Ihre Mitbewerber beobachten Gustavo Gusto genau. Sogar Oetker-Verantwortliche haben Ihnen Lob ausgesprochen.
Christoph Schramm: Ja, das stimmt. Es ist uns gelungen, uns von etablierten Produkten zu unterscheiden. Wir wollten eine authentische Holzofenpizza schaffen, die wie eine Pizza in einer Pizzeria aussieht und auch so schmeckt. So konnten wir mit unserem Produkt und der auffälligen Verpackung mit witzigen Sprüchen viele Verbraucher überzeugen. Mit einem Umsatz von 140 Millionen Euro im Jahr 2024, rund 15 Prozent mehr als im Vorjahr, wachsen wir stärker als der TK-Gesamtmarkt.
Sie haben vor zwei Jahren ein zweites Werk in Thüringen gebaut. Planen Sie weitere Produktionsstätten?
Ja, wir planen ein drittes Werk. Wir können uns eine Produktionsstätte in unseren bisherigen Vertriebsländern vorstellen, also in der DACH-Region oder in Frankreich oder den Niederlanden. Noch haben wir aber nichts beschlossen. Unser Ziel ist es, kleinere, modulare Werke zu errichten. Wir erwarten, dass wir so flexibler, schneller und nachhaltiger agieren können. Hauptgrund sind die kürzeren Transportwege. Auch Regionalität lässt sich dann sehr wahrscheinlich leichter umsetzen. So bleibt die Wertschöpfung in der Region. Zudem können wir mit einem kleineren Werk einen größeren Teil unseres täglichen Energiebedarfs mit Photovoltaikanlagen decken.
Warum hängen Sie nicht an einem Standort in Deutschland?
Das ist so nicht richtig. Unsere deutschen Standorte sind schließlich Grundstock und Teil unseres bisherigen Erfolgs. Wir halten uns aber offen, auch noch in weitere Vertriebsländer mit kleineren Werken zu expandieren. Eben auch, um die Transportwege möglichst kurz zu halten.
Sind mehrere kleine Werke unterm Strich nicht teurer als ein großes?
Unsere Vision ist es, die Vorteile der Zentralisierung durch fortschreitende Digitalisierung auszugleichen. Wenn uns das gelingt, bekommen kleinere Werke eine ganz neue Bedeutung. Darin sehe ich eine große Zukunftschance.
Finden Sie denn genug Arbeitskräfte?
Wir begegnen dem, indem wir den Automatisierungsgrad angemessen erhöhen und zusätzlich kleinere Werke betreiben möchten. Kleinere Werke bedeuten weniger Mitarbeiter pro Standort. Das macht einiges einfacher. So meine Idee. Selbstredend bleibt dennoch jeder Arbeitsplatz erhalten. Wir suchen sogar ständig weitere Mitarbeiter.
Apropos Automatisierung. Ihre Mitarbeiter formen die Pizzen von Hand. Bleibt es dabei?
Wir setzen viel Handarbeit ein, weil uns die Qualität am Herzen liegt. So sieht jede Pizza etwas anders aus. Handarbeit ist für uns aber kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Wenn wir es schaffen, den Teig mit innovativen Technologien maschinell auszubreiten und die Qualität dabei halten oder verbessern, bin ich bereit dazu. Außerdem sollte natürlich immer unser individueller Pizzeria-Charakter erhalten bleiben. Zusammenfassend würde ich sagen, dass wir wenn, niemals ein Produkt maschinengängig machen, sondern die Maschine produktgängig.
Belegen Sie den Teig auch von Hand?
Eine handbelegte Pizza ist für mich kein Qualitätsmerkmal. Im Gegenteil, maschinelles Belegen ist oft qualitativ besser, weil es gleichmäßiger ist. Nur Pizzen mit empfindlichen Produkten wie Champignons, Blattspinat und Thunfisch belegen wir von Hand.
Wie sieht Ihr Vertriebskonzept aus?
Als wir im Einzelhandel Fuß fassten, mussten wir den Großhandel aus Kapazitätsgründen zurückfahren. Mit dem Werk in Thüringen können wir den Großhandel wieder bedienen. Unser Ziel ist es, Pizza in jeder Form und über alle möglichen Vertriebswege anzubieten, national und demnächst verstärkt auch international. So bauen wir den Vertrieb im Onlinehandel und im Quick Commerce weiter aus und vertreiben seit November einige Pizzen über den österreichischen Online-Supermarkt Gurkerl. Seit Kurzem gibt es drei unserer Pizzen auch bei Billa in der Slowakei. Wir entwickeln uns weg von einer Marke für italienische Produkte hin zu einer Marke, die für Pizza steht. Das schließt den Großhandel, den Endkunden und vielleicht sogar eigene Pizzerien ein. Wir arbeiten an verschiedenen Konzepten.
Mit der Pizza Kürbis Take-Over haben Sie eine ganz neue Variante auf den Markt gebracht. Was folgt als Nächstes?
Als Erstes wird es eine neue Take-Over-Pizza geben, diese kommt schon im März 2025 in den Handel. Alles andere ist noch eine Überraschung. Ich denke auch über gesündere Varianten nach, aber hierfür müssen wir zuerst unser bestehendes Sortiment und unsere Prozesse stabilisieren.
