In jedem Jahr präsentiert die Zukunftsforscherin Hanni Rützler ihren viel beachteten „Food Report“. In jedem Jahr ändern sich ihre Prognosen und Schwerpunkte. Ein Thema allerdings bleibt seit Jahren im „Food Report“ ein treuer Begleiter: Snacks und das Snacking. „Die Konsumenten sind im Alltag offen für schnelle Esslösungen mit internationalen Anklängen“, sagt die Expertin. Und Snacks sind in diesem Zusammenhang so etwas wie die Speerspitze und nicht wegzudenken.
In den vergangenen Monaten haben zusätzliche Untersuchungen die wichtige Rolle des Snackings bestätigt. Die im Mai veröffentlichte Nestlé-Studie „So is(s)t Deutschland 2024“ beschreibt zum Beispiel den „verdeckten Genuss im Nebenbei, also beiläufiges Dauer-Snacking“, bei dem Gefühle von Schuld und Scham angesichts einer womöglich nicht ganz so idealen persönlichen Ernährung gar nicht erst aufkommen. „Beim Nebenbei-Konsum“, heißt es in der Nestlé-Studie, „sind die Ansprüche der Verbraucher an sich selbst viel geringer als bei konventionellen Mahlzeiten. Ernährung dient hier der seelischen Stoßdämpfung. Gerade bei der Gen Z ist die Sehnsucht erkennbar, auch einmal regressiv im Bett zu essen und sich gleichzeitig nebenbei medial zu befüllen.“ Dazu passt: 50 Prozent der Befragten snacken regelmäßig vor dem Bildschirm. Dass die jungen Zielgruppen snackfreundlich eingestellt sind, belegt ebenfalls der Report „Food Facts 2024: Express Your Shelf – Wie die Next Gen die Foodbranche herausfordert“ des Lebensmittelproduzenten Kölln aus dem Mai 2024. Fast die Hälfte der Befragten sagen demnach, dass sie kleine Mahlzeiten to go über den Tag verteilen und damit klassische Mahlzeiten ersetzen. Aber auch hier wird auf gesunde Zutaten geachtet. Für die junge Generation ist das mit 53 Prozent ein deutlich wichtigerer Aspekt als für die ältere mit 39 Prozent. Hoch im Kurs stehen laut dem Kölln-Report Bowls, Trinkmahlzeiten, Riegel und Porridge to go.
Die im Oktober 2023 präsentierte Studie „Global Eating at Work Survey 2023“ des Caterers Compass Group beleuchtet Snacking in der Arbeitswelt. Und auch hier sticht die Relevanz der Snacks hervor. Demnach essen die Berufstätigen in Deutschland im Job durchschnittlich 1,6 Snacks pro Tag. Dabei greifen die Jüngeren häufiger zu Zwischenmahlzeiten als die Älteren. Während die Babyboomer nur einen Snack pro Tag zu sich nehmen, sind es bei den Genration-Z-Angehörigen 2,6. Die meisten Deutschen bringen sich ihre Snacks von zu Hause mit (41 Prozent). 13 Prozent kaufen sie sich während der Pause in Supermärkten und Convenience-Stores. Lediglich 5 Prozent der Arbeitnehmer versorgen sich mit Zwischenmahlzeiten aus einem Betriebsrestaurant.
Ständige Bewegung im Markt
Doch der Snack-Markt bewegt sich ständig, ist sehr dynamisch. So beobachten Snack-Experten wie Steffen Müller von Lekkerland oder Jochen Pinsker von dem Marktbeobachtungsinstitut Circana übereinstimmend eine wachsende Nachfrage nach Produkten, die bewussteren Konsum unterstützen – wie etwa mit pflanzlichen Proteinen angereicherte Riegel mit weniger Zucker und Fett. Vegane Snacks oder Trockenfrüchte bekommen ebenso mehr Zulauf. Über allem steht das Stichwort „Vielfalt“ – weshalb es aus Verbrauchersicht beispielsweise gerne auch einmal besonders scharfe Snacks sein dürfen.
In diese Kerbe schlagen die Experten von Innova Market Insights und wagen den Blick auf das, was kommt: „Zukünftige Snacks werden sich wahrscheinlich auf die Vielfalt der Aromen konzentrieren. Pflanzliche Aromen und Mainstream-Gewürze wie Knoblauch werden als salzige Snacks weiterhin dominieren. Aber auch regionale Vorlieben wie Kurkuma, internationale Geschmäcker wie Thai und ungewöhnliche Kombi nationen, die als limitierte Editionen angeboten werden, sind wahrscheinlich.“ Die Hersteller könnten „abenteuerlustige Verbraucher“ mit besonders würzigen Aromen ansprechen, heißt es.
