Saftindustrie am Limit Warum 100-prozentiger Orangensaft für viele Kunden unbezahlbar wird

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Die Deutschen trinken immer weniger Fruchtsaft. Der Klimawandel verteuert die Rohwaren. Wer 100 Prozent Saft will, muss in Zukunft noch tiefer in die Tasche greifen.

Freitag, 13. September 2024 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Warum 100-prozentiger Orangensaft für viele Kunden unbezahlbar wird
Lars Wagener ist seit Anfang des Jahres CEO der Eckes-Granini Group. Vorher war er Vorstandsvorsitzender der Laurens Spethmann Holding. Bildquelle: Eckes-Granini

Ein hart gekochtes Ei, dampfender Kaffee, Spiegeleier, frischer Orangensaft und dazu eine gut gelaunte Familie, die um den Frühstückstisch sitzt und sich des Lebens freut. So könnte man sich eine klassische Werbung für Orangensaft aus den 1980er-Jahren vorstellen. Doch dieses Bild entspricht nicht mehr der Realität. Das traditionelle Frühstück hat weitgehend ausgedient. Im hektischen Alltag entscheiden sich viele Menschen sogar für das Auslassen der Mahlzeit. Eine Entwicklung, die Safthersteller beunruhigt beobachten. Für ihr Produkt gibt es immer weniger Konsumanlässe. Extreme Wetterbedingungen in den Anbauländern sorgen zudem dafür, dass die Rohwaren und damit auch Regalpreise steigen. „Als Eckes-Granini schauen wir mit Sorge auf die aktuelle Situation im Saftmarkt“, erklärt Lars Wagener, Chef der Eckes-Granini Group, gegenüber der Lebensmittel Praxis. Wagener, der Anfang des Jahres Tim Berger an der Spitze des europäischen Marktführers ablöste, sieht sich mit explodierenden Preisen für Zitrusfrüchte konfrontiert. An den Rohstoffbörsen wird beispielsweise Orangensaft derzeit im Vergleich zu Anfang 2022 mit bis zu 150 Prozent Aufpreis gehandelt.

Hintergrund sind schlechte Ernten in Brasilien, dem weltweit größten Produ­zen­ten von Orangensaft. Eine Kombination aus hohen Tempe­ra­tu­ren und starkem Wassermangel wie auch die Krankheit Citrus Greening, die zum Absterben der Bäume führt, machen den brasilianischen Planta­genbetreibern zu schaffen. Doch auch in Deutschland und Europa sieht es düster aus. „Schlechte Ernten beim Apfel, bei der Schwarzen Johannisbeere und beispielsweise auch bei Rhabarber haben dazu geführt, dass am Markt auch bei diesen Rohstoffen eine ausgeprägte Knappheit besteht“, weiß Wagener zu berichten. Die Apfelernte in Deutschland wird in diesem Jahr so gering ausfallen wie seit sieben Jahren nicht mehr, erklärt auch das Statistische Bundesamt. Hagel habe viele Fruchtansätze zerstört. Die Ernteausfälle betragen in Teilen Deutschlands bis zu 90 Prozent.

In Europa sieht es nicht besser aus: „Wegen des Klimawandels müssen wir uns darauf einstellen, dass in den kommenden Jahren in Europa weniger Obst produziert wird“, sagt Experte Helwig Schwartau von der Agrar-Informations-Gesellschaft AMI. Der Preis für Apfelsaft liegt laut Statistischem Bundesamt aktuell 33 Prozent höher als 2020.Fruchtsaftkonsum

Höhere Preise sind unvermeidbar

Das ist eine Preisexplosion, die die Hersteller den von einer allgemeinen Inflation geplagten Konsumenten eigentlich ersparen wollen. Sie suchen nach neuen Produktkonzepten. Marktführer Eckes-Granini ersetzte seinen Orangensaft der Marke Granini kurzerhand durch einen Nektar mit nur noch 50 statt 100 Prozent Saftanteil, was von Verbrau­cher­schüt­zern als „Mogelpackung“ bezeichnet wurde. Laut Wagener werden diese Alternativen aber gut angenommen. „Solche Produkte funktionieren am Markt so gut, weil wir Verbrauchern ein preissensibles Angebot mit einer hohen Qualität machen können.“

Wettbewerber Valensina, traditionell ein reines Saftunternehmen, setzt seit Kurzem auch auf Eistee und „Saftlimos“. Der Fruchtanteil liegt bei 10 bis 20 Prozent. Offiziell wird dieser Schwenk hin zu Erfrischungsge­trän­ken in Mönchengladbach mit der steigenden Nachfrage im Markt begründet. Doch dürften auch hier die gestiegenen Rohwarenpreise eine Rolle gespielt haben.

Amecke Fruchtsaft wiederum entscheidet sich für die Flucht nach vorn: Mit der neuen Range „Citrus“ bieten die Sauerländer Produkte mit 100 Prozent Saft an. Bei der dazugehörigen Kampagne konnte sich der Hersteller einen Seitenhieb auf den Wettbewerb nicht verkneifen: „Mit Wasser und Zucker versetzten Nektar wird es bei uns nicht geben.“ Die Linie ist allerdings teurer als andere Säfte des Herstellers.

Dass Preiserhöhungen in Zukunft weiter unumgänglich sind, glaubt auch Klaus Heitlinger, Geschäftsführer beim Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF). „Unter 2 Euro pro Liter kann Orangensaft im Handel nicht mehr kostendeckend verkauft werden“, glaubt er. Auch Wagener kündigt gegenüber der Lebensmittel Praxis Preiserhöhungen an: „Eckes-Granini wird die Preise anpassen müssen, um die Verfügbarkeit der Rohwaren sicherzustellen und unsere Produkte auch weiter dem Konsumenten anbieten zu können.“ Wagener konkretisiert die Erhöhun­gen bei Orangenprodukten zwischen plus 30 bis 40 Prozent.

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