Mondelez „Ich bin ein Markenmensch“

Ob Kosmetik, Zigarren oder Schokolade –Marken haben es Martin Kaufmann (Foto) angetan. Neuerdings kümmert sich der Schweizer bei Mondelez um den Snackingbereich. Was ihm an seinem neuen Arbeitgeber auffällt und wo die Herausforderungen liegen, erzählt er im Interview.

Freitag, 11. März 2022 - Süßwaren
Andrea Kurtz und Manuel Glasfort
Artikelbild „Ich bin ein Markenmensch“
Bildquelle: Jan Rathke

Herr Kaufmann, seit dem 1. Juli 2021 sind Sie bei Mondelez International tätig und heute Managing Director für das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Welcher Weg hat Sie dorthin geführt?
Martin Kaufmann:
Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und habe in Deutschland an der Universität Bayreuth meinen Diplom-Kaufmann gemacht. Seitdem bin ich in der Markenartikelindustrie. Ich bin ein Markenmensch. Ich glaube an Marke im weitesten Sinne, weil sie Menschen Sicherheit geben und auch eine emotionale Verbindung herstellen kann. Dahinter muss natürlich immer Qualität stehen. Ich bin in der Beauty-Branche gestartet bei Wella, als es noch ein unabhängiges Unternehmen war, und habe dort im Global Marketing angefangen. Weitere Stationen waren dann Gillette, Procter & Gamble und Estée Lauder Companies in den USA. Nach meiner Rückkehr nach Europa habe ich zuletzt fast vier Jahre bei Davidoff im Luxusgüterbereich gearbeitet, ehe ich im Juli letzten Jahres zu Mondelez International gekommen bin.

Der Wechsel aus der Kosmetik- und Luxusgüterbranche zu einem Produzenten von Mainstream-Süßwaren ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Das Unternehmen hatte ich schon sehr lange im Blickfeld. Das hat zum einen etwas mit dem Marken-Portfolio zu tun, zum anderen mit einer persönlichen Affinität zum Food- und Snacking-Bereich. Ich habe vorher nie in diesem Bereich gearbeitet, bin aber sehr langjährig geprägt – als Konsument und als Kind eines Vaters, der in dieser Industrie gearbeitet hat. Und Affinität zu den Produkten und den Marken ist mir wichtig. Ich muss mich damit identifizieren können. Insofern hat Mondelez perfekt gepasst. Und ob es nun um eine Luxusmarke oder eine Marke wie Milka geht: Es gibt immer einen Nutzen emotionaler und funktionaler Natur für den Endverbraucher. Es geht um Marken, die mit Qualität Vertrauen schaffen.

Wie fällt denn Ihre erste Bilanz aus nach sieben Monaten bei Mondelez?
Ich habe natürlich am Anfang sehr genau zugehört und beobachtet. Es gibt ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind. Was wirklich anders ist bei Mondelez, ist der Umgang untereinander. Es ist ein sehr kollegiales, freundliches Miteinander. Gerade wenn man vor Herausforderungen steht, macht es diese Unternehmenskultur einfacher. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter sehr engagiert und leidenschaftlich sind. Aufgefallen ist mir auch das breite Spektrum an Karrieremöglichkeiten bei Mondelez. Es geht nicht nur vom Vertrieb ins Marketing und umgekehrt, vielmehr können die Mitarbeiter sich über verschiedenste Funktionen entwickeln. Das ist ziemlich einzigartig und bringt den großen Vorteil, dass man einen Helikopterblick auf das Geschäft hat und nicht so sehr in funktionalen Einheiten denkt.

Was ist Ihnen sonst Besonderes aufgefallen?
Bemerkenswert ist auch die große Vielfalt der Belegschaft, was Geschlechter und den kulturellen Hintergrund betrifft. Das wird auch sehr gefördert und ist aus meiner Sicht wichtig. Es führt zu besseren Diskussionen, Entscheidungen und Ergebnissen, wenn Leute unterschiedliche Perspektiven beisteuern können. Diese Erfahrung habe ich im Laufe meines Berufslebens immer wieder gemacht. Zu viel Gleichförmigkeit schadet auf mittlere und lange Sicht. Insofern bin ich superhappy mit dem Team, das ich hier habe.

