Bier Schluss mit dem Verramschen?

Die Brauer wollen durch Preiserhöhungen in Handel und Gastronomie raus aus der Billig-Ecke. Ob das gelingt, ist fraglich. Der Handel will sich nicht in die Karten gucken lassen.

Donnerstag, 14. November 2013 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Schluss mit dem Verramschen?
„Allein innerhalb von drei Jahren stiegen die Energie-kosten um 40 Prozent an.“ Dr. Volker Kuhl, Veltins
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Nach der ersten Preiserhöhung im Frühjahr durch Veltins und Anheuser-Busch InBev erhöhen nun auch Radeberger, Krombacher und Bitburger die Preise für ihre nationalen Biermarken. Somit ist ein Großteil der sogenannten „Fernseh-Biere“, also der in diesem Kanal stark beworbenen Marken, betroffen. Die Erhöhung ist keine große Überraschung. Während der deutsche Biermarkt seit Jahren schrumpft, stagnieren die Preise im Schnitt. „Auf der Einkaufsseite sind steigende Rohstoff- und Energiepreise zu verzeichnen, auch die Lohnkosten steigen überproportional. Diese Mehrkosten sind ohne Qualitätseinbußen, die wir als weltweit führende Brauerei nicht eingehen wollen und Konsumenten auch nicht akzeptieren würden, nicht mehr abbildbar“, erläutert Oliver Bartelt, Sprecher von Anheuser-Busch InBev. Den Preis-Druck bekommen jetzt nicht nur die Becks-Trinker, sondern auch die Mitarbeiter zu spüren: Der Beck´s-Mutterkonzern will 151 Stellen am Brauereistandort Bremen streichen. Die hohen Lohnkosten seien durch die Entwicklung auf dem deutschen Biermarkt nicht mehr aufzufangen.

Die Preisoffensive vom Frühjahr (Anheuser-Busch InBev hob bei Beck’s zum 1. Februar und bei Hasseröder zum 1. März die Abgabepreise an) zeigt bereits erste Wirkung: So sei es unter anderem auf Preiserhöhungen zurückzuführen, dass das Unternehmen im dritten Quartal auf Kurs gehalten werden konnte. In Deutschland sei der Absatz zudem weniger stark gefallen als in den ersten sechs Monaten. „Da viele Verbraucher sehr preisorientiert einkaufen, ist ein gewisser Mengenverlust unmittelbar nach der Preiserhöhung vorhersehbar. Wichtiger sind die Imagewerte der Marke: Beck’s verbucht im Jahr des 140. Jubiläums in der Marktforschung die besten Image-Werte, die wir jemals für die Marke erhoben haben“, sagt Bartelt. Beck’s liege bei den Image-Werten bei mehr als 36 Prozent mit großem Abstand vor der Konkurrenz, wenn in der Zielgruppe nach der favorisierten Biermarke gefragt würde. Dies sei der Garant, auch zukünftig die „Premium-Preispositionierung“ in einem ansonsten sehr preisaggressiven Markt beibehalten zu können.

Radeberger, Deutschlands größte Brauerei, ließ sich mit der Preiserhöhung vergleichsweise Zeit. Zum 1. November verteuert sich aber auch das Mehrwegsortiment der Brau-Gruppe mit Sitz in Frankfurt. Ausgenommen sind Schöfferhofer, Guinness und Kilkenny, die Kölsch-Marken aus dem Haus Kölscher Brautradition sowie die Marken der Hanseatischen Brauerei Rostock, das Allgäuer Büble Bier sowie einige ausgewählte Artikel und regionale Spezialitäten. Das Einwegsortiment der Radeberger Gruppe ist von den Preisanpassungen hingegen nicht tangiert. „Überproportional angezogene Rohstoffpreise und gestiegene Energie-, Glas-, Logistik- und Arbeitskosten führen in der gesamten Brauwirtschaft zu mehreren 100 Mio. Euro Mehrkosten“, sagt Radeberger-Sprecherin Birte Kleppien über die Anpassung.

Veltins, neben Anheuser-Busch InBev der Vorreiter in Sachen Bierpreiserhöhung, hebt vor allem die gestiegenen Strompreise hervor: „Allein innerhalb von drei Jahren stiegen die Energiekosten um 40 Prozent an – maßgeblich dafür verantwortlich ist auch die vom Gesetzgeber eingeführte EEG-Umlage. Nach einer vorübergehenden Erholung an der Preisfront für den Einkauf von Qualitäts-Rohstoffen während der Wirtschaftskrise sind auch hier wieder deutliche Kostensteigerungen eingetreten, die nicht mehr aufgefangen werden können“, sagt Marketing- und Vertriebsgeschäftsführer Dr. Volker Kuhl zu der Anhebung.

Auch Dr. Werner Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe, hält die Einsparpotenziale für ausgereizt. Die Eifeler kann man in der aktuellen Preisdebatte durchaus die Pioniere nennen, denn Bitburger wollte bereits im Oktober 2012 als einzige große Brauerei Preise anheben. Damals musste Wolf einen Rückzieher machen. Kein Wettbewerber zog mit und der Preisdruck war zu groß. Am 1. Oktober 2013 war es aber auch für Bitburger, König Pilsener, Köstritzer, Licher und Wernesgrüner soweit. „Da wir unseren Kunden und Endverbrauchern auch weiterhin kompromisslos die gewohnte Qualität bieten und den Wert unserer Marken für die Zukunft sichern wollen, ist eine Preiserhöhung unumgänglich“, so Wolf. Zuletzt hatte die Bitburger Braugruppe im Jahr 2008 die Abgabepreise für ihre Hauptmarken erhöht.


