Nicht mehr nur Bier Oettinger kann auch teuer - warum der Brauer jetzt auf Premium setzt

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Der Biermarkt schrumpft. Für Alkoholfreies geben Konsumenten dagegen immer mehr aus. Brauereien investieren deshalb in Erfrischungsgetränke. Manche ändern sogar ihren Namen.

Donnerstag, 04. Juli 2024, 06:00 Uhr
Tobias Dünnebacke
Bildquelle: Oettinger Getränke

In den medialen Abgesang auf die deutsche Brauwirtschaft will Stefan Blaschak öffentlich nicht einstimmen. Es sei ein Irrglaube, dass allein Absatz und Auslastung zählen, erklärt der ehemalige Berentzen-Vorstand, der seit einem Jahr das Ruder beim bayerischen Brauer Oettinger in der Hand hat. „Was stimmen muss, sind Umsatz und Gewinn.“

Der CEO reiht sich damit ein in die Riege vieler Braumanager, die das Wort Hektoliter am liebsten gar nicht mehr in den Mund nehmen wollen. Aus guten Gründen: Der Biermarkt ist im vergangenen Jahr wieder deutlich geschrumpft (minus 4,5 Prozent auf 83,8 Millionen Hektoliter). Der Rückgang entspricht etwas mehr als dem Ausstoß einer großen Brauerei wie Veltins. Wertmäßiges Wachstum muss also her, weshalb die Traditionshäuser immer stärker auf den Markt der alkoholfreien Getränke schielen.

Beispiel Oettinger: Der fast 300 Jahre alte Traditionsbrauer firmiert mittlerweile unter dem bezeichnenden Namen „Oettinger Getränke“. Die Losung aus der Chefetage: Bis zum Jahr 2026 sollen 40 Prozent des Umsatzes mit alkoholfreien Getränken erwirtschaftet werden. Allein in diesem Jahr wurden den Händlern schon zwölf Neuheiten angeboten, darunter Klassiker wie Cola und Eistee. Innovativ aufstellen will sich das Unternehmen zudem mit „Oe Water“, einem „Protein Soda ready-to-drink“, für das der sonst streng auf die eigene Streckenlogistik ausgerichtete Brauer erstmals sogar einen Online-Shop eingerichtet hat. „Wir wollen unab­hängiger werden von Preisschwan­kungen, vom Handel, von Partnern und eben vom sinkenden Bierabsatz in Deutschland“, sagt Blaschak der LP. Der Hashtag „Never normal“ passt denn auch zum stolzen Preis der Proteinbombe im Probierpaket: 3,58 Euro je Liter sind für das in der Allgemeinheit noch immer als Preisein­stiegsbrauer bekannte Unternehmen eine neue Sphäre. Nachdem Oettinger Anfang des Jahres laut Brancheninsidern Aufträge zum Brauen der Aldi-Eigenmarke Karlskrone verloren hat, passt die neue Hochpreismarke zur strategischen Ausrich­tung von Blaschak: weg vom Mengenfetisch bei Bier hin zu wertmäßigem Wachstum durch andere Getränke-Kategorien.

Krombacher bleibt das Role Model

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Als die Krombacher Brauerei 2006 unter anderem die Vertriebsrechte für Schweppes übernahm, sorgte das bei alteingesessenen Braufürsten noch für die eine oder andere Lästerei. Heute machen die Kreuztaler rund 40 Prozent ihrer Umsätze mit alkoholfreien Getränken. Sehr zum Neid von manchem Wettbewerber, der nun nachholen will, was damals verpasst wurde. Während Veltins der AfG-Versuchung noch widersteht, hat sich die Warsteiner-Gruppe ebenfalls umbenannt, möchte nach Aussagen von CEO Helmut Hörz nicht mehr als „reine Bier-Company“ wahrgenommen werden und hofft, sich durch Beteiligun­gen wie am Augsburger Start-up „Hye“ ein größeres Stück vom AfG-Kuchen abzuschneiden.

Dass das Modell Krombacher auch woanders Schule macht, zeigt ein Blick nach Stuttgart. Fabian Huber wollte der angestaubten Brauwelt eigentlich entfliehen. Der 40-jährige CEO der noch recht jungen Stuttgarter Markenschmiede Unibev hat sich zwar neun Jahre lang seine Sporen bei der süddeutschen Biergröße Dinkelacker verdient und dort Marketing und Vertrieb für die Hellbier­marke „Wulle“ vorangetrieben. An die Gründung seiner Kreativschmiede Unibev im Jahr 2019 erinnert er sich aber wie folgt: „Unser Credo war: Die Getränkebranche, sowohl bei Bier als auch Saft, ist unheimlich angestaubt. Und trotzdem sahen wir enormes Potenzial für neue Produkte.“

Deutsche Brauwirtschaft in Zahlen

Huber und sein Team sind mit der erfolgreichen Influencer-Marke Bratee (nationale Listung unter anderem bei Edeka und Rewe) in den Corona-Jahren zu den Shootingstars der deutschen Getränkebranche geworden. Und das während der Pandemie, als die auf Gastronomie spezialisierten Marken-Experten nahezu komplett auf den LEH umstellen mussten. Paradoxerweise führt ihn der Erfolg jetzt wieder an den Ort, dem er entkommen wollte: in die große Brauwelt. Aktuell baut der studierte Jurist drei Marken für die neue Gastro-Einheit Taste Traders der Bitburger Braugruppe auf. Das Sortiment besteht aus Coleman (Filler), Schørl (Schorle) und Coldleaf (Eistee) und erinnert auffällig an das Portfolio der Krombacher Trendschmiede Drinks & More. Der Geschäftsführer der neuen Einheit ist mit Valentin Hillengass auch kein Unbekannter. Der 36-Jährige ebenfalls aus Stuttgart stammende Schwabe war neun Jahre bei Krombacher beschäftigt.

„Ich habe bei Drinks & More gelernt, was funktioniert und was nicht“, erklärt der umtriebige Vertriebler gegenüber der Lebensmittel Praxis. Dies gelte für die Produkte als auch die Organisation. „Bei Drinks & More ist die Fluktuation enorm, was für Unruhe nach innen und außen sorgt.“ Das wolle er nun besser machen, höhere Gehälter zahlen und so das Know-how der Außendienstler bei sich im Unternehmen halten.

Ob die AfG-Träume der Brauer wahr werden, steht auf einem anderen Blatt: Laut GfK Consumer Panel sind Limos und Co. im Jahr 2023 wertmäßig um 6,9 Prozent gewachsen. Getrieben war dies aber von Handelsmarken und Aktionen. Ein Allheilmittel scheint die neue Liebe der Brauer zu AfG demnach nicht zu sein.

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