Pfandautomaten Wider den Gestank

Pfandautomaten im Handel riechen besonders im Sommer oft alles andere als einladend. Das Problem wird sich 2024 mit der erweiterten Pfandpflicht auf Milchprodukte verschärfen.

Montag, 11. Dezember 2023 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Wider den Gestank
Bildquelle: Adobe Stock

Spricht man Lebensmittel-Einzelhändler auf das Hauptproblem der Flaschen- und Dosensammlung an, fällt unisono der Begriff Gestank. Schales Bier oder vergorene Saft­reste entwickeln sich vor allem im Sommer zum echten Ärgernis vor und hinter vielen Rücknahmeautomaten. „Jahrelang wurde das Problem zwischen Handel und Automatenherstellern hin- und hergeschoben, ohne dass es eine echte Lösung gab“, berichtet ein Händler. Auch Andrej Janzen, Leiter Edeka Adam in Bruchmühlen (nördlich von Bielefeld), kennt das Problem mit unangenehmen Gerüchen. „Natürlich ist es abhängig vom Markt und davon, wie oft man die Automaten reinigt. Wir legen großen Wert auf Hygiene – und da, wo unsere Kunden hinkommen, geht es. Schwierig wird es im rückwärtigen Bereich, hinter den Kompaktoren. Hier kommen wir nicht hin und hier entstehen insbesondere im Sommer unangenehme Gerüche“, so der Marktleiter.

Dieses Problem wird sich für ihn und andere Händler jetzt noch einmal deutlich verschärfen: Zum Jahresstart 2024 bekommen Milch, Milchmischgetränke und alle trinkbaren Milcherzeugnisse, die in Einwegplastikflaschen mit einem Volumen von 0,1 bis 3 Liter angeboten werden, das DPG-Pfandlogo. Laut Verpackungsgesetz werden diese Getränke also pfandpflichtig und können ebenfalls an den Rücknahmeautomaten des Handels zurückgegeben werden. Bei der Deutschen Pfandsystem GmbH (DPG) sieht man diese erweiterte Pfandpflicht grundlegend positiv. Durch die neue Gesetzgebung würden noch mehr Plastikflaschen gesammelt, zerkleinert und die Rohstoffe einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zugeführt, heißt es bei der DPG. Auch Edeka-Händler Dirk Goerzen aus Koblenz hat kein grundsätzliches Problem mit der Pfanderweiterung: „Ehrlich gesagt halte ich das schon für lange überfällig. Ich habe die Sonderrolle für Produkte von beispielsweise Müller-Milch nie verstanden.“ Laut Goerzen holen seine Mitarbeiter 60 bis 70 Säcke mit rund 800 gestanzten Flaschen und Dosen pro Woche aus dem Automaten. Mit der neuen Pfandpflicht wird sich diese Frequenz für ihn noch mal erhöhen.

Um auf Probleme unter anderem mit der Geruchsentwicklung vorbereitet zu sein, haben Händler und Automatenhersteller auf Initiative der DPG im Rahmen einer Fachgruppe mögliche Vorkehrungen diskutiert und getestet. „Sollte es aber tatsächlich zu derartigen Problemen kommen, gehen wir davon aus, dass die beteiligten Händler und Automatenhersteller auf Basis erster Praxiserfahrungen wirksame Gegenmaßnahmen entwickeln und umsetzen können“, erklärt Robert Jansen, Geschäftsführer der DPG, gegenüber diesem Magazin. Die DPG sei aber zu keinem Zeitpunkt in die operativen Entschei­dungen der Marktakteure eingebunden. „Entsprechend werden weder von uns noch von den Behörden spezielle Vorgaben zum Thema einer möglichen Geruchsbelästigung gemacht.“

So weit, so pragmatisch. Vielen Händlern allerdings graut davor, was im Markt los sein könnte, sollte sich zu all den Gerüchen am Rückgabeautomaten bald auch der Duft verschimmelter Milch hinzugesellen. Nicht selten hört man Ärger gegenüber der Politik, aber auch den Automatenherstellern heraus. Viele Händler fühlen sich mit dem Problem alleingelassen.