Einer der großen Spieler auf dem Markt für salzige Snacks ist Lorenz Bahlsen Snack-World als Hersteller von Marken wie Erdnußlocken, Crunchips oder Saltletts. Wie wichtig Produktinnovationen sind, ist den Machern bewusst. Marketingchefin Andrea Spielmann erläutert die Strategie: „Bei unseren Snack-Innovationen orientieren wir uns an aktuellen Shopper-Bedürfnissen“, sagt sie und führt als Beispiele „neue Verzehranlässe“ wie Snacking on the go an, den „Wunsch nach transparentem Labeling“ etwa von veganen oder glutenfreien Snacks, aber auch der Wunsch nach weniger ungesundem Snacking
Gleichzeitig wollten sich Verbraucher in stressigen Zeiten mit immer neuen Krisen aber auch Genussmomente schaffen und sich verwöhnen, ob nun allein oder in Gesellschaft, sagt Spielmann. „Für diese Bedürfnisse – Genuss, bewusster Snack zwischendurch, Gemeinschaft erleben – entwickeln wir Neuprodukte, die wir mit unserer strategischen Haltung bei Lorenz ,Lebensfreude trifft Verantwortung‘ verbinden.“ Als Beispiele nennt Spielmann den Pausencracker und den Mini-Bagel, „die wir unter der Marke Saltletts eingeführt haben und die dem Snack-Markt wichtige Wachstumsimpulse gegeben haben. Oder auch die kürzlich eingeführten Erdnußlocken Balls.“ Lorenz hat für 2024 noch etwas in der Pipeline: „Ab Juni werden unsere neuen Clubs Cracker Sesam unser Sortiment erweitern. Und für die jüngeren Snacker führen wir gerade Nic Nacs Nacho Cheese Style ein.“
„Bei unseren Snack-Innovationen orientieren wirAndrea Spielmann, CMO/Director Marketing, Lorenz Bahlsen Snack-World
uns an aktuellen Shopper-Bedürfnissen.“
Wachsendes Bewusstsein für Gesundheit
In welche Richtung sich die Trends im Snackingbereich entwickeln, hat Milka-Hersteller Mondelez in seiner fünften „State of Snacking“-Studie untersucht. Dafür hat das Umfrageinstitut The Harris Poll im Herbst 2023 in einer repräsentativen Online-Umfrage 3.683 Verbraucher in zwölf Ländern befragt, darunter auch Deutschland. Die Studienautoren glauben, einen Megatrend ausgemacht zu haben: „Mindful Snacking“, zu deutsch „achtsames Snacken“. 61 Prozent der Befragten in Deutschland wünschen sich demnach Snacks, die portioniert sind, mehr als noch im Vorjahr. Die bewusste Wahl der Portionsgröße sei ein Schlüsselfaktor für das „Mindful Snacking“, glauben die Studienautoren, da sie zu bewussten, kontrollierten Snackinggewohnheiten führe, ohne dass sich die Konsumenten merklich einschränken müssen. Im Mittelpunkt des „Mindful Snackings“ steht das persönliche Wohlbefinden, auf das deutsche Verbraucher Mondelez zufolge immer mehr Wert legen: 65 Prozent haben „in letzter Zeit gesundheitsbewusste Entscheidungen bevorzugt“.
Die Umfrage belegt auch ein allgemein wachsendes Bedürfnis nach kleinen Mahlzeiten zwischendurch. 89 Prozent aller Befragten in Deutschland snacken täglich. Sie snacken, um Energie zu tanken (72 Prozent), ihre Stimmung zu verbessern (71 Prozent) und ihre Fitnessziele zu erreichen (67 Prozent).
Der von Nestlé Befragten snacken regelmäßig vor dem Bildschirm.
*Quelle: Nestlé-Studie
der deutschen Verbraucher snacken
täglich.
*Quelle: Mondelez
der deutschen Verbraucher bringen sich ihre Snacks von zu Hause mit.
*Quelle: Compass Group
der Konsumenten in Deutschland
snacken, um ihre Stimmung zu verbessern.
*Quelle: Mondelez
Die Kategorie Fleisch-Snacks wächst
Wurst- und Fleisch-Snacks für den kleinen Hunger zwischendurch stehen bei den Verbrauchern wieder im Kurs: Die Kategorie Fleisch-Snacks wächst derzeit um 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Circana, MAT Feb. 2024). „LSI bleibt mit einem Anteil von 15 Prozent der führende Hersteller in dieser Kategorie“, sagt Freek Kaalberg, Trade Marketing Manager EMEA at Jack Link’s EMEA. Die Marke Bifi ist laut Kaalberg ebenfalls mit einem Marktanteil von 13 Prozent und einem Wachstum von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr die führende Marke in dieser Kategorie. „Auch der Umsatz der Jerky-Marke ist gestiegen (MAT Feb. 2024), wo wir im ersten Quartal eine große Resonanz auf PoS-Kampagnen mit American-Football-Themen in der relevanten Käufergruppe beobachten konnten“, sagt Kaalberg.
