DMK-CEO im Interview Was die Mega-Fusion mit Arla bringen soll

Hintergrund

Europas größte Molkerei Arla und der deutsche Primus DMK wollen zusammengehen. Mit Fusionen kennen sich beide gut aus. Die Vergangenheit zeigt, dass dies nicht nur Vorteile brachte. Wem nützt also der Deal, Herr Müller?

Freitag, 09. Mai 2025, 05:40 Uhr
Alina Schmidtmann und Anke Reimink
Jan Toft Nørgaard (Aufsichtsratsvorsitzender Arla, l.) und Heinz Korte (Aufsichtsratsvorsitzender DMK, r.) besiegeln die Fusionsplanungen mit Handschlag. Im Hintergrund v. l. n. r.: Peder Tuborgh (CEO Arla), Inger-Lise Sjöström (stellv. Aufsichtsratsvorsitzende Arla), Guus Mensink (Vorstandsvorsitzender DOC Kaas), Thomas Stürtz (Vorstandsvorsitzender DMK) und Ingo Müller (CEO DMK ). Bildquelle: DMK Group

Anfang April haben Sie mit der Nachricht, dass Arla Foods und die DMK Group fusionieren wollen, die Branche konfrontiert. Was bedeutet das für Deutschlands größte Genossenschaftsmolkerei DMK?

Ingo Müller: Die Nachricht über unsere Fusionsabsicht mit Arla kam sicher überraschend für die gesamte Branche. Um das gleich vorwegzunehmen: Dieser Plan ist ein gemeinsamer, denn sowohl Arla als auch wir sehen viele Chancen in diesem Vorhaben. Unsere Gremien aus Aufsichtsrat und Vorstand haben die Gespräche von Beginn an mitge­führt und im Austausch mit den Gremienvertretern von Arla geprüft, ob ein Zusammenschluss Sinn macht. Unser aller Antwort war ein klares „Ja“.

Was macht Sie da so sicher?

Wir glauben, dass unsere Genossenschaften ideale Partner sind. Der Zusammenschluss wird dabei sowohl Arla als auch DMK durch eine größere Marktabdeckung und ein stärkeres Produktportfolio kommerziell deutlich stärken. Durch die Bündelung von Ressourcen und Fachwissen wird das fusionierte Unternehmen aufgrund des sich ergänzenden Produktportfolios eine starke Marktpräsenz in Europa und auf der ganzen Welt haben. Außerdem wird die gemeinsame Genossenschaft auch in Zeiten globaler Herausforderungen Stabilität und Lebensmittelsicherheit gewährleisten und weltweit noch mehr hochwertige Produkte anbieten können.

Was bedeutet das für Ihre Marktstrategie?

Zusammen werden wir ein breites Markensortiment haben und Kunden in über 160 Märkten weltweit beliefern können. Und das mit einem gemeinsamen Ziel: Wir werden weiterhin eine attraktive Wertschöpfung für die Milch unserer Landwirte erzielen und eine verlässliche Versorgung mit Milchprodukten in Europa gewährleisten. Die Fusion wäre also kein einfaches Zusammenlegen von Milchmengen, sondern von individuellen Stärken, die sich optimal ergänzen und die jeder von uns allein nicht oder nur mit hohem Aufwand heben könnte.

Welche Auswirkungen hat die Fusion für die Produkte und Marken beider Molkereien?

Beide Seiten bringen starke Marken in die Fusion mit ein. Nehmen wir einmal Milram als Beispiel – wir steuern hier eine führende Top-Marke in das gemeinsame Geschäft bei. Mit der Fusion werden wir auch im Markenbereich noch stärker sein können und unser Produktportfolio erweitern.

ZUR PERSON Ingo Müller, CEO beim DMK
Ingo Mueller, DMK
Ingo Müller absolvierte zunächst eine Ausbildung als Molkereifachmann im Milchwerk Botterbloom in Strückhausen, das später im DMK aufging. Danach studierte er Milch- und Molkereiwirtschaft. Müller bekleidete verschiedene Managementpositionen im DMK und wurde 2016 schließlich CEO des größten genossenschaftlichen Molkereiunternehmens in Deutschland.

Was hat noch zu der Überlegung geführt?

