„Reduktion von Zucker, Fett und Salz – Zwischen Machbarkeit und Verbrauchererwartung“: Der Titel der DLG-Studie ist vielleicht sperrig, das Thema für die Branche aber sehr wichtig. Wie die Studie zeigt, schmeckte den Verbrauchern im Test das Toastbrot mit zehn Prozent weniger Salz. Sollte der Hersteller diese neue Rezeptur mit weniger Salz auf der Verpackung bewerben? Simone Schiller ist für individuelle Lösungen, denn erfolgreich seien Reformulierungen nun, wenn der Kunde auch beherzt zugreift, weil es ihm schmecke.
Ist deutsches Brot wirklich so salzig, wie es durch die Initiative von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt suggeriert wird?
Simone Schiller: Im Strategiepapier der Bundesregierung wird das Ziel genannt, die Lebensmittel in den Fokus zu rücken, bei denen sich eine Reduktion besonders wirksam in der Ernährungsbilanz der Verbraucher darstellt. Denn Fakt ist, dass die meisten Deutschen täglich zu viel Salz zu sich nehmen – vor allem durch verarbeitete Lebensmittel, wie Brot und Brötchen, Käse, Fleisch- oder Wurstwaren. Es geht nicht darum, irgendeine Produktgruppe an den Pranger zu stellen! Vielmehr müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Tageshöchstmenge von maximal sechs Gramm Salz erreichen können – das entspricht einem gestrichenen Teelöffel voll. Die Weltgesundheitsorganisation rät sogar nur zu täglich fünf Gramm Salz.
Ist das Thema Salzreduktion des Brotes überhaupt relevant für den Verbraucher?
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung nehmen wir hierzulande knapp 30 Prozent unserer täglichen Salzration allein mit Brot und Brötchen zu uns. Kommt ein herzhafter Belag obendrauf, ist die empfohlene Tageshöchstmenge von sechs Gramm schnell überschritten. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass eine Reduktion des Salzkonsums um drei Gramm täglich über alle Produktgruppen hinweg zur Folge hätte, dass in Deutschland etwa 50.000 Herzinfarkte und Schlaganfälle pro Jahr weniger auftreten würden. Das verdeutlicht die hohe Relevanz des Themas auch für die Backwarenbranche. Letztlich geht es für die gesamte Lebensmittelwirtschaft bei dem Thema um ihre Verantwortung im Sinne der Public Health.
Zur Person
Simone Schiller ist seit 2012 Geschäftsführerin des DLG-Fachzentrums Lebensmittel in Frankfurt am Main. Zuvor war die gelernte Fleischermeisterin, studierte Lebensmitteltechnologin und Gesundheitswissenschaftlerin als Geschäftsführerin der Fleischerinnung Berlin und des Fleischerverbandes Berlin-Brandenburg tätig sowie als Dozentin in der Erwachsenenbildung.
Für Ihre Studie ließen Sie Verbraucher salzreduziertes Toastbrot testen – mit welchem Ergebnis?
Eine moderate Salzreduktion, etwa minus 10 Prozent, war ohne stärkere Akzeptanz- und Geschmackseinbußen möglich und zwar unabhängig davon, ob die Reduktion dabei für Verbraucher thematisiert wurde oder nicht. Wird der Salzgehalt über dieses moderate Niveau hinaus weiter reduziert, entstehen zunehmend Akzeptanzprobleme. Interessant ist, dass eine Salzreduktion für Verbraucher weitaus weniger gesundheitsrelevant zu sein scheint als beispielsweise die Minimierung von Fett oder Zucker. Hier besteht also noch ein großer Aufklärungsbedarf! Denn mit mehr Wissen um den gesundheitlichen Nutzen einer Salzreduktion würde auch die Kaufbereitschaft beziehungsweise Offenheit gegenüber reduzierten Produkten wachsen.
Welche Alternativen gibt es zum Salz?
Eine Salzreduktion lässt sich auf verschiedenen Wegen erreichen, ohne dabei den Geschmack und die Textur maßgeblich zu beeinträchtigen. Allerdings hat unsere Expertenbefragung verdeutlicht, dass die Bekanntheit der einzelnen Verfahren unterschiedlich groß und verbreitet ist. Den größten Bekanntheitsgrad unter Experten genießt die Salzreduktion mit natriumreduzierten Ingredients, also mineralische Salzersatzstoffe. Gecoatets, das heißt ummanteltes Salz, Hochdruckbehandlung beziehungsweise -technologie sind mehrheitlich unbekannt. Ebenso die Kompensation durch multisensorische Interaktion. Multisensorische Ansätze erklären eine aromainduzierte Verstärkung des salzigen Eindrucks durch die positive Wechselwirkung von Geruchs- und Geschmackseindrücken in höheren Gehirnregionen. In diese Richtung geht ansatzweise die traditionelle Sauerteig-Führung, die zu deutlich aromatischen Backwaren führt – ein sehr spannendes Gebiet.
Erhöht sich der technische Aufwand für die backende Industrie, salzreduziertes Brot herzustellen?
Die Salzzugabe bei der Teigbereitung unterstützt die Klebereiweißentwicklung, die für die Konsistenz der Backware hauptverantwortlich ist. Eine Reduktion um zehn Prozent ist bei der herkömmlichen Teigführung möglich, weitere Reduktionen können eine veränderte Technologie mit vorhandenen Anlagen bedingen.
Sollten Unternehmen die Reduktion des Salzes in der Brotrezeptur auf der Verpackung kommunizieren? Sie sprechen vielleicht neue Verwender an, schrecken vielleicht aber auch die Konsumenten ab, die „ihr“ Brot nicht mehr bekommen.
Eine moderate Reduktion des Salzes wird auch mit Hinweis kaum von Konsumenten sensorisch wahrgenommen. Nur beim gezielten Ansprechen auf die Salzmenge zeigt der Hinweis auf die Reduktion bei einigen Testpersonen Wirkung: Der Salzgehalt wird dann eher als zu gering erlebt. Eine moderate Reduktion der Salzmenge um zehn Prozent ist bei Toastbrot möglich und kann auch problemlos thematisiert werden. Allerdings sollte bei jedem Produkt individuell überprüft werden, wie stark der Salzgehalt stufenweise reduziert werden kann, ohne die Akzeptanz zu beeinträchtigen. Erfolgreiche Reduktionsprojekte gibt es genug, auch bei Brot. Egal, ob „stille“ oder proaktive Kommunikation, erfolgreich sind Reformulierungen nur dann, wenn der Kunde auch danach beherzt zugreift, weil es ihm schmeckt.