laufen unsere Geschäfte in diesem Bereich sehr gut.“ Geflügel liege nach wie vor im Trend, was sich positiv auf das Geschäft auswirke. Hier sieht das Unternehmen noch viel Potenzial. „Eigentlich könnten wir derzeit mehr verkaufen, als wir produzieren.“ Bell bündelt den Geschäftsbereich Geflügel unter Hubers/Sütag. Um mit der Mengenentwicklung Schritt halten zu können, werden Gespräche über einen Ausbau der Geflügelproduktion geführt. Damit verbunden ist die Gewinnung von weiteren Mästern in Deutschland.
Der CEO spricht aber auch Probleme an, die aus seiner Sicht in Deutschland bestehen: „Die politischen Unsicherheiten in Deutschland, zum Beispiel bei den Rahmenbedingungen für Haltungsformen, sind für die Wirtschaft nicht förderlich. Die Landwirtschaft braucht Sicherheit von Politik und Handel, damit sich die notwendigen Investitionen für den Neu- oder Umbau eines Hähnchenmastbetriebes lohnen.“ Eine echte Herausforderung seien die bürokratischen Abläufe und die vielen Vorschriften in Deutschland. „Ich wünsche mir, dass die Rahmenbedingungen verbessert werden und hoffe, dass die neue Regierung den Mittelstand stärker unterstützt.“
3 Fragen an
Marco Tschanz, CEO der Bell Food Group
Sie sind an Mosa Meat beteiligt, das Rindfleisch direkt aus tierischen Zellen herstellt. Wann kommt der Mosa-Meat-Burger?
Marco Tschanz: Letztes Jahr haben wir die Zulassung für kultiviertes Rinderfett in Europa und in der Schweiz beantragt. Die Zulassung könnte etwa zwei Jahre dauern. Sie wird zunächst nur für Hybridprodukte möglich sein, also zum Beispiel 80 Prozent pflanzliches und 20 Prozent kultiviertes Rinderfett, um den Fleischgeschmack in Fleischalternativen zu intensivieren. Geht man von einer Zulassungszeit von zwei Jahren plus der Entwicklung der Fleischzellen aus, rechne ich damit, dass der Burger frühestens 2030 massenmarktfähig im Lebensmitteleinzelhandel sein wird.
Warum haben Sie in Mosa Meat investiert?
Für uns ist es wichtig, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. In der Schweiz sind wir Marktführer im Fleischbereich. Als Verarbeiter sind wir auf Rohstoffe angewiesen, und wenn diese statt von der Weide plötzlich aus dem Bioreaktor kommen, müssen wir frühzeitig Bescheid wissen. Deshalb haben wir in diesen Bereich investiert.
Was bringt die Zukunft?
Wir wollen weiterhin profitabel wachsen. Dabei steht nicht der Umsatz im Vordergrund, sondern die Profitabilität, insbesondere das EBITDA-Wachstum. Wir konzentrieren uns darauf, nur dort tätig zu sein, wo wir einen echten Mehrwert bieten können, um Marktanteile zu gewinnen und organisch zu wachsen. Das ist unser Ziel.