Nestlé-Managerin Wie Lea Drusio die Kultur bei Nespresso Deutschland ändert

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Wie Lea Drusio, die neue Marketing-Chefin von Nespresso Deutschland, mit einem vielfältigen Team und flacher 
Hierarchie den Unternehmensblickwinkel weiten will.

Donnerstag, 17. Oktober 2024, 06:00 Uhr
Elena Kuss
Zu den Treibern des Nestlé-Geschäfts im ersten Halbjahr gehörte die Kategorie Kaffee. Bildquelle: Nespresso

Auf dem Sticker, den Lea Drusio an ihren Laptop geklebt hat, steht „You do you“. Frei übersetzt: Geh den Weg, der am besten zu dir passt, und vergleiche dich nicht zu oft. Zum 1. Juli hat die 37-Jährige den Posten als Marketing Director für Nespresso Deutschland übernommen. „Wenn man intern wechselt, fühlt sich der Zeitraum oft sehr viel länger an“, scherzt die Managerin, die zuvor in der Geschäftslei­tung der Tiernahrungssparte von Nestlé tätig war. Die Kaffeekategorie, zu der neben Nespresso auch die Marken Starbucks und Nescafé zählen, gehörte im ersten Halbjahr zu den Treibern des Nestlé-Geschäfts. Trotzdem wird Drusio gegen den Markt-Trend arbei­ten müssen: Der Marktanteil von Kaffeekapseln, Hauptgeschäft von Nespresso, gemessen an der verkauften Menge von Röstkaffee, lag 2023 nach Angaben des Deutschen Kaffeever­bands bei 4,5 Prozent, verglichen mit 4,8 Prozent im Vorjahr.

Die gebürtige Schweizerin war unter anderem beim Marketingun­ternehmen Groupon und der Kölner Agentur Denkwerk beschäftigt, bevor sie 2015 bei der Nestlé-Tochter Purina anfing. Drusio baute den Digitalbe­reich der Tiernahrungssparte auf. 2021 wechselte sie in die Geschäftsleitung und verantwortete dort als Corporate Communications Director Central Europe die Dachmarke, die Unternehmenskommunikation und die Nachhaltigkeitsagenda für die zentraleuropäischen Märkte. „Durch diesen Wechsel hatte ich die größte Lernkurve meiner bisherigen Karriere“, sagt Drusio.

Im gleichen Jahr wurde ihr Sohn geboren. „Mein Chef hat sich damals mit mir über die Schwangerschaft gefreut und mich gefragt, wie es weitergehen soll“, erzählt Drusio. Fünf Monate nach der Geburt begann sie wieder für Purina zu arbeiten. Den Alltag managt Drusio gemeinsam mit ihrem Ehemann, CEO in der Kosmetikbranche.

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Die neue Marketing-Chefin von Nespresso Deutschland steht für Kulturwandel im Unternehmen. Sie strebt 
flache Hierarchien und ein diverses Team an.

Bildquelle: Nespresso

Flache Hierarchien

Drusio steht für Kulturwandel bei Nestlé ein. Durch ihre Stationen beim Berliner Unternehmen Rocket Internet oder der Agentur Denkwerk weiß sie um die Kraft, die sich durch flache Hierarchien entfalten kann. „Menschen auf allen Karrierestufen Einfluss auf die Unternehmensstra­tegie zu ermöglichen, erweitert den Blickwinkel“, ist sich Drusio sicher. „Es ist einfach nicht sinnvoll, wenn, bildlich gesprochen, nur der Kapitän weiß, wo es hingeht.“ Dabei setzt sie auf ein vielfältiges Team, das ihre eigenen Fähigkeiten komplementiert. „Mir ist früh in meiner Karriere klar geworden, dass ich keine Copycats brauche“, so die Managerin.

Dabei habe sie sich vor allem im Loslassen üben müssen. „Ich kann nicht immer der Spezialist sein“, sagt Drusio. In ihrer Rolle bei Nespresso verantwortet sie mehr als 30 Mitar­beiter. Ein Expertenstatus in jedem Bereich sei spätestens bei dieser Mitarbeiteranzahl obsolet.

Drusios Karriere zeigt, dass die von Nestlé propagierte „Gender Balance“ durchaus gelebt wird. Der Anteil der weiblich besetzten Führungspositionen liegt laut Unternehmen bei 46,4 Prozent. Drusio selbst achte als Frau mit Personalverantwortung darauf, dass „immer auch Frauen am Tisch sitzen“. Dabei gehe es weniger um „genug Frauen“ im Sinne einer Quote, sondern darum, immer wieder die Rahmenbedingungen zu überprüfen. Wo kann ich Raum schaffen, um die Rolle für Frauen attraktiver zu machen?

