Branchen-Umfrage zu Stevia Herantasten

Die Ernährungsindustrie tüftelt mehr oder weniger aktiv an Konzepten mit Steviolglykosiden. Ein Überblick .

Mittwoch, 22. Februar 2012 - Sortimente
Bettina Röttig
Artikelbild Herantasten
Christian Berentzen, Limuth GmbH
Backwaren
„Stevia ist für unsere Produkte völlig ungeeignet“: Werner Schulte, Geschäftsleitung Marketing und Vertrieb bei Kuchenmeister , führt für dieses Urteil vor allem die volumengebende Funktion von Zucker beim Backprozess an. Stevia habe eine bis zu 300-fach höhere Süßkraft, sei aber letztlich nichts anderes als ein natürlich gewonnener Süßstoff und kein volumengebender Zuckeraustauschstoff. Zurückhaltung auch bei Dr. Oetker : Interessant sei Stevia wegen der Möglichkeiten zur Zuckerreduzierung. Aber: „Aufgrund der sensorischen Eigenschaften – verzögerter Süßeeindruck mit lakritzartigem Beigeschmack – sehen wir derzeit nur eingeschränkte Einsatzmöglichkeiten“, heißt es aus Bielefeld.

Mopro
Zurückhaltung herrscht hierzulande derzeit auch noch bei den Herstellern von Molkereiprodukten. Der allgemeine Tenor: Es wird beobachtet, Konkretes gibt es aber noch nicht. Danone hatte die alternative Süßung bereits 2010 als erster Konzern in der EU bei einem Fruchtjoghurt verwendet. „Für Deutschland gibt es aber derzeit keine konkreten Pläne“, sagt Sprecherin Dr. Susanne Knittel. Zurückhaltend äußern sich auch die Privatmolkerei Bauer und Zott : Man beobachte den Markt, zu möglichen Neuheiten wolle man sich jedoch noch nicht äußern.

Bio-Produkte
Ganz offensiv für die Stevia-Süßung hat sich die Andechser Molkerei Scheitz eingesetzt. Steviolglykoside sind für Bio-Lebensmittel nicht zugelassen. Die Bayern preschten dennoch vor und brachten im Februar 2011 zwei mit Stevia-Tee gesüßte Joghurts auf den Markt, mussten diese jedoch zunächst wieder zurückrufen, da die Rechtslage nicht geklärt war. September 2011 kam schließlich grünes Licht vom Münchner Verwaltungsgericht. Dieses war nicht der Ansicht, dass Stevia-Tee ein zulassungsbedürftiges „Novel-Food“ sei.

Trotz dieses Etappensieges ist die Bio-Branche geteilter Meinung, was Stevia-Tee und Steviolglykoside betrifft. So regte Frankreich an, letztere in die Öko-Verordnung aufzunehmen. Barbara Scheitz, Geschäftsführerin der Andechser Molkerei Scheitz, hält den Einsatz von Bio-Steviolglykosiden in Bio-Produkten für in Ordnung: „Wir halten es für richtig, dass Lebensmittelzusatzstoffe nur äußerst zurückhaltend zugelassen werden. Es spricht jedoch nichts dagegen, ein wirkliches Bio-Steviolglykosid als schlichten Pflanzenextrakt für Bio-Produkte zuzulassen.“ Aber mit noch geringeren als den durch die EU empfohlenen ADI-Werten für konventionelle Produkte. „Die dort vorgesehene und zugelassen Süße liegt deutlich über dem, was wir für Bio-Produkte für sinnvoll halten.“

Die Mehrheit der deutschen Bio-Hersteller spricht sich jedoch gegen eine Zulassung von Steviolglykosiden aus, so etwa 59 Prozent der Mitgliedsunternehmen des Bundesverband Naturkost Naturwaren ( BNN ) Herstellung und Handel. Auch Bio-Pionier Dr. Franz Ehrnsperger, Inhaber der Neumarkter Lammsbräu , lehnt Steviolglykoside in Bio-Lebensmitteln ab. „Schon seit Jahren beobachten wir die Entwicklungen rund um Stevia. Für traditionellere Verfahren wie Tees fehlt noch eine rechtlich zuverlässige Basis. Deswegen sehen wir von entsprechenden Produktentwicklungen noch ab, bis die gesetzlichen Grundlagen geschaffen sind.“ Das Potenzial für Stevia sieht Ehrnsperger jedoch auch im Bio-Segment: „Sobald Süßstoffe aus der ganzen Stevia-Pflanze gewonnen werden dürfen, wird sich auch in der Bio-Branche einiges tun.“

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Barbara Scheitz, Andechser Molkerei Scheitz.
Bild öffnen Christian Berentzen, Limuth GmbH
Bild öffnen Werner Schulte, Kuchenmeister
Bild öffnen Karl-Heinz Johnen, Zentis
Bild öffnen Getränkehersteller mit Nase vorn

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