Zum Interview trägt Gerhard Schilling einen auffälligen Handschmuck. „Das ist ein Jubiläumsring. In diesem Jahr bin ich 20 Jahre Geschäftsführer bei Almdudler“, erzählt der Manager. Zwei Jahrzehnte – in der Konsumgüterindustrie, wo das Spitzenpersonal häufig wechselt, ist das eine halbe Ewigkeit. Schilling, 1964 in Wien geboren, sammelte erste Erfahrungen bei einem österreichischen Sekthersteller sowie einer Vorarlberger Destillerie. 2004 folgte er dem Ruf der Unternehmerfamilie Klein, die hinter der Kräuterlimonade Almdudler steht. Thomas Klein, Sohn des Firmengründers Erwin Klein, suchte jemanden, der die Modernisierung und Expansion der besonders in Österreich bekannten Kräuterlimonade vorantreibt.
Und Schilling ist erfolgreich. Als Familienunternehmen hält sich Almdudler mit der Veröffentlichung konkreter Geschäftszahlen zwar zurück. 2007 wurde aber ein Umsatz von 14 Millionen Euro veröffentlicht. Ende 2022 sprach die österreichische Kronen Zeitung von einem Erlös „jenseits der 50 Millionen“ mit 70 Mitarbeitern. „Diese Zahlen sind eine solide Grundlage, um die Entwicklung nachzuvollziehen“, bestätigt Schilling im LP-Interview.
Besonders im Blick des Geschäftsführers ist neben der Markenpflege die Expansion auf dem deutschen Markt. Almdudler in der Plastikflasche, die vor allem für den klassischen Lebensmitteleinzelhandel wichtig ist, wird hierzulande von dem österreichischen Eistee-Produzenten Pfanner vertrieben. Im Sommer letzten Jahres haben Schilling und Vertriebschef Thomas Horak die Entscheidung getroffen, den Vertrieb der auffälligen Individual-Glasflasche in Deutschland selbst in die Hand zu nehmen. Der bisherige Vertriebspartner Franken Brunnen beschränkt sich seitdem nur noch auf die Abfüllung der Kräuterlimo. Der Vertrieb im Norden wird über Carolinen Brunnen (Bielefeld) der Hassia Gruppe sichergestellt. „In Deutschland haben wir durch die Umstellung unseres Geschäftsmodells eine bemerkenswerte Umsatzsteigerung erzielt. Das liegt daran, dass wir tiefer in die Wertschöpfungskette eingreifen“, bilanziert Schilling diese Entscheidung und spricht von einem aktuell zweistelligen Absatzwachstum im Nachbarland. Besonders ist dies bei der zuckerfreien Variante zu beobachten. Die Marktforscher von Nielsen attestieren Almdudler Zuckerfrei ein starkes Plus von 79,2 Prozent im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (LEH, Drogerie- und Getränkemärkte). Zuckerfreie Varianten machen demnach mittlerweile schon fast 20 Prozent des Limonaden-Marktes aus.
Die Expansion wird aus Köln gesteuert
Die durchschnittliche Bekanntheit der Marke liege laut Unternehmen national bei 60 Prozent, in Süddeutschland sogar bei 85 Prozent. „Es gibt ein gewisses Süd-Nord-Gefälle: Je näher man an Österreich ist, desto bekannter und alltäglicher ist Almdudler. Es ist dort nicht nur eine romantische Urlaubserinnerung“, so der Almdudler-Chef. Um die Lücken im Rest der Republik zu schließen, haben die Wiener jetzt ein Vertriebsbüro im angesagten Kölner Agnesviertel eröffnet. Insgesamt sind für Almdudler in Deutschland schon 20 Außendienstler unterwegs. „Da war es an der Zeit, eine Homebase zu schaffen, wo sich die Teams treffen und Meetings abhalten können“, erklärt Vertriebschef Horak. Die Wahl sei für Köln ausgegangen, da Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnern einen attraktiven Standort darstelle.
