Ob Aldi Nord, Red Bull, der Fruchtsafthersteller Rauch, Coca-Cola oder Tesla: Die wasserhungrige Industrie sieht sich immer häufiger Gegenwind ausgesetzt, wenn es um die Entnahme von Trinkwasser für die eigenen Produktionsbedürfnisse geht. „Stoppt den Ausverkauf unseres Trinkwassers!“ heißt eine Online-Petition, die bereits über eine halbe Million Unterschriften gesammelt hat. Initiator Campact ist ein deutscher Verein, der Online-Kampagnen organisiert und sich selbst als „Bürgerbewegung“ bezeichnet.
Zur Begründung heißt es unter anderem: In den letzten Jahren habe sich Deutschland zu einer der Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit entwickelt. Bedingt durch den Klimawandel würden sich extreme Wetterereignisse wie Dürre häufen. Infolgedessen könne sich der Grundwasserstand nicht mehr regenerieren. „Da über 70 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser stammen, ist auch die private Wasserversorgung von Trinkwasserknappheit bedroht; insbesondere Ost- und Norddeutschland sowie Bayern sind davon betroffen“, erklärt Campact.
Die Politik ist sich des Problems bewusst. Im März diesen Jahres wurde daher die „nationale Wasserstrategie“ verabschiedet, ein insgesamt 78 Maßnahmen umfassendes Aktionsprogramm, das bis 2030 umgesetzt sein soll. In einem Abschlussbericht des Bundesumweltamtes wird zwar konstatiert, dass „bisher in Deutschland kein Wasserstress auftritt“. Sollte sich die Wassermenge infolge klimatischer Änderungen aber verringern, „hätte dies bei gleichbleibenden Entnahmen negative Auswirkungen. In diesem Fall ist mit einer Zunahme der Konkurrenz um Wassermengen zu rechnen.“
Dass ausgerechnet die Lebensmittelindustrie an einer verschärften Konkurrenzsituation schuld sein soll, weist diese von sich. Jürgen Reichle, Geschäftsführer vom Verband Deutscher Mineralbrunnen, beispielsweise erklärt: „Die Diskussion muss sachlich und faktenbasiert und nicht ideologisch geführt werden.“ So seien die Mineralbrunnen mit einem Anteil von lediglich 0,17 Prozent an der jährlichen Gesamtwasserentnahme aller Wassernutzer ein vergleichsweise sehr kleiner Nutzer.
Wasserentnahmen unproblematisch
Ähnlich sieht es Aldi im Bezug auf das Bundesland Hessen. Dieses sei grundsätzlich sehr reich an Wasser. „Nur ein Bruchteil davon fließt in die Produktion von Getränken und Lebensmitteln“, erklärte ein Sprecher des Discounters. Das Unternehmen übernahm im vergangenen Jahr den Mineralwasserproduzenten Vitaqua im nordhessischen Breuna (Landkreis Kassel). An dem Standort bezieht es dem Sprecher zufolge Wasser aus städtischen Brunnen gegen Entgelt von der Gemeinde Wolfhagen.
Bislang habe der Nutzungsvertrag zwischen Vitaqua und den Regionalwerken Wolfhagen (RLW) eine Lieferung von bis zu 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr vorgesehen. Im neuen Wasserrechtsantrag seien die Entnahmerechte auf 1,5 Millionen Kubikmeter angepasst worden. Ein Kubikmeter entspricht 1.000 Liter. Mit dem Wasser, das entnommen werden darf, lassen sich über acht Millionen Badewannen mit einem Fassungsvermögen von 180 Litern füllen.
„Dieses Niveau ist notwendig, um den Lieferverpflichtungen nachkommen zu können“, erläuterte der Sprecher. Die Einschätzungen der Hydrogeologen gingen von langfristig stabilen Pegelständen in Breuna aus. Auch die RLW sehen keinen Grund zur Sorge. „Bisher erreichte der Getränkeabfüller die maximal erlaubte jährliche Entnahmemenge von 1,8 Millionen Kubikmetern Wasser in keinem Jahr“, teilte ein Sprecher mit.
Auch andere große Mineralbrunnen wie Rhönsprudel, Hassia oder Gerolsteiner reagieren auf Fragen und Sorgen von Bürgen in entsprechenden Statements und Info-Kampagnen. Ob dies reicht, um dem medialen Druck etwas entgegenzusetzen, bleibt abzuwarten.
Hersteller bleiben im Kreuzfeuer
Die Angst einiger Verbraucher vor einem zweiten Vittel hängt wie ein Damoklesschwert über der Branche. Seitdem bekannt wurde, dass die industrielle Abfüllung des Nestlé-Wassers Vittel in dem französischen Kurort angeblich zu einem sinkenden Grundwasserspiegel und Verteilungskämpfen zwischen Industrie, Landwirtschaft und privaten Haushalten geführt hat, sieht sich der Konzern massiv in der Kritik. Mittlerweile gibt es die Marke in Deutschland nicht mehr zu kaufen. Coca-Cola hatte Ende 2021 Pläne für einen dritten Brunnenbau im Landkreis Lüneburg aufgegeben. Auch hier hatte es kontroverse Debatten um das Grundwasser gegeben. Das Unternehmen verwies hingegen auf eine sinkende Nachfrage der Verbraucher.