Unsere erfolgreiche DMK „Vision 2030“ würde enorm beschleunigt, da wir noch ausstehende Meilensteine in nur einem Schritt erreichen werden, für die wir alleine länger gebraucht hätten. Außerdem ergänzen wir uns nicht nur im Geschäft, sondern auch bei Werten und Stärken. Beide Unternehmen sind traditionsreiche Genossenschaften, die Landwirte seit Generationen vereinen. Es liegt tatsächlich eine riesige Chance für uns auf dem Tisch, gemeinsam einen echten Leuchtturm in der europäischen Milchwirtschaft zu formen.

Wann begannen die Fusionsgespräche?

Wir haben bereits in den letzten Jahren bei mehreren Projekten erfolgreich mit Arla zusammengearbeitet, unter anderem bei unserem Joint-Venture-Projekt ArNoCo, bei dem Molke aus unserer Käseproduktion zu Molkenproteinkonzentraten und Laktose für das globale Ingredients-Geschäft von Arla verar­beitet wird. Der Dialog über die Prüfung eines möglichen Zusammenschlusses hat im Dezember 2024 begonnen.

Von wem ging die Initiative zur Fusion aus – vom DMK oder Arla?

Ganz klar: von beiden Seiten.

Was erhofft sich das DMK von der Fusion?

Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren sehr partnerschaftlich mit Arla zusammen. Arla hat sich als wichtiger Akteur in der europäischen Milchwirtschaft etabliert und durch die Bündelung unserer Kräfte werden wir gemeinsam nicht nur eine größere Marktabdeckung erreichen und das Produktportfolio stärken, eine Fusion wird auch mehr Investitions- und Innovationskraft ermöglichen und Synergien schaffen. Wie gesagt: Diese Fusion bedeutet kein einfaches Zusammenlegen von Milchmengen, sondern von individuellen Stärken, die sich optimal ergänzen und deren Potenzial jeder von uns allein nicht oder nur mit hohem Aufwand heben könnte.

Der neue Molkerei-Riese: eine Übersicht

Waren die zahlreichen Kündigungen durch Landwirte und die schrumpfende Milchmenge des DMK Anlass für die Fusion?

Nein. Beide Unternehmen sind als unabhängige Genossenschaften stark und nehmen in verschiedenen Kategorien und Märkten führende Positionen ein.

Konnte das DMK sich nicht aus eigener Kraft erholen?

Hier zitieren Sie ein sich hartnäckig haltendes Narrativ, das inzwischen widerlegt ist, wenn man sich die Zahlen anschaut. Das zeigen ja auch ganz aktuell die kürzlich veröffentlichten Jahreszahlen 2024 und eine Eigenkapitalquote von über 35 Prozent. Das DMK hat in den letzten Jahren (bis auf 2023) immer besser an die Milcherzeuger ausgezahlt als der Schnitt der deutschen Molkereien – 2022 sogar nahezu als Klassenbester. Und auch 2024 waren wir wieder in den vorderen Reihen und haben auf Wettbewerbsniveau ausgezahlt. Dass das DMK insgesamt gut aufgestellt ist, zeigt auch unsere kürzlich über fünf Jahre langfristig abgeschlossene Anschlussfinanzierung und damit erfolgreiche Sicherstellung der Kernfinanzierung des Unternehmens.

In der Branche sind Stimmen zu hören: „Arla schluckt das DMK“. Wie reagieren Sie darauf?

Wenn ich mir die Medienberichterstattung anschaue, sehe ich das nicht. Im Gegenteil: Hier wird immer wieder die absolut sinnvolle Bündelung zweier starker Genossenschaften betont. Wir sind Partner in diesem Prozess, der eine Win-win-Situation für beide Seiten eröffnet.

Das Unternehmen soll „Arla“ heißen, der Hauptsitz in Dänemark sein und Chef soll der Arla-CEO werden: Das alles deutet auf „Übernahme“ und nicht „Fusion“ hin. Wie groß ist die „Not zum Zusammenschluss“ beim DMK?

Wie gesagt, von Not kann keine Rede sein. Wir sind auch allein auf einem sehr guten Kurs, genauso wie Arla. Klar ist aber auch, dass wir mit einer Fusion noch viel mehr erreichen können. Dass das Unternehmen Arla heißt, liegt auf der Hand. Als multinationaler Player ist Arla stark international vertreten. Wir bringen mal unabhängig vom Namen unser Know-how, unsere Werte und unser Mindset in die dann neue Arla ein. Da wir über sehr ähnliche Kulturen verfügen, fällt das entsprechend leicht.

