Vegetarisch-veganes Sortiment Mehr als reine Fleisch-Imitate

Vegan-Spezialist Livekindly will seine Marke Like internationaler aufstellen und mit neuartigen Produkten Flexitarier und Veganer überzeugen. Europa-Chefin Anja Grunefeld und Christian Kraus, Head of Sales Europe bei Livekindly, zu den Zielen.

Sonntag, 20. Oktober 2024, 08:00 Uhr
Bettina Röttig
48 Prozent Marktanteil hat Like bei Alternativen zu Geschnetzeltem (NIQ). Bildquelle: Like

Frau Grunefeld, Sie waren zuvor bei Alpro tätig, einer Marke für Milchalternativen, und sind nun in der Fleischersatzbranche tätig. Wie sieht Ihre persönliche Ernährungsweise aus?

Anja Grunefeld: Ich würde mich als klassischen Flexitarier bezeichnen. Ich esse hin und wieder Fleisch, aber in sehr reduzierter Menge. Bei Milchprodukten setze ich auf pflanzliche Produkte, wie Hafermilch im Kaffee und pflanzliche Joghurtalternativen. Meine Arbeit in der Branche hat mich in dieser Hinsicht stark beeinflusst, ohne dass ich dogmatisch werde. Uns als Marke Like ist es wichtig, keine „Du-darfst-nicht“-Botschaften zu senden, sondern eine freie Wahl zu ermöglichen.

Wie oft konsumieren Sie selbst Fleischersatz, eigene und Wettbewerbs-Produkte?

Anja Grunefeld: Zu Hause haben wir etwa viermal pro Woche unsere Produkte auf dem Tisch. Mein Mann kocht meistens, und wir lieben Gerichte wie Döner und Gyros – natürlich in der pflanzlichen Version. Auch im Büro testen wir regelmäßig unsere Produkte sowie die unserer Mitbewerber. Es finden häufig Verkostungen statt, besonders freitags, um neue Entwicklungen zu bewerten und Verbesserungen zu testen.

Herr Kraus, wie sieht das bei Ihnen aus?

Christian Kraus: Meine Vergangenheit bei Alpro hat meine Ernährung ebenfalls geprägt. Ich habe Milchalternativen kennengelernt und nutze sie bis heute. Zuhause habe ich immer ein Päckchen pflanzliche Milch im Kühlschrank. Meine Frau ist Vegetarierin, daher gibt es bei uns ohnehin sehr selten Fleisch. Ich finde die Vielfalt unserer Produkte, besonders die „Chunks“, äußerst spannend. Für meine Arbeit heute muss ich sagen, dass die eigenen Kids immer ein ganz guter Gradmesser dafür sind, wie gut Produkte sind.

Frau Grunefeld, seit April verantworten Sie das Europageschäft. Welche konkreten Ziele haben Sie sich gesteckt?

Anja Grunefeld: Das Europageschäft war aus der Historie eher ein dezentral geführtes Geschäft was sehr gut funktioniert hat aber in Sachen Visibilität und Kommunikation noch Raum zu Optimierung bietet. Daher haben wir im ersten Halbjahr 2024 eine europäische Struktur installiert , um Synergien und Effizienzen zu heben.

Herr Kraus, wie wollen Sie in der DACH-Region und in anderen Märkten Wachstum generieren?

Christian Kraus: Unser Ziel ist es, die in Deutschland sehr starke Marke Like international bekannter zu machen. In Ländern wie Großbritannien gibt es noch viel Potenzial. Wir wollen ein klareres Markenbild schaffen und unsere Produkte auch in anderen Märkten, die bisher von anderen Playern dominiert werden, erfolgreich positionieren.

Anja Grunefeld: Wie Herr Kraus schon sagte, geht es darum Potentiale in anderen Regionen zu heben und da macht es Sinn, die Produkte und Marken auch geografisch weiter zu distribuieren. Nach dem Motto Stärke deine Stärken. Wir sind Marktführer im Segment „Chunks“ in Deutschland und wollen dies in andere Regionen übertragen.

Was heißt das in Zahlen? Wie viel Wachstum haben Sie sich konkret vorgenommen?

Christian Kraus: Für Europa haben wir uns ein jährliches Umsatzplus von 10 Prozent vorgenommen. Für die nächsten drei bis fünf Jahren haben wir einen Umsatz von 150 Millionen Euro anvisiert. Das zeigt unsere Ambitionen.

Anja Grunefeld: Dabei ist uns wichtig, dass wir uns kein Wachstum kaufen mit riesigen Budgets für Kommunikation und Marketing.