Da Sie von Diversität sprechen: Heißt das auch, dass diese Menschen unterschiedlich snacken?
Snacking beschreibt den allgemeinen Wandel der Essgewohnheiten, aber es gibt Unterschiede zwischen den Generationen und Herkunftsländern. Bei der jüngeren Generation wird viel mehr angenommen, dass der Tag aus einzelnen kleinen Snacks, Mahlzeiten besteht. Bei den Älteren ist es eher noch traditioneller. Und dann kommt es darauf an, dass man die richtige Balance findet. Es gibt Gesundheit für die Seele und Gesundheit für den Körper. Das ist nicht immer das Gleiche. Hier die richtige Balance zu finden, liegt in der Verantwortung des Einzelnen. Als Unternehmen unterstützen wir es, sich bewusst zu machen, was ich esse, wann ich esse und wie viel ich esse.

Was sagt denn Ihre neue Snacking-Studie über das Verhalten in der Pandemie?
Wir haben diese Studie jetzt schon zum dritten Mal gemacht. Wir müssen unsere Endverbraucher besser verstehen als jeder andere. Der Konsument ist unser Boss. Die Pandemie und das Homeoffice haben sicherlich dazu geführt, dass mehr gesnackt wird. Eines der Studienergebnisse ist, dass 85 Prozent der befragten Konsumenten weltweit täglich mindestens einen Snack essen, um zu genießen. In Deutschland sind es 80 Prozent. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein dafür, was wann gegessen wird. Der Tag ist immer weniger klassisch in drei Mahlzeiten unterteilt. In der Pandemie sind Verhaltensweisen zur Gewohnheit geworden, die sicher ein Stück weit bleiben werden. Onlineshopping hat beispielsweise in Deutschland zugenommen. Mit schnellen Lieferungen ist das Ganze für zu Hause sehr viel attraktiver geworden.

Vom Mondelez-Umsatz entfällt viel auf die Bereiche Biscuits und Schokolade. Welche Trends stellen Sie in diesen Bereichen fest und welche Innovationen sind in der Pipeline?
In Deutschland ist Milka unsere größte Marke. Es gibt eine echte Loyalität zu dieser Marke, insofern ist Schokolade im deutschsprachigen Raum unser wichtigstes Segment. Wir haben im Januar die Akquisition von Chipita abgeschlossen, die im Bereich Croissants und salziges Gebäck tätig sind. Da werden wir sicherlich neue Kombinationen und Innovationen finden. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen zwei Arten von Innovationen. Es gibt einerseits Produktinnovation, da haben wir in diesem Jahr auch mit Milka noch einiges vor. Andererseits gibt es kommerzielle Innovation. Das können Kooperationen sein wie Oreo-Batman oder Milka Tender Words, bei der wir unsere Schokotafeln mit „zarten Worten“ bedruckt haben. Dann haben wir unser Engagement in Deutschland mit der Bundesliga. Damit schaffen wir eine emotionale Bindung an die Marke. Man muss immer wieder Impulse setzen, aber es müssen nicht immer Produktinnovationen sein. Wir haben auch in diesem Jahr einige größere Überraschungen, über die ich noch nicht so viel sagen möchte.

In welchem Produktbereich erwarten Sie das stärkste Wachstum?
Wir unterscheiden in unserer Strategie zwischen unseren Kernbereichen, in denen wir bereits groß sind und wo wir moderat wachsen, und den Bereichen, wo wir doppelstellige Wachstumsraten anstreben. Zu letzteren zählt der Bereich Bakery, den wir mit dem Chipita-Kauf stärken und wo wir noch einen Zahn zulegen wollen. Das Kerngeschäft ist bisher Schokolade, insbesondere Tafelschokolade. Hier haben wir 2021 unseren Marktanteil in Deutschland und anderen Märkten ausbauen können.

Mondelez hat zuletzt einen Gewinnsprung auf 4,77 Milliarden Dollar verzeichnet. Die Umsatzrendite lag zuletzt bei 16,6 Prozent – sehr stattlich. Können Sie vor dem Hintergrund verstehen, wenn der Handel wenig kompromissbereit bei den Verhandlungen ist?
Wir führen unsere Gespräche mit dem Handel und sprechen darüber nicht öffentlich. Aber allgemein gesprochen: Bei einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung schauen Sie immer in den Rückspiegel. Gegenwärtig sind wir mit Kostensteigerungen konfrontiert, die sich seit dem vierten Quartal explosiv entwickelt haben. Es sieht leider nicht so aus, als wäre das ein kurzfristiger Trend. Es ist unabhängig von Mondelez eine weltweite und branchenübergreifende Entwicklung, die mit Inflation einhergeht. Und die Inflation fängt bei den Rohstoffen an und endet bei den Verbraucherpreisen. Natürlich ist das ein Thema, das wir nicht ignorieren können. Wir sind als Unternehmen recht effizient aufgestellt und können einen Teil dieser Kosten absorbieren, indem wir unsere Produktivität steigern. Aber ein bestimmter Teil muss auch weitergegeben werden.

