Raus aus der Billig-Schiene Wie die Kaffeeindustrie von neuen EU-Verordnungen profitieren kann

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Gleich drei EU-Verordnungen treffen die Kaffeebauern. Das kostet in einem ohnehin schon angespannten Markt Zeit und Ressourcen. Warum die Gesetze trotzdem vor allem eine Chance sind.

Dienstag, 27. August 2024 - Sortimente
Elena Kuss
Artikelbild Wie die Kaffeeindustrie von neuen EU-Verordnungen profitieren kann
Bildquelle: Statistisches Bundesamt

Wenn der Rohstoff günstiger oder teurer wird, wird mit zeitlichem Abstand üblicherweise auch das Endprodukt günstiger oder teurer. Kaffee scheint die große Ausnahme zu sein. Die Preise für Arabica- und Robusta-Rohkaffees sind auf Rekordhöhe. Klimabedingt werden auch weiterhin schlechte Ernten erwartet. Eine Entspannung der Rohstoffsituation ist unwahrscheinlich. Kosten für Frachten, Packmaterial, Energie und Personal sind gestiegen. Und trotzdem ist der Verbraucherpreisindex für Kaffee nach einem Anstieg im Februar 2023 im Juni 2024 auf das Niveau von vor zwei Jahren gesunken.

Kaffeepreise

Ein bedenkliches Ergebnis, wenn man berücksichtigt, dass Kaffeebohnen von Menschen ange­baut werden, deren Lebenskosten durchaus einer Inflation unterliegen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Preise am Regal weiter steigend entwickeln werden“, sagt Benjamin Drösel, Mitglied des Vorstands von Fairtrade, verantwortlich für Vertrieb und Marketing.
Aktuell scheint es jedoch eher so zu sein, dass die Röster lieber auf ihre Marge verzichten.

So teilt der Kaffeeröster Lavazza auf LP-Anfrage mit: „In dieser Situation haben wir uns entschieden, die Preiserhöhungen für unsere Produkte nicht vollumfänglich weiterzugeben.“ Bei gleichbleibend hoher Qualität habe das Unternehmen auf einen Teil der Rentabilität verzichtet.

Wertigkeit

Die Hersteller haben es versäumt, dem Verbraucher gegenüber höhere Preise plausibel zu begründen, findet Drösel. Deshalb seien die neuen EU-Verordnungen, auch wenn Nachbesserungsbedarf bestehe, langfristig vor allem eine Chance. Das EU-Lieferkettengesetz ist seit dem 25. Juli 2024 in Kraft. Dazu kommt die EU-Entwaldungsfrei-Ver­ordnung, deren Übergangsfrist am 30. Dezember 2024 endet, und die EU-Öko-Verordnung, die ab dem 1. Januar 2025 gelten soll. Alle drei Verordnungen treffen die Kaffeebauern.

Neuerungen für Kaffeebauern

Die EU-Entwaldungsfrei-Verordnung (EUDR) umfasst Nachweispflichten per Geodaten: Die Erhe­bung dieser Daten kostet Geld. Dafür bedarf es Personal, Technik und Logistik. Fairtrade fordert vor allem mehr Zeit und Ressourcen für die Kaffeebauern, um diese Daten stimmig zu erheben.

Die EU-Öko-Verordnung regelt die Einfuhr von Bio-Produkten in die EU neu. Die Verordnung verlangt etwa, dass Bio-Erzeugergemeinschaften nur noch maximal 2.000 Mitglieder haben und diese nicht mehr als 25.000 Euro Bio-Umsatz erzielen dürfen. Zudem soll die Anbaufläche auf fünf Hektar begrenzt werden und Bio-Anbau darf nicht mehr neben konventioneller Erzeugung in einer Kooperative erfolgen. „Das ist das Gegenteil von dem, wohingehend wir die Kaffeekooperativen beraten haben. Nämlich: Tut euch zusammen, um mehr Wertschöpfung zu erzielen“, betont Drösel. Die Untersuchung von Bio-Ware auf Rückstände vor der Einfuhr in die EU ist ebenfalls nur möglich in Ländern, die über eine Laborinfrastruktur verfügen. Auch hier müssen die Anforderungen des EU-Bio-Rechts laut der Organisation Fairtrade angepasst werden.

Das EU-Lieferkettengesetz muss auf Unterneh­mensseite angedockt sein. Die Händler müssen vor allem ein Risikomanagement installieren. In welchen Lieferketten habe ich welches Risiko? Wie kann ich Abhilfe schaffen? „Da kann es helfen, Projekte im Ursprung umzusetzen, um diesen Risiken vorzubeugen“, sagt Drösel. Aber auch für diese EU-Vorgabe müssen alle Beteiligten der Lieferkette mehr dokumentieren und berichten.

Zahlungsbereitschaft

Immer wieder versuchen Kaffeeunternehmen, die Wertschöpfung in Deutschland zu erhöhen. Ob durch Preiserhöhungen wie Tchibo oder Rezeptanpassungen wie beim Hersteller Jacobs, der nun auf 100 Prozent Arabica-Bohnen setzt und für seine „Krönung“ zum ersten Mal auf Robusta verzichtet. Die Chance in den neuen EU-Gesetzen liegt darin, sich endlich aus der Billig-Schiene zu befreien. „Es gab Zeiten, da haben Kaffeeröster allein auf ihren Markennamen gesetzt, um sich zu positionieren. Diese sind vorbei“, sagt Drösel. Deshalb brauche es einen Anker für den Verbraucher. Die großen Konzerne wie Tchibo und JDE Peet’s setzen auf eigene Programme für nachhaltigen Kaffee. Fairtrade agiert mehr und mehr als Berater. Dass das Siegel durchaus das Vertrauen der Verbraucher genießt, zeigt sich unter anderem darin, dass der Umsatz mit Kaffee aus fairem Handel laut Branchenverband Forum Fairer Handel im vergangenen Jahr um 16 Prozent gestiegen ist.

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