Wie kam es zur Idee der Netzwerkplattform Hermann‘s?
Verena Bahlsen: Unsere feste Überzeugung ist, dass Innovationen wie sie im gesamten Nahrungssystem in den nächsten fünf bis zehn Jahren nötig sein werden, nicht in den Kellern der Produktentwickler entstehen werden. Dazu sind Innovationszentren nötig. Unternehmen müssen über den Tellerrand schauen und sich von Bloggern, Köchen oder Wissenschaftlern inspirieren und informieren lassen. Dazu muss es Netzwerke geben. Und es muss eine Organisation geben, die diese Player aktiv zusammenbringt – so wie früher ein guter Gastgeber einer Cocktail-Party. Das wollen wir mit Hermann‘s erreichen.
Portfolio-Addition
Raw Bite Die Bahlsen Gruppe hat Ende 2016 die Mehrheitan der dänischen Rawbite mit Bio-Frucht- und Nussriegeln über nommen, weil das Sortiment in eine Neuausrichtung des Portfolios passt.
Wird das ausreichen, um Innovationen zu initiieren?
Das Food-System wird sich extrem verändern müssen. 9 Mrd. Menschen auf dieser Erde müssen bis 2050 ernährt werden. Und gleichzeitig nehmen Erkenntnisse über Magen-Darm-Erkrankungen zu, die zeigen, dass sich die Ernährung selbst auch verändern muss. Erste Ansätze oder Richtungen wie beispielsweise der vertikale Anbau sind ja bereits da, aber operieren noch in einer Nische. Auch eine Retro-Entwicklung, wie die zu fermentierter Nahrung oder Dinge wie zucker- oder mehlfreie Produkte sind ja bereits Trend, für mich aber nur singuläre Beispiele für eine Veränderung der Anforderungen an die Ernährung. Wenn in unserem Netzwerk Industrie, Handel und Innovatoren zusammenkommen, ist ein Voneinanderlernen gegeben.
Hermann‘s befindet mitten in der Berliner Start-up-Versuchsszene. Wird es bei diesem Standort bleiben?
Natürlich sind wir dort, wo viele junge Food-Ideen entstehen und getestet werden. Aber wir sehen uns nicht als Silo, sondern als die Vernetzer, die auf weltweite Tendenzen schauen. Deswegen können wir uns auch vorstellen, dass wir vielleicht noch drei weitere Hermann‘s eröffnen, das aber dann in Sidney oder Hanoi oder Tel Aviv. Das entspricht übrigens ganz dem Geist von Bahlsen. Firmengründer Hermann Bahlsen war ja von Haus aus kein Bäcker, sondern hat sich weltweit Technologie angeschaut und daraus seine Ideen für Kekse geschaffen. Der Keks der Zukunft wird in meinen Augen sicher nicht von einem Bäcker entwickelt, sondern von einem Querdenker.
Sprechen Sie denn auch schon mit dem Handel über Innovation?
Ja, das tun wir. Im Moment sind es sowohl Hersteller von Rohstoffen als auch Handelsunternehmen, die auf uns zukommen. Der Handel muss ja neue Produkt- oder sogar ganze Aufklärungswege gehen, um vor Ort spannend zu bleiben. Ich glaube nicht, dass Kunden künftig nur noch online bestellen werden, aber sie wollen Gründe haben, stationär einzukaufen. Mein Vater und ich können übrigens Stunden in Supermärkten zubringen und nach neuen Produkten fahnden.
Arbeiten für die Generation Y/Z
Mit dem Ziel , einbesseres, nachhaltigeres Food-System zu entwickeln, ist die unabhängige Bahlsen-Tochter Hermann‘s gestartet. Das Start-up ist der erste ganzheitliche Versuch, unterschiedliche Akteure aus der Lebensmittelbranche und Verbraucher zusammenzubringen, um völlig neu über Ernährung, Produkte und Produktionsprozesse nach- zudenken. Verena Bahlsen, Laura Jaspers und Stefan Telegdy stehen hinter der internationalen Plattform, die on- und offline markttaugliche und zukunftsweisende Lösungen für gesündere und nachhaltige Nahrungsmittel entwickeln will. Die digitale Plattform dient als Online-Zuhause des Unternehmens. Zudem ermöglicht ein realer Ort den direkten Austausch: Das Hermann‘s auf der Berliner Torstraße – im Hipster-Jargon der Hauptstadt heißt das Viertel Soto, das steht für South of Torstraße – ist Restaurant, Event-Space, Testküche und Filmstudio in einem. Hermann‘s will darüber hinaus Industriepartnern anbieten, für sie weltweit passende Innovatoren zu sichten. Aufgabe sei, Themen greifbar zu machen. Das könnten auch servierte Insekten bei einem Event im Hermann‘s sein, so dass sich automatisch eine Diskussion ergebe. Solche Events will das Start-up nutzen, um andere Start-ups, Wissenschaftler, Köche und Blogger an einen Tisch zu bringen. Als ihre Aufgabe begreift Gründerin Verena Bahlsen auch, das familiäre Know-how genau wie den guten Draht zu Industriepartnern zu nutzen, um ein gesellschaftliches Umdenken zu unterstützen. Firmengründer Hermann Bahlsen habe ebenso an die Zukunft der Ernährung gedacht.