Lage der Brauer „Keine 
Atempause“

Christian Weber (Foto), der neue Chef beim Deutschen Brauer-Bund, gibt im LP-Interview seine Einschätzung zur Lage der Brauer.

Freitag, 01. Dezember 2023 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Keine 
Atempause“
Bildquelle: Christian Lietzmann

Sie sind seit diesem Sommer neuer Präsi­dent des Brauer-Bundes. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in Ihrem Amt?
Christian Weber: Es sind fordernde Zeiten für unsere Branche. Erst hatte die Corona-Pandemie eine beispiellose Absatzkrise ausgelöst, deren Folgen viele Brauereien noch nicht annähernd überwunden haben. Dann folgten der Angriff auf die Ukraine und eine Energiekrise mit stark gestiegenen Kosten, die wir in den Betrieben bis heute spüren. Zur Inflation kommt nun noch eine Konsumzurückhaltung, die auch der Brauwirtschaft immer mehr zu schaffen macht. In dieser Ausnahmesituation ist ein Wirtschaftsverband als Interessenvertretung natürlich besonders gefordert. Denn auch die Politik gönnt uns keine Atempause, im Gegenteil: Das Tempo der Regulierung in Berlin und Brüssel wurde noch erhöht, etwa bei der Energie- oder der Verpackungspolitik.

Wie ist es zu erklären, dass nach der 
langen Pandemie-Phase der Bierabsatz trotz nun geöffneter Gastronomie noch immer schwächelt?
Auf der einen Seite war es großartig zu sehen, wie die Menschen nach Ende der Pandemie wieder in Gaststätten und Restaurants geströmt sind, in Kneipen und Bars, zu Konzerten und Festivals. Auf der anderen Seite stellen wir mit Sorge fest, dass der Neustart der Gastronomie nicht so ausgefallen ist, wie wir alle uns das gewünscht hatten: Alleine in den Jahren der Pandemie hat das Gastgewerbe in Deutschland 36.000 steuerpflichtige Unternehmen verloren. Aktuell sind immer noch rund 100.000 Menschen weniger in der Branche beschäftigt als vor der Pandemie, ergab kürzlich erst eine Studie im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Ähnlich wie den Brauereien setzen auch den Gaststätten und Hotels der hohe Kostendruck und die Konsumflaute massiv zu. Ich appelliere mit allem Nachdruck an Regierung und Bundestag, die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie dauerhaft bei 7 Prozent zu belassen. Eine Erhöhung würde zu noch größerer Konsumzurückhaltung führen und würde im Gastgewerbe und bei Brauereien noch mehr Betriebe und Arbeitsplätze gefährden.

Wie bewerten Sie die Entwicklung der Preise im Handel?
Auch wenn sich die Energiepreise stabilisiert haben, stehen die Brauereien weiter unter einem immensen Kostendruck. Die Produktionskosten liegen nach wie vor weit über dem Vorkrisenniveau. Dennoch konnten die aus unserer 
Sicht dringend notwendigen Preiserhöhungen im Handel bisher nur teilweise umgesetzt 
werden.

Viele Brauer wollen bei der Energie autarker werden, können sich hohe Investitionen aber kaum leisten. Ihre Forderung?
Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen. Ein ambitioniertes Ziel, das für die gesamte Ernährungswirtschaft eine immense Herausforderung darstellt. Der DBB wird demnächst eine Studie veröffentlichen zur Energiewende in der Brauwirtschaft. Fest steht, dass ein großer Teil der Transformation im Brausektor in einer Steigerung der Stromverwendung liegen wird. Es müssen insbesondere thermische Prozesse substituiert werden. Die Studie kommt zu dem Befund, dass es für Brauereien bis 2045 allenfalls im Einzelfall technisch möglich sein wird, aus eigener Kraft klimaneutral zu produzieren. In den meisten Fällen werden die Betriebe nicht genug Strom produzieren können, sodass ein Zukauf grüner Energien oder Kompensationsprojekte notwendig sein werden. Mit diesen Herausforderungen darf uns die Politik nicht alleinlassen.

Sprechen Sie sich für subventionierten Industriestrom aus?
Vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung entschieden, ein weiteres Strompreispaket auf den Weg zu bringen. Aus meiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung! Die geplante Regelung zielt darauf ab, die gesamte Industrie zu erfassen und nicht nur energieintensive Unternehmen. Das begrüße ich sehr. Allerdings soll die Absenkung zunächst nur für 2024 und 2025 gelten – eine Verlängerung bleibt offen. Dabei bräuchten die Unternehmen dringend Planungssicherheit, die möglichst dadurch geschaffen wird, dass die Energiepreise wieder sinken. Politische Eingriffe zum nachträglichen Ausgleich von aus dem Ruder gelaufenen Energiepreisen können nur die zweitbeste Lösung sein.

Was halten Sie von einer Mehrwegangebotspflicht auch für den Discount?
Nach wie vor werden 80 Prozent des Bieres in Deutschland in Mehrweg verkauft. Natürlich unterstützen wir das Ziel, die Kreislaufwirtschaft und den Ressourcen- und Klimaschutz zu stärken. Aber die Politik muss aufpassen, dass sie mit den Plänen für neue Verpackungsgesetze nicht das Gegenteil bewirkt. Zum Beispiel könnte die geplante Rücknahmeverpflichtung aller Gebinde für alle Vertriebskanäle unser funktionierendes Mehrwegsystem durch mehr Komplexität aushebeln.

Sollten die Brauer für ihre teuren Kästen ein höheres Pfand verlangen?
Allein in der deutschen Brauwirtschaft sind aktuell bis zu vier Milliarden Mehrweg-Flaschen und mehr als 200 Millionen Mehrweg-Bierkästen im Umlauf. Die Pfandsätze wurden seit der Euro-Einführung nicht verändert, während die Preise für Neuglas und Kästen immer weiter gestiegen sind. Trotz der über Jahrzehnte unveränderten Pfandsätze funktioniert der Mehrweg-Kreislauf nach wie vor sehr gut. Mehrweg ist gelernt und akzeptiert, die Rückgabe über den Handel läuft reibungslos. Unter dem Strich gehen im Kreislauf nur wenige leere Flaschen und Kisten verloren, was hohe Umlaufzahlen und eine gute Ökobilanz zur Folge hat. Eine Erhöhung der Pfandsätze wird kontrovers diskutiert. Denn die Erhöhung wäre aktuell nur sehr schwierig umzusetzen, extrem kostenintensiv für die Brauereien und wäre auch nur umsetzbar, wenn alle mitziehen würden – Getränkehersteller und -abfüller, aber auch der Handel und die Verbraucher, die derzeit ohnehin allesamt mit steigenden Kosten konfrontiert sind.

Zur Person

Christian Weber ist CEO der Karlsberg Brauerei Weber mit Sitz im saarländi­schen Homburg und führt das 1878 gegründete Familienunternehmen in fünfter Generation. Im Juni löste er Dr. Jörg Lehmann als Präsident des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) ab.

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