Flexible Designs Wie Händler Nonfood-Saisonartikel länger im Sortiment halten

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Saisongeschäft ist Impulsgeschäft. Das bietet die Chance, Preise zu heben und Margen zu steigern. Nach der Pandemie wächst weiterhin das Geschäft mit Outdoorartikeln. Jetzt ist die Zeit der Zweitplatzierung.

Mittwoch, 14. August 2024 - Sortimente
Manuel Glasfort, Jens Hertling, Matthias Mahr
Artikelbild Wie Händler Nonfood-Saisonartikel länger im Sortiment halten
Bildquelle: Getty Images

Kaufanlässe kurbeln im Handel Impulskäufe an. Im sogenannten Saisongeschäft werden Weihnachten und Ostern schon seit Jahren durch Valentinstag, Muttertag, Halloween sowie unter anderem den Black Friday erweitert – um nur ein paar der gängigsten Anlässe zu nennen. Besonders die Nonfood-Branche ist auf der Suche nach neuen Themen. Das herkömmliche Geschäftsmodell trägt nicht mehr. Das wöchentlich wechselnde Aktionsgeschäft im Discount und Tchibos geflügelter Satz, der „jede Woche eine neue Welt“ verspricht, sind längst an ihre Grenzen gestoßen. Die Regale und Zweitplatzierungen drehen auch im Lebensmitteleinzelhandel langsamer, und in den Lagern türmen sich nicht nur die Pfannen. Billiganbieter aus Fernost sind konkurrenzlos günstig, die Märkte wirken gesättigt. Der direkte Wettbewerb mit den chinesischen Direct-to-Consumer-Portalen wie Shein oder Temu erscheint ruinös.

Das Saisongeschäft mit Nonfood-Artikeln verspricht hingegen hohe Margen. 50 bis 60 Prozent sind möglich. Diese Höhenflüge kennen die Hersteller und Importeure sowie die Händler in ihrem Segment nur zu diesen fixen Anlässen. An Muttertag und Halloween sitzt der Euro in den Geldbeuteln lockerer, die Verbraucher haben eine erhöhte Zahlungsbereitschaft. Nachteil: Das Zeitfenster für den Verkauf ist gering. Weihnachtsdeko ist nach dem 1. Januar bis zur kommenden Saison unverkäuflich. Und das Lagern bindet Kapital. Nicht nur die großen Discounter sind deshalb vorsichtiger im Einkauf geworden. Hochschullehrer Carsten Kortum betont: „Heute fangen die saisonalen Aktionen zu Weihnachten früher an. Der Handel kauft auch mal weniger Menge ein und nimmt in Kauf, dass die Weihnachtsware schon zu Nikolaus nicht mehr verfügbar ist.“ Konsum und Nutzung fallen inzwischen deutlicher im Zeitverlauf auseinander.

Es geht um temporäre Leistungsartikel

Saison- und Aktionsware sind temporäre Leistungsartikel. Auf Sonderflächen, in der Zweitplatzierung oder in der Kassenzone: Sie versprechen dem Lebensmittelhändler eine impulsgesteuerte Erhöhung des Bons. Was aber dieses Jahr auffällt: Bei Nonfood-Artikeln versuchen Handel und Industrie, durch geschickt gewählte Designs die Saison- und Aktionszeiträume gezielt zu verlängern. Wenn die Brotdose keine kindlichen Dekorationen trägt, kann sie auch über das Thema Schulanfang hinaus auf abverkaufsstarken Flächen im Markt angeboten werden. Dann geht sie in den Rucksack und nicht in die Schultüte.