In Köln arbeiten drei Teams daran, die Erfolgsgeschichte der Kräuterlimo in Deutschland weiterzuschreiben: Das Key Account Management steht vor allem beim klassischen Lebensmitteleinzelhandel auf der Matte und wird von dem ehemaligen Bionade-Manager Mike Butz angeführt. Die „Markenbotschafter“ betreuen unter der Riege von Christopher Witzig den Außer-Haus-Markt. „PoS-Spezialisten“ wiederum nennt sich das Team um Mike Mühlberger (ehemals Red Bull), das den Getränkeabholmarkt beackern soll. Der Einzug in Köln wurde mit einer breit angelegten Out-of-Home-Kampagne begleitet. Bis zu 20 Millionen Kontakte sollen dabei im Oktober mithilfe von Großflächenplakaten und Videotafeln an hochfrequentierten Plätzen erreicht worden sein. „Wir wollten zeigen, dass wir es ernst meinen und langfristig in Deutschland präsent sein werden“, so Schilling. Es werde nicht mehr lange dauern, bis man hier den wichtigsten Absatzmarkt Österreich einholen oder sogar übertreffen könne. Noch sei die Alpenrepublik Almdudler-Land Nummer eins und sowohl beim absoluten Volumen als auch Pro-Kopf-Verbrauch Spitzenreiter. „Aber wenn wir uns die Wachstumsdynamik anschauen, dann ist diese in Deutschland wesentlich höher“, so Horak.
Händler bleiben bei Preiserhöhungen gelassen
Beim Markenaufbau wollen Schilling und Horak vor allem auf Präsenz am jeweiligen Verkaufsort setzen, was zeit- und personalintensiv sei. Sorgen vor Preisschlachten oder der Marktmacht der vier großen deutschen Handelsketten haben die österreichischen Aufsteiger nicht. Man sei noch nicht an dem Punkt, wo man mit den vier marktdominierenden Handelsketten die ganz großen Verhandlungen führe. „Wir sind eher die Premium-Kirsche auf der Torte, aber nicht der Kuchen selbst“, erklärt Schilling. Diese Position gibt Spielraum für die Preisgestaltung. Die verhältnismäßig kleine Marke Almdudler sei noch nicht im ständigen Kreislauf gefangen, bei dem jede zweite Woche ein Handzettel erscheinen muss und man bei einem Ausfall sofort Volumen verliert. Nötige Preiserhöhungen seien leichter durchzusetzen als bei der Konkurrenz der internationalen Großkonzerne.
Seit der Vertriebsübernahme für die Glasgebinde ist man mit neuen Preisen auf die Partner zugegangen. Auch im Bereich der PET-Flaschen und Dosen wurden im letzten Jahr die Preise erhöht. Offenbar ohne größeren Gegenwind: „Der Handel weiß: Wer sich einen Almdudler gönnen möchte, sucht ja diesen kleinen Urlaub in der Flasche. Da spielen 10 Cent mehr pro Flasche keine große Rolle“, so Schilling. Auch größere Rabattschlachten sind kein Thema für Almdudler. Die Glasflasche werde nicht in großem Stil beworben. „Bei den PET-Flaschen setzen wir immer wieder Impulse, aber natürlich nicht in dem Ausmaß, wie es die großen Marktteilnehmer tun würden“, so der Geschäftsführer. Umsatzmäßig halten sich Ein- und Mehrweg bei einem Verhältnis von 50:50 die Waage, während PET absatzmäßig stärker ist und die Dose in den Supermärkten an Bedeutung gewinnt.
Herkulesaufgabe Getränkeabholmarkt
Anders als beim Lebensmitteleinzelhandel sei der Getränkegroßhandel mit den Fachmärkten in Deutschland sehr fragmentiert. „Als kleines Familienunternehmen müssen wir uns auf die verschiedenen Player in jedem Bundesland einstellen“, erklärt Horak. Almdudler sei nicht groß genug, um einfach den gesamten Markt abdecken zu können. Stattdessen nutze man die Chance, in neuen Gebieten Wachstum zu generieren, wo man noch relativ unbekannt ist. „Unser Fokus liegt auf PoS-Aktivierungen und maßgeschneiderten Promotions mit unseren Partnern, was extrem aufwendig ist“, so Schilling.