Fleisch Kalkulierbarer Tierschutz

Ein Tierschutzlabel wird kommen, das ist bekannt. Eine praxisnahe Kosten-Nutzen-Analyse soll Zahlen liefern.

Mittwoch, 07. März 2012 - Sortimente
Dörte Fleischhauer
Artikelbild Kalkulierbarer Tierschutz
Bildquelle: iStockphoto

Seit eineinhalb Jahren wird an einem Tierschutzlabel gearbeitet. Dafür haben sich Landwirtschaft, Wissenschaft, Fleischvermarktung und Deutscher Tierschutzbund an einen Tisch gesetzt. Man befasst sich mit der Quadratur des Kreises: „Wir arbeiten in einem Spannungsfeld von Verbrauchern, denen Tierschutz wichtig ist, aber die auch den Preis wichtig finden“, sagt Dr. Heinz Schweer, Direktor Landwirtschaft bei Vion Food Germany. Vion ist nicht nur eines der Unternehmen, die mit am Tisch sitzen, Vion ist Initiator und gleichzeitig Projektkoodinator.

Eine Kosten-Nutzen-Analyse soll deshalb dieses Spannungsfeld mit Blick auf die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette untersuchen. Schweer ist überzeugt, dass das interdisziplinär ausgelegte Forschungsprojekt den richtigen Ansatz hat: „Wichtig ist es, verlässliche Zahlen und eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Zukunft zu bekommen. Wir müssen den teilnehmenden Betrieben realistisch sagen können, was am Ende dabei für eine Kalkulation herauskommt, damit auch die Akzeptanz gegeben ist.“ Die Datenerhebung ist auf 30 Monate ausgelegt.

Ob die Konsumenten das Fleisch bzw. die Produkte mit dem Tierschutzlabel wirklich annehmen, wird Annabell Franz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Universität Göttingen, untersuchen: „Unsere Aufgabe ist es, auf der Verbraucherseite die Akzeptanz im Hinblick auf Verständnis, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und potenzielle Zahlungsbereitschaft zu untersuchen bzw. was man braucht, damit diese Akzeptanz möglichst hoch ist.“ Dazu setzt sie auf Marktforschungsuntersuchungen in Supermärkten. Testsupermarktkette ist die Coop in Kiel. „Wir sind überzeugt, dass unsere Kunden das Fleisch mit dem Tierschutzlabel begrüßen werden”, sagt Timo Helf, Geschäftsbereichsleiter Frische bei der Coop.

Auch in anderen Bereichen wird intensiv an verlässlichen Daten zur Kostenstruktur gearbeitet: Fördermittel des Bundeslandwirtschaftsministeriums werden eingesetzt, um zu erforschen, wie die Einstiegsstufe (auch 1-Sterne-Standard) des zweistufigen Labels praxisnah umgesetzt werden kann. Denn vorhandene Schweinehaltungssysteme müssen nach den Kriterien des 1-Sterne-Standards umgestaltet werden. Die Tiere brauchen ungefähr ein Drittel mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben, sie müssen Fress-, Kot- und Ruhebereiche haben und Beschäftigungsmaterial bekommen. Nach einer Übergangszeit wird das Kupieren der Schwänze verboten.

Außerdem dürfen nach den Kriterien des Deutschen Tierschutzbundes männliche Ferkel nicht mehr betäubungslos kastriert werden. Im Projektzeitraum soll es übrigens gar keine Kastrationen geben, sondern die Ferkel werden als Eber gemästet.

Das Tierwohl messen
Der Vion-Tierwohl-Manager Dr. Stephan Kruse soll 20 Schweinemastbetriebe in dieser Zeit beraten und begleiten. Zusammen mit der VzF GmbH Uelzen, der NFZ Erzeugergemeinschaft Schleswig-Holstein, der Lehr- und Versuchsanstalt Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und dem Deutschen Tierschutzbund wird er sich um die Label-Betriebe kümmern, mit ihnen Betriebsentwicklungspläne erstellen. Joachim Krieter, Professor an der Universität Kiel und Leiter des Instituts für Tierzucht und Tierhaltung, soll gemeinsam mit Dr. Lars Schrader vom Celler Institut für Tierschutz und Tierhaltung des Friedrich-Löffler-Instituts in den Ställen Videos aufzeichnen und daran überprüfen, ob eine messbare Steigerung des Tierwohls nachgewiesen werden kann. Verhaltensindikatoren und tierbezogene Werte sollen nach der Auswertung zeigen, ob und wie sich die Haltung nach 1-Sterne-Standard auf die Tiere auswirkt.

Die Erhebung von tierschutzrelevanten Daten am Schlachthof verantwortet bei Vion Anne Hiller, die dort auch das gesamte Tierwohlprojekt koordiniert. Das bestehende Tierschutzmonitoring am Schlachthof wird dafür erweitert. Später sollen dann aus diesen Ergebnissen praktikable Leitindikatoren und Erhebungsprotokolle für die routinemäßige Kontrolle der Tiergerechtheit in den Label-Betrieben entstehen.

Eine neutrale Zertifizierungsgesellschaft soll schließlich unter der Leitung des Deutschen Tierschutzbundes ein solides Prüf- und Zertifizierungssystem entwickeln, das vom Deutschen Tierschutzbund in Form des Tierschutzlabels ausgezeichnet wird.

Dr. Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Tierschutzbundes, erklärt, man freue sich, dass dieses Labelprojekt vom Bundeslandwirtschaftsministerium begleitet und finanziell unterstützt wird, denn „das Projekt soll Hand und Fuß haben, solide sein und einen wirklichen Mehrwert für die Tiere bewirken.“

Bild: Die Einstiegsstufe des zweistufigen Tierschutzlabels sieht ein Drittel mehr Platz für die Tiere vor.

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