Hersteller bieten eigene Lösungen an
Fragt man beim Marktführer Tomra nach, klingt das Ganze weniger dramatisch: „Aus ökologi­scher Perspektive ist diese Erweiterung der Pfandpflicht aufgrund des positiven Beitrags zur Kreislaufwirtschaft zu begrüßen“, sagt Thomas A. Løstegård, Vice President Tomra Collection Deutschland. „Für die Rücknahme von Milchverpackungen empfehlen wir, die Transportstrecke der Verpackungen und die Verweildauer in den Sammelbehältern so kurz wie möglich zu halten. Auf diese Weise lässt sich zusätzliche Verschmutzung bestmöglich eindämmen. Für Lebensmittelhändler, die möglichst wenig Aufwand mit der Reinigung der Automaten haben möchten, bieten wir einen Reinigungs- und Wartungsservice an, der auf die besonderen Anforderungen von Milch- und Milchmischverpackungen abgestimmt ist“, so Løstegård weiter. Letztendlich seien mögliche Maßnahmen aber auch davon abhängig, wie groß das Volumen an Verpackungen ist, das tatsächlich ab Anfang 2024 zurückgegeben wird.

Auch bei Remondis Recycling beschäftigt man sich mit dem heiklen Thema. Das Unternehmen aus Essen hatte 2021 den Bereich Leergutrücknahmeautomaten von der Diebold Nixdorf Incorporated übernommen und ist seitdem neben Tomra der zweite große Player im Markt der Getränkerücknahme. „Die erweiterte Pfandpflicht stellt Handel und Leerguttechnik vor neue Aufgaben. Unsere Antwort darauf ist Clean Flush. Mit dieser Reinigungslösung begegnen wir wirkungsvoll den zu erwartenden höheren Verschmutzungen, insbesondere der Konta­mi­nation mit organischen Materialien“, weiß Kay Dotzauer, Vertriebsleiter D-A-CH der Remondis Tochter RE Deposit Solutions, zu berichten. Bei Clean Flush verteilt sich eine Flüssigkeit „explo­sionsartig“ auf den entsprechenden Kompo­nen­ten in der Maschine. Dieser Prozess soll weniger als fünf Minuten dauern und muss einmal die Woche durchgeführt werden, um eine hygieni­sche Sauberkeit, besonders im Bereich, in dem die Milchrückstände auftreten, zu gewährleisten. „Die Einführung erfolgt parallel zur Umsetzung des neuen Verpackungsgesetzes für Milchmixgetränke und wird für Kunden als Jahresabo bestellbar sein“, heißt es bei dem Hersteller von Leergutautomaten.

Neuer Problemlöser am Markt
Matthias Oesterwinter, Vertrieb und Entwicklung bei Green Red Marketing Solutions, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Geruchssituation im Lebensmitteleinzelhandel. Oesterwinter will ein Produkt mit dem Namen „No Odor“ an den Händler bringen und sieht mit der kommenden Pfandpflicht auf Milchprodukte sein Momentum gekommen: „Im Jahr 2015 haben wir uns bereits intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir haben alle Betreiber und Hersteller kontaktiert, um eine Lösung auf Basis der Mikrobiologie zu präsentieren, die gegen unangenehme Gerüche wirksam ist. Wir sind dabei mehr oder weniger auf taube Ohren gestoßen.“ Doch das sieht jetzt anders aus. Oesterwinter und seine Kollegen haben für ihr Produkt, das mit den Entwicklungspartnern Intelligent Fluids (Leipzig) entworfen wurde, bereits Deals mit Rewe, Edeka und Bünting abgeschlossen. Weitere Händler sind interessiert. „Hier brennt gerade der Baum, das Interesse ist auf einmal sehr groß“, so Oesterwinter.

Hinter seinem Produkt steckt eine Techno­logie auf der Basis von amorphem Siliziumdio­xid. Einfacher gesagt: Es handelt sich um Sand oder Quarz, aufgelöst in sehr kleine Bestandteile. „Durch die Behandlung auf molekularer Ebene ist es unseren Forschungskollegen gelungen, deren Oberfläche so zu verändern, dass schlechte Gerüche angelockt und per Katalyse auf der Oberfläche entschärft werden. Dieser Prozess geht völlig chemiefrei vonstatten“, so Oesterwinter über seine Reinigungslösung, die mittels Vernebelung in den Räumen verteilt wird. „Das ist zum ersten Mal eine für uns funktionierende Lösung“, bestätigt Edeka-Händler Andrej Janzen. „Meine Mitarbeiter sind auf jeden Fall froh, dass ihr Arbeitsplatz nicht mehr stinkt, und für den kommenden Sommer und die zurückkommenden Milchverpackungen sehen wir uns damit auch gut gewappnet.“

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