Herkunftskennzeichnung „Da fehlt der echte Mehrwert“

Die für verpackte Fleischwaren geltende Pflicht zur Herkunftskennzeichnung soll künftig für Theken gelten – Experten befürchten einen großen Aufwand.

Montag, 27. März 2023, 14:23 Uhr
Jens Hertling
Artikelbild „Da fehlt der echte Mehrwert“
Bildquelle: Hannah Zueckler

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat einen Entwurf zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV) bei Frischetheken vorgelegt. Was soll da passieren?
Mit dem im Entwurf vorliegenden § 4 Buchstabe b) LMIDV soll eine Herkunftskennzeichnung bei nicht vorverpacktem, gekühltem und gefrorenem Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch eingeführt werden. Geplant ist, die bestehende EU-weite Herkunftskennzeichnung von verpacktem frischen Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch auf lose (Bedien-)Ware auszudehnen.

Verbände kritisieren, dass das geplante Vorhaben den Aufwand für den Betrieb einer Theke weiter erhöht, ohne dass der Verbraucher einen echten Mehrwert erfährt. Können Sie dem zustimmen?
Der Kritik der Verbände an der geplanten Herkunftskennzeichnung für lose Ware kann uneingeschränkt zugestimmt werden. Den Betrieben fehlt es an Personal. Die geplante Regelung führt zu einem nicht akzeptablen bürokratischen und personellen Aufwand ohne jedweden Mehrwert für den Verbraucher.

Die Kennzeichnungspflicht soll Irreführung und Fehlkäufe verhindern. Stimmt das?
Inwieweit die neue Kennzeichnungspflicht Irreführung und Fehlkäufe verhindern soll, erschließt sich mir nicht. Angeblich wollen die Verbraucher wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen. Dieses Informationsbedürfnis im Rahmen eines nachhaltigen Einkaufs dürfte dort enden, wo die Verbraucher sich aufgrund der Preisgestaltung der losen Ware außerstande sehen, diese aus Kostengründen zu erwerben. Es ist zu befürchten, dass die Kennzeichnungspflicht der losen Ware zu zusätzlichen Preissteigerungen führt.

Das Ministerium rechnet mit einem Mehraufwand für die betroffenen Unternehmen in Höhe von insgesamt 6,4 Millionen Euro im Jahr. Wie beurteilen Sie diesen Aufwand?
Der Mehraufwand ist angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht gerechtfertigt. Der jährliche Erfüllungsaufwand soll nach Aussage der Bundesregierung nach einer „One in, one out“-Regelung im Laufe der Legislaturperiode kompensiert werden. Wie das geschehen soll, bleibt offen.

Der Deutsche Fleischer-Verband kritisiert den Aufwand für die Handwerksbetriebe und fordert, auch mündliche Auskünfte zur Herkunft im Verkaufsgespräch zuzulassen. Erlaubt das die LMIDV?
Grundsätzlich ist das Verkaufsgespräch an der Ladentheke der richtige Weg, Verbraucherinformationen an die Verbraucher zu übermitteln. Nach der LMIDV bestehen hiergegen grundsätzlich keine Bedenken.

Zur Person

Prof. Gerd Weyland ist Experte für Lebensmittelrecht und Gründungspartner der auf Lebensmittelrecht spezialisierten Kanzlei Weyland & Koerfer Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB und Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe e. V.

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