Humana und Nordmilch hatten sich 2011 mit dem Versprechen, mehr Verhandlungsmacht gegenüber dem Lebensmittelhandel zu haben, zusammengeschlossen. Was ist rückblickend daraus geworden?

Wenn man zurückblickt, kann man vieles anders bewerten. Die Frage, die sich viel eher stellt, ist, wo wir heute stehen würden, wenn wir damals nicht fusioniert hätten. Wir haben heute eine starke DMK Group, die jetzt den nächsten Schritt ihrer Entwicklung plant.

Was bedeutet die Fusion mit der europäischen Genossenschaftsmolkerei Arla für den Molkereistandort Deutschland?

Über einzelne Standorte oder Märkte gibt es noch keine Pläne – im ersten Schritt geht es ja darum, die Zustimmung der Gremien und der Behörden zu bekommen. So lange sind wir wirtschaftlich und rechtlich getrennte Unternehmen. Der Standort Deutschland wird aber auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Als DMK sind wir bereits eine feste Größe im deutschen Markt, mit etablierten Marken und als zuverlässiger Partner für den Handel. Das wollen und werden wir auch nach der Fusion sein. Wir sind zwei Unternehmen, die gut in dem sind, was sie tun. Wir können voneinander lernen und gemeinsam noch besser werden.

Was bedeutet die Fusion für die Milchwerke des DMK in Deutschland und deren Mitarbeiter?

Es wäre heute zu früh zu sagen, wie und ob sich die geplante Fusion auf einzelne Standorte und Arbeitsplätze auswirken wird. Klar ist aber auch: Eine gemeinsame Marktpräsenz in Europa und weltweit beinhaltet, dass die Mitarbeiter eine zentrale Rolle für Stabilität und Lebensmittelsicherheit spielen. Außerdem wollen wir weltweit noch mehr Produkte vermarkten. Ein Zusammenschluss bietet außerdem Chancen für berufliches und persönliches Wachstum, die zu neuen Karrierewegen führen können.

Haben Sie kartellrechtliche Bedenken für die Fusion?

Wir haben volles Vertrauen in die behördlichen Verfahren und werden die Entscheidung der ­zuständigen Behörden über den Zusammenschluss abwarten.

Am Ende einer langen Reihe von Fusionen

Um zu verstehen, warum einige Milchbauern mit gemischten Gefühlen oder auch kritisch auf die Fusionsabsichten von Arla und DMK blicken, muss man die Historie des DMK betrachten: Das DMK entstand 2011 durch die Fusion der beiden großen Milchunternehmen Nordmilch aus Bremen und Humana Milchunion aus Everswinkel. Beide Unternehmen hatten schon zuvor zahlreiche kleinere Molkereien integriert und arbeiteten in unterschiedlichen Bereichen der Milchverarbeitung und -vermarktung. Doch viele Landwirte haben diese Fusion nicht positiv in Erinnerung. Denn auch danach konnte das DMK, abgesehen von einzelnen Jahren, nicht mit überdurchschnittlichen Milchpreisen punkten. In den vergangenen Jahren platzte dann auch langjährigen Lieferanten der Kragen und etliche kündigten. Allein 2023 hatten Landwirte mit rund 700 Millionen Kilogramm Milch gekündigt, was etwa 10 Prozent der Milchmenge des DMK ausmachte. Einige der Kündiger wechselten zu Arla mit der Hoffnung, dass nun endlich „alles besser“ werde.

Arla Foods wurde 2000 gegründet und ist in Dänemark, Schweden, Finnland, Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden aktiv. Wie ist Arla auf den deutschen Markt gekommen? Den ersten Schritt machte die Genossenschaft 2011 mit dem Zusammenschluss mit der Hansa-Milch. 2012 sind die Lieferanten der Milchunion Hocheifel der Arla beigetreten und es entstand die MUH Arla eG. 2019 sind die Teilgenossenschaften dann zu „einer“ Arla geworden.


Das Interview führten Alina Schmidtmann (Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben) und Anke Reimink (Top Agrar). Die beiden Fach­magazine erscheinen im Landwirtschafts­verlag Münster, zu dem auch 
die ­Lebensmittel Praxis gehört.

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