Made in Germany wieder gefragt

Ein Newcomer auf den LEH-Flächen ist das hessische Unternehmen Koziol. Susanne Karst, Senior Key Account Managerin DACH Collection, betont: „Wir testen und probieren aus und sind offen, mit dem Handel neue Wege zu gehen. Mit unserer eigenen Produktion in Deutschland sind wir sehr flexibel und können auf individuelle Kundenwünsche eingehen.“ Koziol steht mit seinen Produkten für Markenwerte wie Lifestyle, Nachhaltigkeit und preisgekröntes Design. Derzeit steht das Thema Schulanfang in Erbach im Fokus. Nicht nur die aus biozirkulärem Material hergestellten Brotboxen im unverwechselbaren Design machen im Dauersortiment, als Saisonthema oder in der Promotion eine gute Figur. Karst betont: „Saisonaktionen sind wichtig, damit immer wieder relevante Impulse gesetzt werden können. Die Kunden wünschen sich Abwechslung und wollen überrascht werden. So können Spontankäufe generiert werden. Beständige Sortimentsbausteine sind auch wichtig, allerdings finden hier eher die Plankäufe statt. Wir bei Koziol bauen das Thema temporäre Aktionen aus, um damit mehr Vielfalt und Überraschung auf die Fläche zu bringen.“ Sai­sonthemen bleiben gesetzt und wichtig. „Wir stellen jedoch fest, dass die Jahresthemenplanung im LEH mittlerweile fast auf Wochenebene vorgegeben wird und sich diese Kalender immer weniger voneinander unterscheiden“, erhebt die Koziol-Managerin kritisch die Stimme. Dabei könne sich der Handel mit einer originellen Themenwahl vom Wettbewerb absetzen. Sie verweist auf die Sortimentsthemen Meal-Prepping und To go, die perfekte Ergänzungen für die Frische-Abteilung seien. Themen wie Made in Germany und Regionalität ließen sich auch im Nonfood-Bereich attraktiv umsetzen. „Wir haben viele Ideen dazu“, sagt sie im LP-Gespräch.

Im LEH liegt nach wie vor enormes Potenzial im Nonfood-Bereich. Kunden besuchen ihren Markt mindestens einmal pro Woche und können bei jedem Besuch aufs Neue inspiriert werden. Begehrlichkeit entstehe nicht durch den Preis, sondern durch die Einzigartigkeit und die Liebe zum Produkt und zu den Sortimenten, ist Karst überzeugt. „Zum Schulstart könnte ich ein fertig bestücktes Display mit Brotdosen und Trinkflaschen aufstellen. Doch wenn die Kinderlunchbox direkt neben dem Snack-Gemüse platziert wird und der Kunde dazu Ideen für gesunde Pausen­snacks erhält, entstehen ein durchdachtes Konzept und ein spürbarer Mehrwert für den Kunden“, merkt sie abschließend an.

Süßware ist breiter aufgestellt

Anders als Nonfood-Ware kann der Osterhase großer Marken mit einem Preisabschlag auch über die Saison hinaus abverkauft werden. Das gilt auch für die herbstlichen Saisonanlässe in der Süßware, unter denen sich Halloween zu einem der wichtigsten entwickelt hat. Für den Fruchtgummihersteller Trolli ist das Gruselfest Ende Oktober sogar der bedeutendste Saisonanlass, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Beim Absatz von Halloween-Fruchtgummis hat man die Konkurrenz nach eigenen Angaben ausnahmslos hinter sich gelassen. Trolli bedient die Nachfrage mit einer ganzen Palette an speziellen Halloween-Produkten, die stetig erweitert werde. In diesem Jahr kommt die Neuheit „Trolli Tarantula“ hinzu – Fruchtgummi-Spinnen mit dem besonderen Gruselfaktor. Unterdessen bringt der Schweizer Gigant Nestlé zum Herbst eine Sondervariante seines Yes Torty auf den Markt: Der Kuchen-Snack in der Geschmacksrichtung „Lebkuchen Style“ soll ab September erneut für kurze Zeit erhältlich sein, nachdem die Sorte bereits im vergangenen Jahr Anklang bei Verbrauchern gefunden hatte.

74

Prozent der Deutschen machen pro Jahr mindestens eine Wanderung.
Quelle: BTE

5,8

Milliarden Euro Umsatz wurden für den Black Friday 2023 prognostiziert.
Quelle: HDE

60

Prozent der Käufe von Frauen im Nonfood-Discount 
sind impuls­getrieben.
Quelle: Mafowerk 2024

40

Prozent der Deutschen ­haben 2022 mindestens einen ­Halloween-Artikel gekauft.
Quelle: Mintel

Große Bedeutung im Bereich von Snacks

Daniel Kamphausen, Country Manager der Campofrio Food Group Deutschland, betont die Bedeutung von Herbstaktionen. Der Herbst biete ganz eigene, vielfältige Themen, die dem Handel zusätzliche Umsätze bescheren könnten. Bei oft noch schönem, aber nicht mehr ganz so heißem Wetter stehen Outdoor-Aktivitäten wie Wandern bei den Verbrauchern hoch im Kurs, aber auch Themen wie Herbstgerichte, Eintöpfe & Co. werden attraktiv, so Kamphausen. Freek Kaalberg, Trade Marketing Manager Emea bei Jack Link’s, unterstreicht die Bedeutung von Herbstpromo­tions: „Nach der Sommersaison ist der Herbst eine wichtige Zeit, um mit unseren Händlern PoS-Promotions zu organisieren, die den Schulanfang und Outdoor-Aktivitäten unterstützen. Auch für die Kategorie Fleischsnacks ist der September ein saisonaler Höhepunkt.“