Welche Kostensteigerungen machen Ihnen besonders zu schaffen?
Ich habe in meiner bisherigen Laufbahn noch nie solche Steigerungsraten erlebt. Weizen, Milch, Verpackungsmaterialien, alles wird teurer. Hinzu kommen Unterbrechungen der Lieferketten. Wenn nicht genügend Lkw-Fahrer zur Verfügung stehen, spiegelt sich das in Kostensteigerungen wider. Unsere Hoffnung, dass sich der Trend wieder abschwächt, erfüllt sich nicht. Wir erleben vielmehr das Gegenteil.

Manche Süßwaren-Hersteller machen sich sogar Sorgen wegen möglicher Produktionsausfälle. Wie ergeht es Ihnen da?
Wir schauen täglich, wie die Bedarfe sind, wo wir Dinge umverteilen können. Unter den gegebenen Umständen schneiden wir relativ gut ab, wie wir diese Engpässe handhaben. Trotzdem geht das natürlich nicht an uns vorbei. Aber durch unsere Volumina und unsere Präsenz auf über 150 Märkten haben wir relativ gute Möglichkeiten, Dinge ein bisschen hin- und herzuschieben, sodass es am Ende eine gute Lösung gibt.

Mondelez hat zuletzt das Unternehmen Chipita Global S.A. übernommen, führend in Ost- und Mittel-europa für Croissants und gebackene Snacks. Was erhoffen Sie sich von der Übernahme?
Der Abschluss der Akquisition von Chipita ist erst zum 3. Januar erfolgt. Jetzt schauen wir in sämt-liche Details und analysieren alles. Wir sehen großes Innovationspotenzial zwischen unseren Marken und den Croissant- und Gebäckmarken von Chipita. Es gibt die Chipita in Deutschland seit vielen Jahren, und insofern werden wir einiges sehen.

Sind Sie in der Region DACH auf der Suche nach weiteren Übernahmekandidaten?
Organisches Wachstum steht für uns im Vordergrund. Akquisitionen muss man auch erst mal „verdauen“, im Sinne von „eine gute Integration schaffen“. Da müssen Unternehmenskulturen zusammengebracht werden. Ich bin selbst recht erfahren in dem Bereich. Ich war Teil der Gillette-Akquisition durch Procter & Gamble. Das erfordert viel Fingerspitzengefühl, und das ist auch ein langer Weg. Trotzdem schauen wir immer: Was könnte noch passen? Ohne es zu übertreiben. Alles zu seiner Zeit.

Die Bundesregierung möchte „an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt“ bei Sendungen und Formaten für Jüngere verbieten. Eine gute Idee aus Ihrer Sicht?
Wir erlegen uns selbst eine ganze Menge an Regeln auf, die wir streng einhalten. Wir richten unsere Werbung nie an Kinder unter 14 Jahren. Darauf achten wir auch bei jeglichen Kooperationen, die wir eingehen. Unsere Verantwortung nehmen wir sehr ernst.

So laufen die Geschäfte bei Mondelez

Solide Zahlen hat Mondelez unlängst vorgelegt. Im Geschäftsjahr 2021 legte der Umsatz organisch um 5,2 Prozent zu auf 28,7 Milliarden US-Dollar. Das organische Umsatzplus ging zu fast gleichen Teilen auf Preiserhöhungen und Absatzzuwächse zurück. Der Konzern konnte auch den Gewinn steigern. So kletterte das um Sondereffekte bereinigte Betriebsergebnis auf 4,77 Milliarden Dollar, ein Zuwachs um 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Umsatzrendite lag bei 16,6 Prozent. Fast 40 Prozent seines weltweiten Geschäfts macht Mondelez in Europa, das damit der wichtigste Markt für den Konzern ist. An zweiter Stelle steht der nordamerikanische Markt. Besonders stark wächst der Snackingriese derzeit in Schwellenmärkten.

 

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