Unter dem Weihnachtsbaum liegt schön verpackt ein nicht ganz günstiger Single Malt Whisky aus den schottischen Highlands. Zum Fondue gibt es natürlich den guten Rotwein, und auch der prickelnde Sekt oder Prosecco zum Jahreswechsel gehört für viele Menschen einfach dazu.
Keine Frage: Die letzten Wochen des Jahres sind häufig ein Fest der Sinne, aber nicht unbedingt der Gesundheit. Deutschland gilt noch immer als Trinker-Paradies. Im Vergleich zu vielen Ländern ist Alkohol vergleichsweise gering besteuert und der Konsum hoch. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen bezifferte den Verbrauch an Reinalkohol pro Kopf im Alter ab 15 Jahren hierzulande auf 10 Liter im Jahr 2020. Das ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO fast doppelt so viel wie der weltweite Durchschnitt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt einen deutlichen Trend zu einem moderateren Alkoholkonsum, gerade bei der jüngeren Generation. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung veröffentlichte unlängst Zahlen dazu. Sie belegen, dass der Anteil der männlichen Konsumenten zwischen 18 und 25 Jahren, die regelmäßig Alkohol trinken, 2023 auf 38,8 Prozent zurückgegangen ist. Zum Vergleich: In den 1970er-Jahren lag dieser Wert schon einmal bei bedenklichen 84,6 Prozent.
Kampagnen wie der „Sober October“ und „Dry January“, die sich seit 2010 vor allem von Großbritannien aus über die sozialen Netzwerke verbreiten und in anderen Ländern etablieren, befeuern diesen Trend. Im Jahr 2020 nahmen laut der Wohltätigkeitsorganisation Alcohol Change UK immerhin 4 Millionen Briten am trockenen Januar teil, bei dem ein Monat lang komplett auf Alkohol verzichtet wird. Belastbare Zahlen aus Deutschland gibt es zu dem Trend nicht.
Die Produzenten alkoholischer Getränke blicken auf die Lust der Verbraucher am rauschfreien Feiern längst nicht mehr mit Sorge, sondern sehen unternehmerische Chancen. Beste Erfahrung mit dem Segment hat die Brauindustrie. „Ein Erfolgsfaktor der deutschen Brauwirtschaft ist ihre Innovationskraft, die sich auch am Boom der alkoholfreien Biere zeigt“, erklärt Holger Eichele vom Deutschen Brauer-Bund. Derzeit gebe es in Deutschland 800 nach dem Reinheitsgebot gebraute alkoholfreie Marken. Das sei Weltspitze. Bald wird jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier ohne Umdrehungen auskommen. Kein anderes Segment der Branche habe in den letzten zehn Jahren so stark zugelegt wie alkoholfreie Biere und alkoholfreie Mischgetränke. Seit 2007 hat sich laut dem Verband die Produktion in Deutschland sogar mehr als verdoppelt – auf 665 Millionen Liter im Jahr 2023. Dabei geht der Absatz von klassischem Bier seit Jahren zurück.
Alkoholfrei als Wachstumsmodell
Alkoholfreie Innovationen als Garant für ausgelastete Abfüllanlagen und Sicherung des Geschäftsmodells – dies gilt auch für andere Getränkegruppen. Beispiel Schaumwein: Nach Erhebungen des Sektverbandes haben die deutschen Hersteller 2023 im eigenen Land rund 245 Millionen 0,75-l-Flaschen Sekt verkauft. Das entspricht einem Rückgang von rund 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Gegensatz dazu steigt die Nachfrage nach alkoholfreiem Sekt. Im Jahr 2023 kauften die Deutschen rund 18 Millionen Flaschen der „schäumenden Getränke aus entalkoholisiertem Wein“, wie sie weinrechtlich korrekt bezeichnet werden.
Alkoholfreie Sparklingvarianten erreichten im Inland 2023 erstmalig einen Marktanteil von 7,4 Prozent und gegenüber 2022 einen Absatzzuwachs von 9,7 Prozent. Große Hersteller wie Henkell Freixenet setzen daher zunehmend auf Neuheiten wie Mionetto Prosecco alkoholfrei, der sich mit dem ebenfalls alkoholfreien Aperitivo Mionetto zu einem Spritz mischen lässt. „Freixenet und Mionetto erlebten bedeutende Umsatzsteigerungen, die von Innovationen wie alkoholfreiem Spumante und Aperitifs begleitet werden und damit aktuelle Verbrauchertrends treffen“, sagt Dr. Andreas Brokemper, Vorsitzender der Geschäftsführung von Henkell Freixenet.
Hauptwettbewerber Rotkäppchen-Mumm wagt sich sogar an die noch kleine Kategorie alkoholfreier Wein. Seit zwei Jahren wird die erfolgreiche italienische Weinmarke Doppio Passo auch für Abstinenzler verkauft, als „Primitivo Alternativa“ und „Bianco Alternativa“. Mit Secconade kündigte Rotkäppchen-Mumm-Chef Christof Queisser zudem unlängst die Innovation Secconade für 2025 an. Den Premix aus Secco und Limonade soll es in den Sorten Pink Grapefruit, Zitrone und Blutorange – jeweils mit 5,5 Volumenprozent – geben, hinzu kommt die koffeinhaltige Variante „Seccomate“ mit 7 Volumenprozent Alkohol. Auch Getränke mit geringerem Alkoholgehalt, das hätte eine eigene Befragung ergeben, würden stärker nachgefragt.