Mopro-Preise Die Butter vom Brot gespart

Konsumenten greifen zu Handelsmarken oder kaufen gar nichts. Wo die Differenzierungsmerkmale für den Handel liegen, wenn die Rabattschlachten im Mopro-Regal toben.

Montag, 27. März 2023 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Die Butter vom Brot gespart
Bildquelle: Ingo Hilger

Zwei Jahre lang drehte sich die Welt im kleinsten Kosmos: Die eigenen vier Wände waren Lebensmittelpunkt – vom Aufstehen bis zum Zubettgehen. Der Berufsalltag spielte sich dort ab, der Urlaub, die Freizeit. Für Familien mit Kindern wurden Wohnzimmer und Küche zudem auch noch zu Spielplatz, Schule und Kita.

Eine Folge, wenn auch nicht die einzige und wichtigste: Genuss, der sonst auf Reisen oder in der Gastronomie gelebt wird, wurde ein Stück weit ins eigene Heim geholt. So gaben Menschen während der Pandemie mehr Geld für den Konsum zu Hause aus und leisteten sich schon mal öfter die ein oder andere hochpreisige Marke. Gern auch mit Benefits für Tier und Umwelt. Ob Schweizer Milchdesserts, Heu- oder Weide-Trinkmilch oder Bio-Käse – Markenqualität boomte.

Die Pandemie ging, der Krieg kam und mit ihm Inflation und höhere Energiepreise. Aber nicht nur diese stiegen. Während die Energiepreise seit Januar sogar leicht sinken, muss für Nahrungsmittel immer tiefer in die Tasche gegriffen werden. Seit Monaten liegen die Preise rund ein Fünftel über dem jeweiligen Vorjahreszeitraum. Noch extremer fallen die Preissteigerungen bei den Produkten der Weißen Linie aus. Laut Marktanalyse der GfK lagen die bezahlten Preise für Milch, Joghurt, Quark und Co. im Januar dieses Jahres um 27 Prozent über denen vom Januar 2022. Im Dezember waren es 25,7 Prozent.

Ein Phänomen, das vor allem auch in den sozialen Medien für Aufmerksamkeit sorgte. Da es sich um Eckpreisartikel handelt, haben Konsumenten genau im Kopf, was ein Liter Milch oder ein Päckchen Butter kostet. Preiserhöhungen werden schnell über Tiktok, Facebook und Instagram kommuniziert und diskutiert. Aber nicht nur dort. Auch die Tageszeitungen überschreiben in den letzten Wochen ihre Beiträge mit „Das Milliarden-Geschäft mit der Milch“ oder „Die Milch wird noch teurer“.

Wütende Shopper
Bei einer Umfrage der GfK im November vergangenen Jahres gaben 47 Prozent der Befragten an, dass die Erhöhung der Preise sie wütend mache, weil sie meinten, die Erhöhungen seien gewollt oder gesteuert, und sie seien die Leidtragenden. Weitere 13 Prozent fanden die Preisaufschläge unverschämt. „Insgesamt also 60 Prozent der Menschen waren Ende des letzten Jahres richtig erbost über die permanenten Preiserhöhungen“, fasst Dr. Robert Kecskes, Marktexperte der GfK, die Stimmung zusammen.

Die Wut hat Folgen. Für das Gesamtjahr 2022 liegen noch keine endgültigen Zahlen vor, aber: Im Vergleich zum Dezember 2021 wanderten im Dezember 2022 jeweils 6,4 Prozent weniger Trinkmilch und Sahne, sogar 7 Prozent weniger Quark und knapp 3 Prozent weniger Joghurt in die Kühlschränke der Verbraucher (Quelle: Milchindustrieverband). Bei Butter war die Nicht-Kaufquote noch höher. Im Jahresmittel wird wohl um die 10 Prozent weniger davon verkauft worden sein. Kein Wunder also, wenn die überregionale Tageszeitung „Welt“ einen Wirtschaftsbeitrag vor wenigen Tagen mit dem Satz „Die Deutschen sparen sich die Butter vom Brot“ einleitete.