Dass das Thema Preise hochsensibel ist, zeigen die Reaktionen der Handelszentralen. Die Anfragen der LEBENSMITTEL PRAXIS hierzu blieben unbeantwortet. Keiner der großen Lebensmittel-Einzelhändler möchte sich bei der Preisgestaltung in die Karten schauen lassen. Aber auch die Industrie spricht nicht gerne konkret über Zahlen: „Da die Gestaltung der Endverbraucherpreise den Partnern in Handel und Gastronomie obliegt, veröffentlicht die Radeberger Gruppe den Umfang der Preiserhöhungen nicht“, sagt Radeberger-Sprecherin Kleppien. Veltins-Sprecher Ulrich Biene verweist auf die Marktbeobachtung durch das Bundeskartellamt, auf Grund derer man keine Einschätzung zum Preisverhalten des Handels abgeben will. Dabei sind natürlich gerade die Preise im Handel das entscheidende Kriterium. Allen voran die Aktionspreise. Die GfK und der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels (GFGH) sprechen von 70 Prozent, beziehungsweise drei Viertel der Bierkästen, die vom Einzelhandel zu Aktionspreisen verkauft werden. Dies hätte laut Günther Guder, Vorstand des GFGH, dazu geführt, dass die letzten Preiserhöhungen 2008 für die Industrie kaum positive Effekte gehabt hätten.

Ob sich das mit der aktuellen, breit angelegten Preiserhöhung signifikant ändern wird, ist ungewiss. „Das ist schwer vorherzusagen, weil die Preiserhöhungen der einzelnen Akteure ja unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich gilt: Der Handel entscheidet, wann er Aktionen für welche Marke einräumt. Welchen Einfluss die unterschiedlichen Preiserhöhungen auf sein individuelles Verhalten haben werden, ist kaum vorherzusehen“, sagt Kleppien. Stephan Maubach, Vertriebsdirektor Handel und Mitglied der Geschäftsleitung der Krombacher Brauerei, sieht zumindest theoretisch die Chance für einen Wandel der Preispolitik: „Es kann sein, dass die Aktionsanteile auf Grund der Überschreitung besonderer Preisschwellen wieder etwas zurückgehen.“

Was die Bewertung für das Jahr 2013 betrifft, gibt es unterschiedliche Reaktionen. Das statistische Bundesamt in Wiesbaden meldet, dass die Brauereien im dritten Quartal rund 27 Mio. hl Bier und Biermischgetränke verkauft haben und damit zum ersten Mal seit 2008 wieder eine größere Menge als im jeweiligen Vorjahresquartal absetzen konnten. Grund sei das sehr gute Wetter im Juli gewesen. Dennoch ist das Fazit der Branche insgesamt eher skeptisch: „2013 verläuft als Zwischenfazit bislang für den deutschen Biermarkt noch negativer als man mit Blick auf die Langzeitentwicklung hätte prognostizieren können“, sagt Bartelt. Der Sprecher des Brauriesen Anheuser-Busch InBev geht nicht davon aus, dass sich der Biermarkt mittel- bis langfristig wieder auf ein Niveau wie vor zehn Jahren erholen wird. „Im Gegenteil, wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren weiter an Volumen im Markt verlieren werden.“ Insgesamt werde der deutsche Biermarkt in den nächsten 10 bis 15 Jahren noch weitere 15 bis 20 Mio. hl verlieren, wenn die Entwicklung so weiterverläuft wie bisher.

Optimistischere Töne sind hingegen bei Krombacher zu vernehmen. „Unsere Steigerung der Marktanteile von Krombacher Pils auf 10,4 Prozent in der Periode Juli/August 2013 ist ein neuer Höchststand. Insbesondere wenn man bedenkt, dass wir uns auf den anderen Sortenmärkten – vor allem bei den alkoholfreien Bieren – ebenfalls dynamisch entwickeln“, sagt Maubach. Alkoholfrei ist ein Trend, der immer noch anhält. Von den großen Marken gibt es mittlerweile kaum noch eine, die nicht auch als alkoholfreie Variante in den Getränke- und Supermärkten zu finden ist. So sorgen neben den klassischen Pils-, Radler- und Weizen-Varianten auch Neuheuten wie die Fassbrause für Dynamik im Markt. Ob solche Impulse langfristig helfen, die Einbußen aus dem sinkenden Pro-Kopf-Verbrauch bei Bier zu kompensieren, bleibt abzuwarten.

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Bild öffnen „Geiz ist geil“ scheint out. Mittlerweile gibt es im Handel auch Craft-Biere zu höheren Preisen. (Foto: fotolia)
Bild öffnen „Allein innerhalb von drei Jahren stiegen die Energie-kosten um 40 Prozent an.“ Dr. Volker Kuhl, Veltins
Bild öffnen „Unsere Preis-Erhöhung wurde vom Handel durch-gehend akzeptiert.“ Stephan Maubach, Krombacher

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