Die Folgen des Ukraine-Krieges bestimmen seit anderthalb Jahren die wirtschaftlichen Folgen auch für die backende Branche. Wie gut haben sich die Unternehmen anpassen können?
Prof. Dr. Ulrike Detmers: Die Bundesnetzagentur zählt den gesamten Bereich der Herstellung von Backwaren und Dauerbackwaren zu besonders schützenswerten Produktionsbereichen. Die Branche ist darauf trainiert, sich flexibel anzupassen. Energieknappheit und extreme Verteuerung von Gas und Strom bedrohten Existenz und Zahlungsfähigkeit vieler Gewerbetreibenden. Energieintensive Backbetriebe litten besonders unter explodierenden Energiepreisen. Herbeigesehnt wurde deshalb die Erdgas- und Strompreisentlastung für Haushalte und Gewerbe durch Basiskontingente und gedeckelte Höchstpreise. Die Preisexplosion bei Energie hat eine Investitionswelle in PV-Anlagen und Energiesparmaßnahmen in Unternehmen ausgelöst.
Backen ist energieintensiv: Könnte der Industriestrompreis für den Mittelstand eine Hilfe sein?
Der gedeckelte Preis für Industriebetriebe und damit ein niedrigerer Strompreis stärkt das Geldvermögen, das für die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen lebensnotwendig sein kann. Sowohl die betriebswirtschaftliche als auch die volkswirtschaftliche Leistung, die daraus resultiert, ist immens.
Viele Unternehmen im Verband nutzen den Nutri-Score. Der neue Algorithmus wird wohl einige Brote schlechter bewerten: Wie ist die Stimmung?
Die Wertschätzung von Brot und Backwaren ist insbesondere vor dem Rückgang des Fleischkonsums auf hohem Niveau. Verantwortungsbewusst, wie wir Bäcker sind, konzentrieren wir uns auf die Befriedigung der Nachfrage mit positiver Gemütsverfassung. Die Veränderung beim Nutri-Score betrifft insbesondere Mischbrote und reine Weizenbrote. Vollkornbrote bleiben aufgrund ihres hohen Ballaststoffanteils in der Regel beim Buchstaben A. Gesundheitspolitisch ist beabsichtigt, den Verzehr von Broten und Backwaren mit hohem Ballaststoffanteil zu fördern.
Welche Themen haben Sie sich für Ihre Präsidentschaft im Verband auf die Agenda gesetzt?
Mir ist wichtig, dass der Female Shift, die Auflösung der Geschlechterrollen, in den Köpfen der Entscheider verankert wird. Frauen gehören genauso in die Führungsetage wie Männer. Sie sind Bildungsgewinner der modernen Wissensgesellschaft. Unternehmen müssen mit einer neuen Familienpolitik darauf reagieren. Die Verknappung an Fach- und Führungskräften und damit auch der Eliten in der Erwerbsbevölkerung stimmt mich optimistisch, dass Female Shift Unternehmenskultur prägen wird. Zudem möchte ich die positive Kommunikationskultur mit dem Bäckerhandwerk fortsetzen.