Und so zuckt die Marketingchefin auch eher genervt mit den Schultern, wenn sie auf eine gesetzlich geregelte Frauen-Quote angesprochen wird. „Quoten können immer nur ein Anlass sein, um hinzuschauen, und kein Selbstzweck“, findet Drusio. Die 37-­Jäh­rige beschreibt, dass sie, seit sie Mutter ist, gelassener geworden ist. Aber auch noch effizienter und fokussierter. Es wird schnell klar, dass die Marketingchefin relativ mühelos zwischen den verschiedenen Rollen wechseln kann. Morgens nach dem Aufstehen ist sie Mama und genießt es, gemeinsam mit ihrem Sohn Bilderbücher anzu­schauen. Im Büro in Düsseldorf, dem Nespresso-Hauptsitz in Deutschland, läuft sie mit ihrer Schlüsselkarte um den Hals durch die Gänge und vertieft sich in die Zahlentabellen der Reportings, die sie täglich erhält. Im Büro ist sie nur selten Mutter und umgekehrt.

Wenn Kolleginnen Drusio fragen, und das komme durchaus häufig vor, ob es möglich ist, schon wenige Monate nach der Geburt wieder zu arbeiten, antwortet sie mit „Ja“. Vor­aussetzung seien das Commitment zum Unternehmen und der Wille, die un­terschiedlichen Rollen – in Drusios Beispiel Mutter- und Führungsrolle – auszufüllen. Dass das nur durch viele Privilegien möglich ist, von einer funktio­nieren­den Kinderbetreuung bis hin zu einer gleichberechtigten Aufteilung der Aufgaben zwischen den Elternteilen, ist der Managerin bewusst. „Vorbild ist eigentlich ein Wort, das ich nicht für mich beanspruchen will“, sagt Drusio. Die Nespresso-Marketingchefin sieht sich eher als ein positives Beispiel. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und ihn dann auch gehen. Das Unternehmen kann lediglich den Rahmen bieten.

Lea Drusio blickt auf den Sticker mit der Aufschrift „You do you“: „Die Entscheidung, diese Rolle anzu­neh­men, ist die beste, die ich in diesem Jahr getroffen habe.“ Die „Annäherung“, wie die studierte Medienwissenschaftlerin den Bewerbungsprozess nennt, dauerte Monate. Die Neubesetzung der Stelle war nötig geworden, da Drusios Vorgängerin, Claudia Memminger, nun die Geschäfte von Nespresso Österreich leitet. Die perso­nel­len Optionen dürften üppig gewesen sein, schließlich gilt Nespresso auch über die Branche hinaus als absolute „Love-Brand“.

Markenerlebnis personalisieren

Bei Nespresso sei Drusio auf ein Team getroffen, dem sie vertrauen kann. Es laufe ganz vieles bereits sehr gut. Ein Fakt, der schwierig zu überprüfen ist. Denn genaue Zahlen kennt nur Nespresso. Durch den exklusiven Vertrieb in eigenen Läden und dem Online-Shop wird das Geschäft von der klassischen Marktforschung nicht erfasst. Drusio will das Markenerlebnis personalisieren. Besondere Kaffees wie zum Beispiel der N° 20 aus dem Super-Premium-Segment oder auch Functional Coffees wie der Vivida mit Vitamin B12 sind für die Marketingchefin spannend. Denn Direktvertrieb heißt auch: Veränderungen im Angebot führen zu einer besonders schnellen Rückkopplung. Diese Komplexität und Schnelligkeit reizen Drusio. Auch die Einführung eines neuen Konzepts für die von Nespresso als Boutiquen bezeichneten Filialen ist für die Managerin relevant. Einen Teil ihres Onboardings verbrachte sie im Düsseldorfer Shop, der das neue Konzept bereits testet. Die Anpassungen scheinen notwendig. Innerhalb von sechs Jahren ist die Zahl der Nespresso-Bou­ti­quen um etwa ein Drittel auf 22 Filialen geschrumpft. „Mir ist es nie gut genug“, beschreibt Drusio sich selbst und nennt damit sicher einen Punkt, der auch bei Nestlé tief in der DNA des Unternehmens verankert sein dürfte.