Bernd Semelink, verantwortlich für den Vertrieb des polnischen Herstellers Tarczynski in Deutschland, betont, dass der Herbst eine wichtige Jahreszeit sei, da die Verbraucher nach der Urlaubssaison wieder in den Alltag zurückkehren und vermehrt zu Hause essen würden. „Das bedeutet, dass sie wieder häufiger Lebensmittel einkaufen. Es ist auch die Zeit, in der sie neue Dinge ausprobieren, die sie nicht nur zu Hause, sondern auch noch im Freien genießen.“

Auch für Tegut-Filialleiterin Ute Lüddecke in Erfurt sind die Herbstaktionen von großer Bedeutung. Wichtig sei, dass der Handel reagiere, denn er habe die Initiative bei der Kundenansprache, so Lüddecke. Sie hat bereits gehandelt: „Für uns ist der Sommer vorbei. Spätestens Anfang August muss alles für die Herbstaktionen stehen.“

Industrie unterstützt Abverkauf

Bei der Vorbereitung der Aktionen sollten die Einzelhändler laut Kaalberg Werbeprospekte und digitale Konzepte nutzen, um die Kundenfrequenz in den Geschäften zu erhöhen. Olaf Hakenbeck, Vertriebs- und Marketingleiter beim Hersteller Houdek, empfiehlt Aktionen mit einem klaren thematischen Fokus. So werden Impulse gesetzt und die Verbraucher direkt auf den Geschmack gebracht. Das kann laut Hakenbeck eine Kochpromotion mit Eintöpfen in der stürmischen und langsam kälter werdenden Jahreszeit sein, aber auch Themen wie Wandern oder das Oktoberfest böten sich an. Nach Aussagen von Daniel Kamp-
hausen braucht der Handel attraktive Aktionsthemen, verbunden mit einer aufmerksamkeitsstarken Umsetzung im Markt. Dabei spiele nicht nur der Preis eine Rolle. Auch eine gute Sichtbarkeit und eine attraktive Platzierung können den Verbraucher zum Kauf animieren. Bei einer positiv wahrgenommenen Zweitplatzierung ist die Kaufwahrscheinlichkeit viermal höher als bei Standardplatzierungen, wie der GfK-Studie Zweitplatzierungen von 2020 zu entnehmen ist.

Campofrio fördert den Abverkauf seiner Dauerwurstspezialitäten mit Aufklebern auf den Verpackungen. Diese verweisen auf ein Gewinnspiel, passend zum Thema Wandern. Auffällige Zweitplatzierungen mit Aktionsaufklebern und eine digitale Kampagne mit 15 Millionen Kontakten sorgen für zusätzliche Aufmerksamkeit. Die Marke Bifi wird weiterhin mit einem TV-Spot unterstützt und digital beworben. Außerdem berät der Außendienst von Jack Link‘s bei der Platzierung von Fleischsnacks. „Im August startet Bifi mit einer aufmerksamkeitsstarken Back-to-School-Kampagne, bei der die Shopper eine Lunchbox für unterwegs erhalten“, so Kaalberg.

Wandern passt zu Herbstaktionen

Wandern ist eine Sportart, mit der viele Deutsche ihre Freizeit verbringen. Nach einer Studie zum Wanderverhalten des Büros für Tourismus- und Erholungsplanung (2023) gehen 74 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Jahr wandern.

„Wandern war und ist ein Top-Freizeittrend“, sagt Jens Lönneker, Trendforscher und Geschäftsführer von Rheingold Salon (siehe auch Interview). Handel und Industrie haben sich darauf eingestellt. Grundsätzlich passiere schon viel, so Lönneker. Aber unter dem Stichwort „Erde“ könne man noch mehr denken: Spannend findet er zum Beispiel, wie viele essbare Wildpflanzen es gibt, die viele gar nicht kennen und an denen die Menschen beim Wandern achtlos vorbeigehen. „Das Wandern bekommt einen ganz anderen Charakter, wenn man mehr darüber weiß“, sagt Lönneker. Eine Empfehlung, welche Sortimente der Händler mit „Outdoor“ bestücken könnte, gibt der Trendforscher nicht. Hier sollte sich jeder Händler vor allem an seinem Kernsortiment und seiner Kundschaft orientieren, so Lönneker.

Interview mit Meinungsforscher Jens Lönneker

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