Daniel Kamphausen, Country-Manager Campofrio Food Group Deutschland, ergänzt: „Nachdem der Snack-Markt in den letzten drei Jahren eine leicht rückläufige Volumenentwicklung verzeichnete, zeigt sich im ersten Quartal 2024 wieder ein positives Wachstum in den Absatzzahlen.“ Die Konsumenten legen laut Kamphausen Wert auf Qualität und Markenprodukte und sind bereit, dafür etwas mehr zu bezahlen. Aus seiner Sicht ist der Markt für Wurst-Snacks ein Wachstumsmarkt, und er erwartet auch für die Zukunft eine positive Entwicklung.
Olaf Hakenbeck, Vertriebs- und Marketingleiter der Firma Houdek, ergänzt das Bild: „Der Markt für Wurst- und Fleisch-Snacks bleibt weiterhin sehr interessant. Ich bin überzeugt, dass die Nachfrage nach herzhaften Snacks weiter steigen wird.“ Der Vertriebs- und Marketingleiter erwartet eine Veränderung der Verbraucherbedürfnisse, insbesondere in Bezug auf Geschmack und Nährwert der Produkte. Verbraucher achten laut Hakenbeck zunehmend auf Angaben wie Eiweiß-, Fett- oder Ballaststoffgehalt. „Snacks werden insgesamt gesünder. Sie sind keine Notlösung mehr, sondern ein fester Bestandteil der täglichen Ernährung.“
Thomas Schmiedbauer, Geschäftsführer des österreichischen Herstellers Wiesbauer, erwartet aufgrund des guten Frühlingswetters und der damit verlängerten Freiluftsaison, aber auch durch die Fußball-EM und die Olympischen Spiele gute Absatzsteigerungen.
Snacks nehmen wieder Fahrt auf
Nach Aussage der befragten Hersteller hat sich durch die Coronakrise das Snacking im Fleischund Wurstwarenbereich verändert. Thomas Schmiedbauer geht von einem insgesamt leicht rückläufigen Verbrauch aus. Es zeichnet sich aber Socialein Trend ab, so Schmiedbauer, dass der Genuss immer mehr in den Vordergrund rückt und daher Wurst- und Snackprodukte gefragt sind, die sich vor allem durch Geschmack und Qualität auszeichnen.
Daniel Kamphausen ist davon überzeugt, dass die Restriktionen, die während der Pandemie auferlegt wurden, dem Out-of-Home-Markt einen großen Schaden zugefügt haben: „Auch die Inflation wirkt sich auf alle Warengruppen aus. Mittlerweile zeigt sich jedoch eine Erholung, insbesondere bei den Snacks, wo der Absatz schnell wieder an Fahrt gewonnen hat.“ Vor allem der Bereich der Premium-Snacks habe sich – so Kamphausen – auch in diesem schwierigen Umfeld sehr gut entwickelt. Nach Angaben des Country Managers ist der Absatz von Aoste-Snacks seit 2021 gegen den allgemeinen Markttrend um 38 Prozent gestiegen. Olaf Hakenbeck hat beobachtet, dass „nach der Pandemie die Mobilität und die Reisebereitschaft wieder deutlich zugenommen haben und wir uns wieder auf dem Niveau vor der Pandemie befinden“. Er ergänzt: „Bei Snacks steht das Kostenbewusstsein nicht unbedingt an erster Stelle. Allerdings gibt es einige Absatzbereiche, wo die Kosten selbst für Snackprodukte zu hoch geworden sind.“
Laut Daniel Kamphausen haben sich insbesondere die luftgetrockneten Salami-Sticks sehr positiv entwickelt. Davon profitiert auch die Aoste Stickado-Range, die in diesem Segment Marktführer ist. „Um den positiven Schwung aufrechtzuerhalten, investieren wir bereits das dritte Jahr in Folge gezielt in die Verbraucherkommunikation.“ Über ein ähnliches Projekt wird auch von der LSI berichtet: Laut Freek Kaalberg investiert das Unternehmen vor allem in Marktforschung, um „Entscheidungen treffen zu können, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Kunden entsprechen“. Eine aktuelle Käuferstudie von LSI aus dem 4. Quartal 2023 zeigt beispielsweise, dass Wurst-Snacks nach wie vor eine Kategorie mit hohem Impulscharakter sind – über 60 Prozent der Kaufentscheidungen werden laut der Studie spontan am PoS getroffen. „Dies unterstreicht die Bedeutung von Zweitplatzierungen und PoS-Promotionen“, so Kaalberg.
„Wir empfehlen, dass der Anteil der MarkenprodukteDaniel Kamphausen, Country Manager, Campofrio Food Group Deutschland
mindestens 65 Prozent beträgt.“
Snacks sind Impulsartikel
„Der Markt für Wurst- und Fleisch-Snacks ist nach wie vor interessant. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage steigen wird.“Olaf Hakenbeck, Vertriebs- und Marketingleiter, Houdek