Unsicherheit und Sorge prägen derzeit die Stimmung in der deutschen Süßwarenbranche. Die Landesgruppe Nord des Branchenverbands hatte ins emsländische Papenburg eingeladen. Das Hauptinteresse der versammelten Branchenvertreter galt freilich den schwierigen Bedingungen angesichts explodierender Kosten infolge von Coronakrise und Ukraine-Krieg.
83 Prozent der Unternehmen melden nach Verbandsangaben Engpässe bei Verpackungsmaterialien, 72 Prozent der Unternehmen verzeichnen ernsthafte Versorgungsprobleme mit agrarischen Rohstoffen wie Weizen, Pflanzenölen, Glukose, Eiern und Milchpulver.
Auch neue Anforderungen des Gesetzgebers machen den Betrieben Sorgen. „Es gibt Herausforderungen von allen Seiten“, brachte es Dr. Christian von Boetticher auf den Punkt, der als Vorsitzender der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) einen Impulsvortrag vor den Branchenvertretern hielt.
Welche Auswirkungen der Ukraine-Krieg auf die Weltmärkte und die Preise haben würde, habe sich zu Beginn vermutlich niemand ausmalen können, sagte von Boetticher.
Auch ein hoher Selbstversorgungsgrad bei bestimmten Agrarprodukten schütze nicht vor den hohen Preisen. Von Boetticher machte deutlich: „Es sind nicht nur die Agrarrohstoffe, die uns Sorgen bereiten, sondern es ist auch die ganze Last der Energiepreise. Und davon ist in Deutschland ein Teil auch hausgemacht.“
Problem I: hohe Preise
Von Boetticher erwartet allerdings nicht, dass die Preisspirale so bald aufhören wird, sich zu drehen. In dem Zusammenhang appellierte er an die Politik, auf zusätzliche bürokratische Belastungen zu verzichten.
Zugleich lobte er die deutsche Lebensmittelindustrie für ihr Bemühen um mehr Nachhaltigkeit: „Wir können hier mit einem starken Selbstbewusstsein auftreten. Denn es gibt keine deutsche Industriebranche, die sich bisher mit dem Thema Nachhaltigkeit so stark beschäftigt hat.“
Problem II: Lieferkettengesetz
Welches regulatorische Thema den Herstellern besonders unter den Nägeln brennt, wurde beim Vortrag von Dr. Torben Erbrath deutlich, BDSI-Geschäftsführer und Syndikusrechtsanwalt. Vor allem die Lieferkettengesetze auf deutscher und europäischer Ebene treiben manchen Verantwortlichen die Sorgenfalten auf die Stirn. Das deutsche Lieferkettengesetz ist beschlossene Sache und tritt zum kommenden Jahreswechsel in Kraft, wie Erbrath erklärte. Es gelte zunächst für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern und ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern. Der Verband habe sich beim Gesetzgeber und bei der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), für praktikable Regeln eingesetzt. Zudem habe der BDSI eine Expertengruppe eingerichtet und einen Leitfaden für die Mitglieder erarbeitet.
Dass durchaus noch Aufklärungsbedarf besteht, machte eine Nachfrage aus dem Publikum deutlich. Ob es möglich sei, wollte der Fragesteller wissen, dass ein Kind aus einem Entwicklungsland einen deutschen Hersteller auf Schadensersatz verklage, wenn ein Zulieferer dieses Kind zur Kinderarbeit eingesetzt habe. Erb‧rath dazu: „Nach dem deutschen Lieferkettengesetz nicht, da gelten die ganz normalen zivilrechtlichen Haftungspflichten.“ Allerdings gebe es noch die europäische Regelung, die aktuell in Arbeit sei und vermutlich erst 2028 komme. Und hier sei genau diese Möglichkeit nach aktuellem Stand vorgesehen.
Erbrath hatte mit Blick auf die deutsche Rechtslage auch eine beruhigende Botschaft im Gepäck: „Es geht bei den Sorgfaltspflichten nicht darum, dass man alles perfekt macht, sondern dass man die Prozesse einrichtet. Das ist eine sogenannte Bemühenspflicht, keine Erfolgspflicht. Das Wichtigste ist erst mal, jemanden im Unternehmen auszugucken, der zuständig ist.“
Problem III: Steuerpolitik
Nicht nur die regulatorischen Lasten, auch steuerpolitische Bedingungen können einem Unternehmer die Laune vermiesen. Entsprechend gebannt hörten die Industrievertreter Michael Jäger zu, Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt) in Bayern, der sie auf eine „Tour de Force“ durch die finanzpolitischen Herausforderungen für Unternehmer mitnahm. Besonders die teuren Pläne der EU für Klimaschutz und anderes hätten es in sich und seien auch in der Krise nicht zurückgestellt worden. „Die EU zieht das gnadenlos durch“, sagte Jäger und nahm auch die Brüsseler Ernährungspolitik aufs Korn. „Zucker ist schlimmer als Kokain, wenn es nach der EU-Kommission geht. Ein Unsinn!“, schimpfte Jäger. Der Applaus des Publikums war ihm sicher.