Stallvisite gefällig? Aber ja doch. Michael Stalder hat fast immer seine Stalltüren weit geöffnet. Neugierige Blicke sind erwünscht – und nicht nur die der Presse, wie heute. Wenn Zeit ist, darf es auch gern mehr sein: ein Rundgang oder ein Plausch mit Senior, Onkel, Mitarbei‧ter oder dem Betriebsleiterehepaar. Denn der sympathische und offene Milchviehhalter will dazu beitragen, dass es einen realistischen Blick auf die moderne Landwirtschaft von heute gibt. Nur wenige hätten im Alltag direkt Kontakt zu den Menschen, die für ihre Nahrung, für erneuerbare Energien oder die vertraute Kulturlandschaft sorgten. Und herzlich wirbt er: „Entdecken Sie die Landwirtschaft und die Herkunft von Milch, Fleisch, Obst und Eiern und erleben Sie hautnah die transparente und spannende Produktion unserer Nahrungsmittel.“
Um das zu professionalisieren – mit Infomaterial, einem Roll-up und der Registrierung auf einer Homepage für potenzielle Hofbesucher –, hat er sich dem Programm „Stallvisite.ch“ des Schweizer Bauernverbandes angeschlossen. Dessen Hauptsponsor ist – aufgepasst! – nicht eine NGO oder ein Biohändler, sondern: der Harddiscounter Aldi. Als Antwort auf das „Warum“ schreibt der Schweizer Einzelhändler: „Wir genießen tagtäglich das Vertrauen vieler Kunden. Daher möchten wir der Gesellschaft etwas zurückgeben und engagieren uns in vielen sozialen Projekten. Mit unserem Engagement möchten wir die Möglichkeit geben […], viel Interessantes auf den Bauernhöfen unserer Lieferanten zu erfahren.“
Interessantes gibt es auch beim Betrieb Stalder in Nottwil unweit des Luzerner Sees zu entdecken. Der Hof firmiert unter dem Claim „Stalder – Hof und Kultur“. Wir fragen nach: „Kultur?“ „Ja, wir wollten hier eindeutig Mehrdeutigkeit schaffen“, erzählt Michael Stalder. So baue man auf dem Betrieb unterschiedliche Kulturen wie Weizen und Obst an, und veranstalte regelmäßig auch Kulturevents, von Tagen der offenen Tür bis zum Rockkonzert. „Kultur“ beziehe sich aber auch auf die Pflege eines historischen Baudenkmals – Familie Stalder bewohnt ein Haus aus dem Jahr 1747. Zu guter Letzt pflege man die Kulturlandschaft. Und das nachhaltig.
So grasen die 65 Braunviehkühe und das Jungvieh von April bis November auf den Weiden rund um den Hof. Ein Teil der Nachzucht darf den Sommer in den Alpen verbringen. Für die Nicht-Weidezeiten und die kalten Monate steht den Tieren ein Laufstall zur Verfügung. Darin können die Kühe sich frei bewegen. Und auch Futter liegt immer bereit. Den 2022 installierten Melkroboter betreten die Kühe je nach Lust und Euterfüllung verteilt über 24 Stunden am Tag. Kratzbürsten und Trogtränken sorgen für noch mehr Tierwohl.
Die „grüne“ Milch
Das Futter – und zwar weit über 90 Prozent – stammt aus dem eigenen Betrieb: Gras, Heu, Gras- und Maissilage und ein Teil des Kraftfutters. Das Sojaextraktionsschrot ist ein Abfallprodukt der Ölherstellung. „Aus anderweitig nicht verwertbarem Gras ein hochqualitatives Produkt wie Milch herzustellen, das überzeugt mich“, so der gelernte Landwirt. Insgesamt entstehen jährlich auf dem Betrieb rund 490.000 Liter Milch, die zum Großteil von Emmi verarbeitet werden. Gelabelt ist die Stalder-Milch als „Swiss green milk“. Zudem produziert man auch noch nach IP-Suisse-Richtlinien. Der Marienkäfer als Symbol stehe dabei für „eine Milchproduktion im Einklang mit der Natur, mit hohen Tierwohlstandards und einer fairen Bezahlung der Produzenten“, ist auf der Homepage nachzulesen.
Die Stalder-Milch können Kunden auch direkt und unverarbeitet ab Hof am Automaten zapfen. 2020 baute die Landwirtsfamilie aufgrund der guten Resonanz beim Milchabverkauf einen Teil des ehemaligen Schweinestalls auf dem Hof zum 24/7-Selbstbedienungsladen um. Altes Mobiliar wie eine ausgediente Kücheneinrichtung, stil‧voll dekoriert, lädt ein, neben Milch auch Fleisch, Wurst und Obst von den eigenen Streuobstwiesen, wie Kirschen, Mirabellen, Pflaumen und Zwetschgen bis hin zu Birnen und Äpfeln, zu kaufen.