Noch zu Jahresbeginn war die Unsicherheit in der deutschen Süßwarenbranche mit Händen zu greifen: Preise für Rohstoffe, Energie und Verpackungsmaterial waren infolge des Ukrainekriegs in die Höhe geschnellt. Die Verbraucher schnallten den Gürtel enger, gerade im Supermarkt. Würde es gelingen, diese Probleme in diesem herausfordernden Umfeld zu bestehen? Würde der Handel sich auf die notwendigen Preiserhöhungen einlassen, der Konsument wieder vermehrt zugreifen? Wer sich unter den Herstellern umhört, erhält den Eindruck: alles noch mal gut gegangen. Das finale Urteil über das Weihnachtsgeschäft steht noch aus, aber die vorläufige Bilanz fällt besser aus als vor zwölf Monaten erwartet.
„Zurückblickend kann ich sagen: Es ist alles gut“, berichtet beispielsweise Dr. Jürgen Brandstetter, Geschäftsführer des Lebkuchenherstellers Gottfried Wicklein GmbH aus Nürnberg. „Die Branche war gezwungen, Kostensteigerungen im nötigen Umfang weiterzugeben. Die wirtschaftliche Gesamtlage war und ist mit einem Fragezeichen zu versehen. Aber für unser Haus gilt: Unsere Kunden sind nach wie vor bereit, hochwertige Weihnachtsartikel mit entsprechender Qualität zu honorieren.“ Die Absatzdelle durch das warme Wetter im September habe man inzwischen ausgeglichen. Auch das neue Ostersortiment sei gut angenommen worden. „Das Feedback von Handel und Verbrauchern war durchweg positiv. Daher werden wir dieses Segment im kommenden Jahr weiterführen und ausbauen.“ Brandstetter zeigt sich optimistisch für 2024; nur die Preise für Schokolade, Haselnüsse und Zucker bereiten ihm Sorgen. Die Verhandlungen mit dem Handel seien konstruktiv gewesen, „trotz dieser für alle Seiten schwierigen Situation auf der Kostenseite“, sagt er.
Benjamin Löding wird dies gern hören. Der stellvertretende Einkaufsleiter Food beim Groß- und Einzelhändler Lüning-Gruppe zeichnet ein positives Bild vom zurückliegenden Jahr in der Süßware. Insgesamt sei man 2023 mit der Kategorie zufrieden, berichtet er. Das gelte sowohl für die Supermärkte der Gruppe als auch für die belieferten Kioske und Tankstellen. „Wir haben einerseits das preisbedingte Wachstum, aber wir sehen in der Süßware auch Mengenwachstum. Damit sind wir sehr zufrieden, zumal es das erste Jahr ohne Pandemieeffekte war.“ Das Ostergeschäft habe gut funktioniert. „Mit dem Weihnachtsgeschäft sind wir bisher allerdings nicht so zufrieden.“
Weihnachtsgeschäft noch stockend
Mit Blick auf die deutlichen Preissprünge in den Warenklassen Schokoladenwaren, salzige Snacks, Zuckerwaren und Gebäck sagt Löding: „Ich hoffe, dass wir das Schlimmste hinter uns haben, weil das auch den Endverbrauchern schwer zu vermitteln ist, wenn es bei einer Marke oder Produktkategorie zwei oder drei Preissprünge im Jahr gibt.“ Die Preisentwicklung bleibt nicht ohne Folgen: „Wir haben stärkeren Zugriff bei Promotions. Im Werbezeitraum haben wir stärkere Uplifts, gerade in den Kategorien, wo wir starke Preiserhöhungen hatten. Bei Fruchtgummis und Gebäck erleben wir zum Normalpreis eine gewisse Zurückhaltung“, erklärt Einkäufer Löding.