Viel investiert haben Sie in den vergangenen Jahren mehrfach in die Anpassung von Rezepturen und Verpackungen. Was bringen die häufigen Veränderungen?

Anja Grunefeld: Wir sind in einer jungen Kategorie und ich glaube, wenn man aufhört, agil zu sein, dann hat man in der Kategorie schon ein Problem. Wir sind eine sehr junge Marke und haben eine sehr junge Zielgruppe, und die muss man auch immer wieder abholen. Die jungen Leute erwarten auch Erneuerung.

Was heißt das für die Produktstrategie?

Anja Grunefeld: Innovation und neue Produkte ans Regal zu bringen ist ein Kernelement, um das Kategoriewachstum nach vorne zu treiben. Unser Sortiment bleibt bestehen, aber wir wollen auch neue Konzepte entwickeln, die nicht den Vergleich mit Fleischprodukten suchen und als Alternative abgestempelt werden. Wir haben uns dazu entschlossen, den Fokus noch stärker auf pflanzliche Produkte zu legen, die eigenständig sind und nicht nur Fleisch imitieren. So haben wir die Marke von Like Meat in Like umgewandelt, um auch flexibler zu sein. Wir müssen ja gar nicht aufhören, wo wir stehen.

Können Sie Beispiele geben für neuartige pflanzenbasierte Produkte?

Anja Grunefeld: Hierzu müssen wir noch bis zum nächsten Jahr vertrösten. Was ich bereits verraten kann: Wir launchen ein kleines Frozen-Sortiment noch in diesem Jahr. In Deutschland ist Fleischersatz im Tiefkühl-Segment noch eine Nische. Wir sehen hier jedoch Wachstumschancen, gerade Familien mit Kindern können sich so gut bevorraten.

Die Branche tendiert mehr zum Clean-Label-Ansatz. Wie weit sind Sie hier?

Christian Kraus: Die größte Herausforderung liegt darin, Geschmack und Textur der Produkte zu perfektionieren, ohne Kompromisse bei der Natürlichkeit einzugehen. Clean Label ist zwar ein großes Ziel, aber es darf nicht dazu führen, dass die Produkte geschmacklich abfallen. Methylzellulose steht oft in der Kritik. Ob berechtigt oder nicht, die Wahrnehmung ist eben negativ und darauf müssen wir reagieren. In Chunks nutzen wir keine Methylcellulose, für Burger beispielsweise ist es noch schwierig, darauf zu verzichten. Die Textur muss stimmen, damit die Verbraucher auch tatsächlich überzeugt sind und wieder zugreifen.

Anja Grunefeld: Es wird in Zukunft meiner Meinung nach aber nicht nur um das Weglassen gehen. Nach Protein werden sicherlich Ballaststoffe ein Zukunftsthema für das Plant-Based-Segment sein.

Wo sehen Sie darüber hinaus Wachstumschancen? Was ist mit Handelsmarken?

Anja Grunefeld: Wenn man eine Fabrik hat, muss man auch auf die Kosten gucken. Wir produzieren natürlich auch für andere, um für gute Auslastung zu sorgen. Wenn wir sagen, wir haben eine ambitionierte Wachstumsstrategie, dann ist es natürlich auch wichtig, die Produkte soweit wie möglich zu distribuieren. 

Wie viel steuert das Private-Label-Geschäft aktuell zum Umsatz bei?

Anja Grunefeld: Aktuell noch nicht viel.

Sie hatten mit der Farbe Schwarz ein Alleinstellungsmerkmal im Regal. Nun übernehmen immer mehr Marken diese Farbe. Verlieren Sie Awareness?

Christian Kraus: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Die dunkle Farbe wurde im Regallicht oft „verschluckt“, vor allem in den Regalen ohne automatische Vorschubsysteme. Wie Sie bereits festgestellt haben, ist die Gefahr groß, kopiert zu werden. Daher haben wir die Farbe Schwarz reduziert, den Produktabbildungen mehr Raum auf den Verpackungen gegeben und ein klares Markenfeld geschaffen. Durch die neue Verpackung haben wir im Regal jetzt eine viel stärkere Präsenz, und die Produkte „knallen“ regelrecht heraus – was insbesondere in einer jungen und dynamischen Kategorie wie unserer extrem wichtig ist.

Anja Grunefeld: Wir haben auch festgestellt, dass eine klare Sortimentsstruktur sehr wichtig ist. Daher haben wir unsere Produktlinie farblich neu sortiert, um den Konsumenten eine einfachere Orientierung zu ermöglichen. Dies erleichtert es, verschiedene Produkte sofort zu erkennen und zu verstehen, zu welcher Kategorie sie gehören – sei es Gyros, Döner oder unsere neuen Beef-Alternativen.