Aber es werden nicht nur weniger Produkte aus der Weißen Linie gekauft. „Die Notwendigkeit der Budgetierung hat dazu geführt, sparsamer einzukaufen, was zu einer partiellen Abkehr von höherpreisigen Marken und zum ‚Jahr der Handelsmarken‘ führte“, beschreibt Kecskes die Reaktion der Shopper bei Lebensmitteln ganz allgemein. Dass dies auch für Milch, Butter und Sahne gilt, bestätigt Günter Berz-List, Geschäftsführer der Schwälbchen Molkerei: „Als ab der Jahresmitte die Abgabepreise der Molkereien und in der Folge die Ladenverkaufspreise im Lebensmittelhandel stattlich nach oben gingen, hat die Reaktion der Verbraucher nicht lange auf sich warten lassen. In Anbetracht der allgemeinen Inflation griffen die Verbraucher geradezu reflexartig zu den – relativ zur Marke – günstigeren Handelsmarken.“

Eine Verbraucherreaktion, die auch so vom Handel wahrgenommen wird, wie Jörg Pahl, Warenbereichsleiter Frische bei Famila Nordost, attestiert. Und sogar beim Primus unter den Harddiscountern, Aldi Süd, dessen Sortiment etwa zu 90 Prozent aus Handelsmarken besteht, bemerkt man einen Zuwachs bei den No-Name-Produkten: „Insbesondere die Eigenmarken rückten zuletzt stärker in den Fokus der Kundinnen und Kunden, auch im Bereich der Molkereiprodukte.“

Haben Marken in dieser Situation überhaupt noch eine Chance? Sofern bei diesen Produkten keine weiteren nutzen- oder wertstiftenden Merkmale hinzukämen, also allein der Grundnutzen entscheide, spiele der Preis im Prinzip die alleinige entscheidende Rolle, ist sich Günter Berz-List sicher. Und der Preis ist in diesem Jahr besonders „heiß“. „Vieles spricht dafür, dass 2023 ein Jahr der Rabattschlachten wird“, meinen die Experten Dr. Tobias Maria Günter und Markus Goller von der Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners. Die Lagerbestände seien bei Händlern und Herstellern hoch, Konsumenten aufgrund der hohen Inflation und sinkender Realeinkommen aber preissensibel wie nie. Da kommen Angebote wie in der zehnten Kalenderwoche von Kaufland mit 500 Gramm Butter für 2,99 Euro oder der Karton mit 12 Liter H-Milch von Weihenstephan zum Preis von 12,99 Euro gerade recht.

Aber nicht nur Aktionen sorgen derzeit im Mopro-Regal für Furore. Nachdem Aldi mit 1,49 Euro (solch einen Standardpreis gab es zum letzten Mal im Herbst 2019) Anfang März eine neue Benchmark für die Butter-Branche gesetzt hat, purzeln auch die Preise für Markenbutter. So gibt es Kerrygold-Butter bei Aldi inzwischen für 2,99 Euro (50 Cent billiger), bei Edeka ist Meggle-Butter zeitlich begrenzt sogar für 1,49 Euro zu haben.

76%

der Shopper achten derzeit vermehrt auf Sonderangebote

Quelle: GfK

200

Millionen Kilogramm weniger Trinkmilch gingen 2022 über die Ladentheken

Quelle: GfK

35%

mehr als im Vorjahresmonat mussten Käufer im Februar 2023 für Milchprodukte zahlen.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Geht also alles über den Preis? Jörg Pahl von Famila Nordost sieht das etwas differenzierter. Ja, es gebe 2023 radikalere Preissprünge, und auch die Aktionsanteile der Marken stiegen. Aber: „Darüber hinaus gibt es auch immer noch eine Käuferschicht, die Wert auf Tierwohl, Nachhaltigkeit und Regionalität legt.“ Die bedient der Händler unter anderem bei Milch, Joghurt, Buttermilch und Butter mit der Marke Nordliebe. Produkte aus der Region in Demeter-Qualität. „Die Vereinigung der Attribute ist eine tolle Möglichkeit zur Differenzierung“, meint der Warenbereichsleiter. „Kommt – wie bei der Grünen Linie von Schwälbchen – ein Regionalitätsfaktor hinzu, einhergehend mit Frische dank kurzer Wege, dann erweitert sich die Kaufentscheidung um einen Zusatznutzen“, ist sich der Chef der hessischen Molkerei sicher.

Auslaufmodell „Ohne Gentechnik“
Was dagegen in einigen Produkten kein zusätzlicher Nutzen mehr zu sein scheint, ist die Fütterung von Milchkühen mit gentechnikfreiem Futter. Aufgrund veränderter Verbrauchernachfrage steigt die europäische Großmolkerei Lactalis aus der Honorierung VLOG-zertifizierter Milch in den Niederlanden ab Herbst 2023 aus. Man wolle die Käsemarke Leerdammer in Zeiten steigender Verbraucherpreise erschwinglich und wettbewerbsfähig halten, wird das Unternehmen im niederländischen Fachblatt „Veeteelt“ zitiert.

Benefits werden am Markt honoriert. Doch die müssen für Verbraucher klar und deutlich erkennbar sein, ansonsten ist in Zeiten von Inflation kein Markenzuschlag generierbar.

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