Sie setzen auf Regionalität. Die hat aber ihre Grenzen, oder?
Stimmt, Thunfisch gibt es zum Beispiel nicht im Starnberger See. Wir verwenden stattdessen handgeangelten Thunfisch, der von einer nicht überfischten Art stammt. Zudem ist Beifang ausgeschlossen – aus meiner Sicht die einzige nachhaltige Fangmethode. Des Weiteren wollen wir unsere Wurstwaren beispielsweise auf Produkte von Strohschweinen umstellen, um eine bessere Tierhaltungsstufe zu erreichen. Hierfür haben wir aber keine Partner mit entsprechenden Kapazitäten gefunden. Das Ganze bleibt eine riesige Herausforderung. Wir entsprechen aber schon jetzt dem Industriestandard und haben in den neuen Spezifikationen verankert, dass der Rohstoff möglichst regional gesourct werden soll.
Werden Sie mit anderen Markenherstellern kooperieren und auch mit einer fremden Marke werben?
Klar, das wäre denkbar. Für mich steht aber weniger die Marke im Vordergrund. Wichtiger sind die Qualität, die Transportwege, der Preis und die Anbaubedingungen. Das Gesamtkonzept muss stimmen. Nehmen wir das Beispiel Tomaten: Für mich ist es viel wichtiger, dass sie regenerativ angebaut werden. Ich möchte generell mehr in Richtung regenerativer Anbau gehen, auch wenn die Produktionskosten dadurch leicht steigen. Es geht aber nicht nur um Kosten. Mit dieser Anbaumethode steigen die Artenvielfalt sowie die Nährstoffdichte und der Geschmack der Pizza. Wenn das ein Markenhersteller teilt, kann ich mir eine Kooperation vorstellen.
Werden Sie auch für den Private-Label-
Bereich produzieren?
Wenn die Umstände passen, warum nicht. Der Preis ist hier ein entscheidender Faktor, ebenso die Rahmenbedingungen, wie Offenlegungspflichten. Im Detail habe ich mich damit aber noch nicht beschäftigt. Fakt ist, dass unsere Marke für eine hochwertige Produktion steht. Ich möchte weder minderwertige Pizza verkaufen noch kann ich unser Produkt in einer anderen Verpackung deutlich günstiger vermarkten. Das wäre unseriös. Bisher hatten wir aber noch keine Kapazitäten dafür. Demnächst mit den kleineren Werken wäre es vielleicht eine Überlegung.
Andere Markenhersteller machen häufig Preisaktionen. Gustavo Gusto kaum.
Es ist extrem schwierig, einen Preis, der einmal stark gesenkt wurde, wieder auf ein vernünftiges Niveau zu heben. Nicht der Handel, sondern der Hersteller leidet darunter, wenn ein Produkt in der Preisspirale so weit nach unten gedrückt wird, dass es stirbt. Dann kommt der nächste Hersteller. Genau das wollen wir verhindern.
Wie lautet denn Ihre Preisstrategie?
Wir positionieren uns als Premium-Marke und wünschen uns Menschen, die auch mal 50 Cent mehr ausgeben. Als Konsument möchte ich auch kein Gericht für 1,29 Euro kaufen, nur weil es im Angebot ist. Ich möchte wissen, dass ein echter Wert dahintersteckt.
Welchen Herausforderungen müssen Sie sich noch stellen?
Da unsere Produktion energieintensiv ist, sind Energiepreise ein Thema. Wir arbeiten daran, mehr regenerative Energiequellen zu nutzen, indem wir unseren Photovoltaik-Park ständig erweitern. Mit den künftig kleineren Werken können wir leichter Stromautarkie erreichen. Die größte Herausforderung sehe ich allerdings in unserer Unternehmenskultur. Das schnelle Wachstum erfordert, dass wir unsere Strukturen und Prozesse anpassen, während wir gleichzeitig die Internationalisierung vorantreiben. Das ist eine große Doppelbelastung, aber wir meistern das ganz gut.
Wo möchten Sie in fünf Jahren stehen?
Ich möchte Weltmarktführer sein. Aber jetzt im Ernst. Mir ist es wichtig, dass unsere Marke zu einem Bewusstseinswandel beiträgt, sei es in ökologischer oder sozialer Sicht. Ich bin überzeugt, dass Veränderungen in der Welt nicht von den großen Konzernen ausgehen, sondern von mittelständischen, inhabergeführten Unternehmen, die nicht nur dem Shareholder Value, also dem Aktionärsvermögen, verpflichtet sind. Diese Verantwortung nehmen wir ernst. So haben wir uns zum Beispiel zu Corona-Zeiten für die Gastronomie eingesetzt, haben vier ukrainischen Flüchtlingsfamilien Unterkunft und Jobs geboten und drei große Spendenlagerverkäufe organisiert. Zudem pflanzen wir jährlich rund 100.000 Bäume.
Welchen Appell haben Sie an den Handel?
Bei Preisverhandlungen machen große Handelspartner oft keinen Unterschied, ob ein Unternehmen noch im Aufbau ist oder ob sie mit einem etablierten Konzern verhandeln. Ich würde mir hier mehr Differenzierung und Verständnis wünschen. Es wäre schön, wenn Handel und Hersteller respektvoller und auf Augenhöhe miteinander umgehen.