Brot und Backwaren „Der Gutsherr hat ausgedient“

Personalmangel in Backstuben und Verkaufsfilialen: Es sind Ideen gefragt beim Verband Deutscher Großbäckereien. Zu den Lösungen zählen Qualifikation, Automatisierung und neue Arbeitsmodelle.

Freitag, 17. November 2023 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild „Der Gutsherr hat ausgedient“
Bildquelle: Mirco Moskopp

Der Gesamtumsatz 2021 mit Brot und Backwaren (ohne Dauerbackwaren) betrug 20,7 Milliarden Euro. In dem Jahr waren von den insgesamt 9.981 Betrieben 330 sogenannte Großbetriebe (Umsatz zwischen 10 und 230 Millionen Euro jährlich) – das sind 3,3 Prozent Marktanteil. Ungleich größer ist der Marktanteil, wenn es um den Umsatz im Gesamtmarkt geht: Die 330 Betriebe stehen für 60,8 Prozent. Diese Zahlen nannte Prof. Dr. Ulrike Detmers, Präsidentin des Verbandes Deutscher Großbäckereien (Quelle: Check Up Back.Business 8/2023). „Damit übernehmen Großbäckereien eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln“, sagte sie.

Die Bundesnetzagentur zählt den Bereich Herstellung von Brot und Backwaren zu besonders schützenswerten Produktionsbereichen. Gleichwohl gab es bei der Jahrespressekonferenz in Gütersloh auch einige andere Themen, die die Branche fordern.

Salz bei unverpackter Ware reduzieren
„Wir sind Pioniere bei der Salzreduktion“, sagte Detmers mit Blick auf die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten. Freiwillig hatten sich die im Verband organisierten Mitglieder dazu verpflichtet, bis Ende 2025 einen durchschnittlichen Wert von 1,1 Prozent Salzgehalt pro 100 Gramm Brot anzustreben. Viele Mitgliedsunternehmen hätten dieses Ziel schon erreicht oder unterböten es sogar, sagte Detmers. Über das gesamte Sortiment verpackter Backwaren dürfte der Salzgehalt pro 100 Gramm Fertigprodukt nach Schätzung des Verbands bei 1,2 bis 1,3 Gramm liegen.

Dank der „stillen Reformulierung“, also dem schrittweisen Verzicht auf Salz über einen längeren Zeitraum, habe sich der Endverbraucher an den salzärmeren Geschmack gewöhnen können.

Das Thema ist nicht abgeschlossen. Nun geht es auch um die unverpackte Ware, also Produkte, die die im Verband organisierten Liefer- und vor allem Filialbäckereien herstellen und vertreiben. Hauptgeschäftsführer Armin Juncker: „Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat deutlich gemacht, wie wichtig ihm dies ist. Und diesmal muss auch das Bäckerhandwerk mit ins Boot.“ Dieses hatte sich ausdrücklich gegen eine von oben verordnete Salzreduktion ausgesprochen. Salz sei unverzichtbar, sorge für Volumen, Geschmack und Verträglichkeit. Tenor beim Treffen in Gütersloh: Die backende Industrie hat gezeigt, dass es geht.

Nutri-Score: Feilen an Rezepturen
Seit 2022 wird der Algorithmus dieser Nahrungskennzeichnung überarbeitet. Laut Detmers gehe es darum, Vollkornbrote und Brote aus raffiniertem Mehl besser zu differenzieren. „Ballaststoffe werden nur noch mit Werten ab 3 Gramm pro 100 Gramm Brot positiv berechnet.“ Vor allem Toast- und Weizenbrote könnten abgestuft werden. Deutlich negativer wird zudem der Salzgehalt bewertet.

Personal binden und neues finden
Personalmangel bei sinkender Qualifizierung der Nachrückenden: Es ist ein dickes Brett, das die Betriebe der backenden Branche vor sich haben. Ulrike Detmers zählte daher „Personalbeschaffung, -bindung und -entwicklung zu den Hauptaufgaben“. Hauptgeschäftsführer Armin Juncker: „Es fehlen Zehntausende, vor allem in den Filialen.“ Laut Statista.de waren 2022 etwa bei den Fachverkäufern im Lebensmittelhandwerk fast 44 Prozent der Ausbildungsplätze nicht besetzt. Bei den Bäckern war es rund ein Drittel. „Wer heute keine Ausbildung macht, der ist morgen auch keine Fachkraft“, sagte Juncker. Der Verband setzt auf die Förderung der Mitarbeiter durch Weiterbildung und -qualifizierung. Detmers nannte die Gruppe der Berufsrückkehrerinnen, die stärker in den Fokus rücken sollten, sowie „Migranten mit einer echten Bleibeperspektive“. Automation könne schwere Arbeiten erleichtern. Diese erfordere jedoch hohe Investitionen der Betriebe, die nur bei einer auskömmlichen Umsatzrendite von 5 bis 10 Prozent geleistet werden könnten.

Das Recruiting ist nicht einfach: Wochenend- und Nachtarbeit sowie schwere körperliche Arbeit schrecken viele ab. Laut Armin Juncker können Lösungen auch „nicht immer bei mehr Geld gesucht werden. Wer heute etwa mit starren Arbeitszeiten kommt, der verliert.“

Gefragt ist laut Detmers eine New-Work-Kultur: „Der Gutsherr hat ausgedient.“ Stattdessen: Partnerschaftlichkeit und flache Hierarchien. Arbeit werde heute verbunden mit Freiheit der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort: Vier-Tage-Woche, 30-Stunden-Woche, neue Arbeitsformen. Und: „Wir brauchen eine neue Familienpolitik in den Unternehmen.“

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