Benebelung Mehr Frische versprühen

In der Obst- und Gemüseabteilung ist Frische das A & O. Ob hier eine Benebelungsanlage sinnvoll ist oder nicht, daran scheiden sich die Geister. Die LP hat sich bei Praktikern umgehört.

Donnerstag, 09. November 2023, 19:09 Uhr
Hedda Thielking
Artikelbild Mehr Frische versprühen
Bildquelle: Contronics Dry Misting

Längere Frische, geringerer Arbeitsaufwand, weniger Abschriften und mehr Umsatz – das sind die Vorteile, die eine Benebelungsanlage in der Obst- und Gemüseabteilung verspricht. Hält sie die Versprechen? „Bei guter Ausführung, passender Schulung des Personals und mit der richtigen Technik bieten Befeuchtungssysteme sehr effiziente Möglichkeiten, um die Lagerbedingungen für frische Obst- und Gemüseprodukte zu optimieren“, nennt Dr. Svea Pacyna-Schürheck, Geschäftsführerin der Landgard Obst & Gemüse GmbH & Co. KG, einen Vorteil. So könne der Handel zum Beispiel die Qualität der Produkte erhalten, ihr Store Life verlängern, Verpackungen gegebenenfalls reduzieren und so insgesamt einen Beitrag für die Lebensmittelerhaltung leisten.

Zum Standard gehört solch eine Anlage in den Märkten jedoch nicht. Edekaner Sven Stiegler beispielsweise hält gar nichts davon. Er sagt: „Wir legen Wert auf geballte Frische im Regal und zielen auf den schnellen Abverkauf regionaler Ware, die nur kurze Wege hinter sich hat. Des Weiteren vermeiden wir hohe Lagerbestände.“ Er ergänzt: „So eine Anlage ist mit hohen Kosten verbunden. Und skeptische Verbraucher fragen sich vielleicht: Warum wird die Ware benebelt? Ist sie etwa nicht frisch?“

Keine Benebelung bei Rewe
Die Rewe setzt Techniken wie Benebelungs- beziehungsweise Befeuchtungsanlagen sowie Kühlungen in Obst- und Gemüse-Abteilungen seit 2017 nicht mehr ein, teilt ein Rewe-Sprecher der LP mit. Das gelte für Filialisten wie für selbstständige Kaufleute, es sei denn, einer dieser Händler betreibt noch eine alte Anlage. Gründe seien unter anderem der hohe Wartungsaufwand, die Möglichkeit der Wartung nur außerhalb der Öffnungszeiten sowie der hohe Energie- und Wasserverbrauch.

Frische Märkte Rees mit Anlage von Areco
Diese Kritikpunkte kann Michael Rees, Inhaber von neun Rees Frische Märkten zwischen Karlsruhe und Freiburg, nicht nachvollziehen. Inspiriert durch die Messe Euroshop hat der Edekaner mittlerweile sieben Märkte mit einem Gerät des französischen Herstellers Areco ausgestattet. Dieser empfiehlt das System für alle unverpackte Blattgemüse wie Spinat sowie beispielsweise für Zucchini, Kohl, Fenchel, Spargel, Artischocken, Feigen, Auberginen, Rüben, Bananen, Ananas, Rote Beeren und Zitronen. Die Ware sollen bis zu zwei Tage länger frisch bleiben.

In den Rees Frische Märkten werden jeweils ein etwa sieben Meter langes Wandregal mit Obst und Gemüse benebelt. „Für topfrische Produkte wie Salate, Radieschen, lose Kräuter und Bundmöhren ist das System perfekt, da sie sonst sehr schnell austrocknen“, ist der Händler überzeugt. Er ergänzt: „Wir können mehr Ware auf einmal präsentieren, müssen nicht mehr so oft nachfüllen, sparen Zeit und Wege und differenzieren uns vom Wettbewerb.“ Über Nacht räumen Mitarbeiter die Ware trotzdem ins Kühlhaus und stellen die Benebelung aus. „Sie ist dort doch noch besser gekühlt. Und morgens müssten wir sie ohnehin ausräumen, weil die frische Ware nach unten kommt“, erläutert Michael Rees.

Technische Voraussetzungen und Kosten
Für die Installation ist je ein Kaltwasser-, Abwasser- und Stromanschluss erforderlich. Das Wasser durchläuft ein Filtersystem, bestehend aus einem Osmosefilter und einer UV-Lampe, wo es ohne Chemieeinsatz keimfrei gemacht wird. Danach wird es durch eine hohe Frequenz in einen Nebel verwandelt. Dieser wird durch Öffnungen in einem Rohr, das über dem Regal angebracht ist, versprüht. In diesem Bereich beträgt die Luftfeuchtigkeit 
90 Prozent, das Obst und Gemüse wird jedoch nicht nass. „Man kann auch Bereiche aussparen, die nicht benebelt werden sollen (zum Beispiel verpackte Ware), indem man die Rohröffnungen mit einem Propfen verschließt“, informiert Michael Rees.