Preisschwellen sind nicht zementiert
Beim Fruchtgummihersteller Trolli teilt man diese Erfahrung aktuell nicht. „Für uns sehr zentral war das Thema Preisschwellen“, sagt Timo Woitek, Marketing Director International. „Die hätte man vor ein, zwei Jahren für zementiert gehalten. Aber durch den allgemeinen Preisauftrieb bei Lebensmitteln bemerkt der Verbraucher, dass Fruchtgummis auch weiterhin ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.“ Grundsätzlich sind die Fürther mit dem aktuellen Jahr zufrieden, wie Holger Krätz berichtet, der bei Trolli den B2C-Vertrieb verantwortet: „Es war ein tendenziell turbulentes, herausforderndes Jahr. Nichtsdestotrotz lässt sich absehen, dass das Jahr für Trolli recht erfolgreich war. Wir wachsen stärker als der Markt und wir wachsen dabei nicht nur durch Preiseffekte, sondern auch in der Menge.“ Die Gespräche mit dem Handel seien hart, aber konstruktiv gewesen. Doch Herausforderungen bleiben: „Der Zuckerpreis ist weiterhin auf einem Allzeithoch, aber auch viele andere Kostenfaktoren sind auf ein sehr hohes Niveau gestiegen. Das bleibt eine Herausforderung, der sich die ganze Branche stellen muss.“ Mit Blick auf die Zuckerware glaubt er: „Die Preise dürften 2024 auf hohem Niveau verharren oder nur leicht ansteigen. Steigerungen von nochmals 10 bis 20 Prozent halte ich für unwahrscheinlich.“
Und wie sah es zuletzt in der wichtigsten Warenklasse innerhalb der Süßwaren aus, bei den Schokoladenwaren? Nach den jüngsten Marktdaten von NielsenIQ stagnierte der Absatz zuletzt im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum, während der Umsatz um 8,7 Prozent zulegte. Eines der Branchenschwergewichte ist Milka-Hersteller Mondelez. Dessen Managing Director DACH, Jan Kruise, äußert sich vorsichtig: „Wir befinden uns momentan noch mitten im Jahresendspurt. Das Weihnachtsgeschäft ist ein wichtiger Treiber für unser Saisongeschäft.“ Für ein finales Fazit sei es daher noch zu früh, „aber die Vorzeichen für ein gutes Jahr sind erkennbar“. Auch Mondelez stehe vor Herausforderungen durch erheblich gestiegene Kosten, sagt Kruise, allerdings setze sich „der Wert unserer Marken nicht nur aus der Summe der zahlreichen Rohstoffe für unsere Produkte zusammen“. Zudem habe man als multinationales Unternehmen Erfahrung im Umgang mit Kostendruck.
Mars kompensiert Wegfall von Edeka
Beim Wettbewerber Mars Wrigley ist man mit der Geschäftsentwicklung 2023 „sehr zufrieden“, wie Deutschland-Chef Carsten Simon zu Protokoll gibt. „Unser Umsatz wird dieses Jahr zweistellig wachsen – über höhere Abverkaufsvolumen und notwendige Preisanpassungen.“ Man sei erfolgreich, „obwohl es immer noch einen Handelspartner gibt, bei dem unsere Marken in diesem Jahr nicht erhältlich waren“, sagt Simon in Anspielung auf den Zwist mit Edeka, die Mars nicht mehr beliefert. Den Wegfall des Abnehmers habe man kompensiert. Die Nachfrage nach den Produkten sei auch bei höheren Preisen ungebrochen. Allerdings hätten sich die Rohstoffmärkte „nicht überall beruhigt, sodass wir insbesondere bei den Schokoladenwaren weiterhin eine starke Inflation sehen“.
Der hohe Kakaopreis beunruhigt auch Claus Cersovsky, Geschäftsführer bei der Rübezahl-Riegelein-Gruppe. „Man muss jetzt schauen, wie sich die Rohstoffmärkte weiterentwickeln. Wird der Kakao noch teurer werden? Und wie lange macht der Verbraucher die Verteuerungen mit?“ Das Unternehmen ist vor allem bekannt für seine Schoko-Hohlfiguren. „Wenn der Verbraucher die Preissteigerungen etwa bei Schoko-Osterhasen und -Weihnachtsmännern weiter mitträgt, dann ist alles gut“, sagt er mit Blick aufs kommende Jahr. Er erwartet weiter deutlich steigende Preise. Mit dem zurückliegenden Geschäftsjahr 22/23, das am 31. März endete, ist Cersovsky alles andere als glücklich. Er spricht von einem „schlechten Geschäftsjahr“ angesichts der Kostenexplosionen und eines Salmonellenverdachtsfalls bei einem Lieferanten, der sich letztlich nicht bestätigte, aber zu einem wochenlangen Produktionsausfall geführt habe.