Obst und Gemüse Hummeln statt Chemie

Simon und Christoph Räss produzieren im Zürcher Weinland Bio-Wildbeeren. Den Pflanzenschutz für die Sträucher liefern Hummeln, und das bringt sogar mehr Ertrag.

Mittwoch, 26. August 2020 - Sortimente
Wibke Niemeyer
Artikelbild Hummeln statt Chemie
Bildquelle: Josh Stanbury (SJS PR)

Nachhaltiger und umweltverträglicher produzieren – darüber macht sich Simon Räss stets seine Gedanken. Der Bio-Obstproduzent aus dem schweizerischen Benken im Kanton Zürich baut zusammen mit seinem Bruder Christoph auf dem Familienbetrieb Bio-Wildbeeren an. Die Besprühung der Pflanzen übernehmen Hummeln. „Wir setzen seit diesem Frühjahr ein Pflanzenschutzsystem des kanadischen Ag-Tech-Start-ups Bee Vectoring Technology (BVT) ein, mit dem ich 90 bis 95 Prozent erstklassige Beeren produzieren kann, gegenüber 70 bis 80 Prozent zuvor“, erzählt Räss.

30 Hektar Land sind übersät mit Beerensträuchern. Die Hälfte der Fläche ist mit Aronia und Johannisbeeren belegt. Auf den übrigen Hektar werden Cassis, Mai-, Heidel-, Stachel- und Goji-Beeren kultiviert. Letztere sind eine Seltenheit in der Schweiz. „Ein Nischenprodukt“, sagt Simon Räss. Auch andere exotische Früchte wie Kiwi, Kaki und Sanddorn haben ihren Platz gefunden.

Die große Sortenvielfalt an Beeren ermöglicht ihm eine Erntesaison von Mai bis Oktober. „Mitte April starten wir schon mit Erdbeeren im Tunnel“, sagt Räss. Durch das warme und trockene Klima sei der Krankheitsdruck der Früchte gering. Doch nicht nur die klimatischen Bedingungen, sondern auch der Einsatz der Hummeln führen zu einer besseren Qualität der Früchte und zu einem höheren Ertrag.

Einfach zu Handhaben
Für das BVT-Verfahren werden Hummelvölker kommerziell gezüchtet und in Nestern ausgeliefert. Bevor die Tiere ausschwärmen, passieren sie eine Schale mit Staub, der mit Mikroben, Pilzsporen und anderen Wirkstoffen wie Kalzium und Magnesium versetzt ist. Ähnlich wie Pollen der Blüten haftet der Staub im pelzigen Haar der Hummeln. Während der Bestäubungsroute übertragen sie den Staub direkt an die Blüte. Das Fungizid vernichtet schädliche Pilze wie den Grauschimmel, der für erhebliche Ertragsverluste bei der Obstproduktion sorgen kann.

Das System sei einfach zu handhaben, ist Räss überzeugt. „Zweimal pro Woche muss ich das Pulver wechseln.“ Auch mit dem Ergebnis des Erdbeeren- und Himbeerversuchs ist er zufrieden: „Wir konnten keinen Pilzbefall feststellen. Auch ist die Haltbarkeit viel besser, und das ist wichtig für den Händler.“ Die Wildbeeren gelangen in den Handel oder werden verarbeitet: Rund 40 Prozent liegen als Frischware in den Regalen von Coop, Migros und Globus, 60 Prozent werden zu Saft und Trockenprodukten verarbeitet.

Die Technologie mit hummelgetriebenem Pflanzenschutzmittel wurde in Europa das erste Mal eingesetzt. BVT plant, eine EU-Registrierung einzureichen, beginnend mit dem Wirkstoff, gefolgt von den Produkten: Dies sei wichtig, um die Genehmigung zur biologischen Nutzung zu beantragen, erklärt Entwickler Christoph Lehnen. „Europa ist wichtig für uns, weil die Produzenten Innovation und ökologisch sinnvolle Methoden verlangen.“

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