Der Kaufmann hat je Gerät etwa 8.000 Euro bezahlt. Und der Wartungsaufwand? „Wir müssen einmal wöchentlich die Rohre von innen mit einer Bürste und einem Reinigungsmittel, wie sie im Edelstahlbereich an den Frischetheken eingesetzt werden, reinigen. Das dauert etwa eine halbe Stunde. Der Hersteller wartet die Anlagen zweimal im Jahr“, informiert Michael Rees. Dieser Service kostet je Gerät jährlich rund 1.200 Euro. Der Wasserverbrauch beträgt laut Areco etwa drei Liter je Stunde, der Stromverbrauch 0,34 Kilowatt je Stunde.

Edeka Berger mit Anlage von Contronics
Frank Berger hat seinen Edeka-Markt in Pforzheim-Huchenfeld vor zwei Jahren modernisiert und in dem Zuge eine Benebelungsanlage des niederländischen Herstellers Contronics installieren lassen. Damals war es ihm wichtig, möglichst wenig Obst und Gemüse in Plastikverpackungen zu präsentieren und mit dem Sprühnebel für eine längere Frische zu sorgen. Der Kaufmann nutzt zwei Module für ein 7,40 Meter langes Wandregal und je ein Modul für zwei 3,60 Meter lange Inseln. Anschaffungskosten: insgesamt 35.000 Euro. In diesem Bereich platziert er Paprika, Karotten, Tomaten, grüne Salate, Kräuter und Bio-Ware. Peter van Rijn, Country Manager Deutschland bei Contronics, er­gänzt: „Im Prinzip können alle Obst- und Gemüsearten benebelt werden. Für Kartoffeln oder Zwiebeln ist sie aber nicht nötig.“ Verpackte Ware sollte man besser nicht benebeln. Die Obst- und Gemüse-Ver­luste reduzieren sich um 25 bis 40 Prozent, die Rückgewinnung des Kaufpreises erfolgt etwa innerhalb eines Jahres – so die Angaben von Contronics.

Technologie: Dry Misting
Auch bei diesem System wird das Wasser durch ein Filtersystem keimfrei gemacht. Aus dem gereinigten Wasser entsteht mithilfe einer Ultraschallbefeuchtung (Dry Misting) ein feiner Nebel. Dadurch wird die Luftfeuchtigkeit von 40 bis 50 Prozent auf 85 Prozent erhöht und die Umgebungs­- temperatur um 4 bis 5 Grad Celsius gesenkt. Frank Berger: „Die Funktionalität dieser Anlage ist genial. Sie läuft rund um die Uhr 365 Tage im Jahr. Die Benebelung hält die Ware länger frisch, ohne dass sie nass wird.“ Den Frischevorteil habe man vor allem bei „harter“ Ware und bei Produkten, die man nicht so schnell umschlägt. Und: „Wir müssen uns um nichts kümmern und nichts reinigen. Der Wartungsdienst kommt einmal im Jahr und wechselt die Geräte aus, fertig. Das kostet etwa 4.000 Euro.“

Die laufenden Kosten für die Anlage seien laut Hersteller moderat. Im Durchschnitt verbraucht das System ein paar Liter Wasser und 200 Watt Strom pro Stunde. Zudem sei sie je nach Witterung und Außentemperatur selbst regulierend. Und mithilfe eines Überwachungssystems kann der Hersteller aus der Ferne Fehler analysieren. Falls die Wasserqualität einmal nicht stimmen sollte, schaltet die Anlage selbstständig ab.

"Die beste Frische ist immer noch der schnelle Abverkauf. Das ist so. Punkt."
Frank Berger, Inhaber Edeka Berger, Pforzheim

Tipps aus der Praxis
Frank Berger gibt seinen Kollegen noch ein paar Tipps: Die Anlage darf nicht im Eingangsbereich mit Zugluft platziert werden, da der Nebel hier verweht und das System seinen Zweck verfehlt. Des Weiteren sehe das Anlagenkonzept vor, dass die Ware nicht ausgeräumt wird. „Wir machen das aber nicht. Wenn man die Produkte immer nur oben drauflegt, wird sie unten nicht besser. Deshalb räumen wir sie nach wie vor täglich um“, informiert der Kaufmann. Und er rät er davon ab, verpackte Ware zu benebeln, da sich mitunter in der Verpackung Kondenswasser bilden kann, was zur Schimmelbildung beitragen kann.

Keine weiteren Investitionen geplant
Im kommenden Jahr modernisiert Berger auch seine anderen beiden Märkte. Hier wird er aber das Geld für weitere Anlagen nicht ausgeben. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Spanne und Roherträge höher sind, wenn sich das Personal um die Frische kümmert anstatt Maschinen.“

Auch wenn er die Funktionalität nicht infrage stellt, heute würde er sie punktueller einsetzen: „Wer einen Personalmangel hat und möglichst viel Ware präsentieren will, für den macht die Bene­belung Sinn. Wir haben aber immer eine Mitar­beiterin in der Abteilung und verfahren nach dem Prinzip: auffüllen, auffüllen, auffüllen! Den Luxus muss man sich leisten können, er ist aber der größte Frischevorteil.“