Reporting Das Ende von „Nice to have“

Bald werden Nachhaltigkeitsberichte durch EU-Recht für kleinere Betriebe zur Pflicht-Kür. Die Getränkebranche bereitet sich auf die komplexen Anforderungen vor und sieht diese vor allem als Chance.

Dienstag, 26. September 2023, 06:33 Uhr
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Das Ende von „Nice to have“
Bildquelle: Getty Images

Hinter dem kryptischen Namen „Environmental-Social-Governance(ESG)-Reporting“ steht die gesetzliche Verpflichtung auch für kleinere Unternehmen, ihrer Verantwortung beim Thema Nachhaltigkeit mit einem entsprechenden Bericht Rechnung zu tragen. Was viele Jahre häufig schmuckes Beiwerk war, teilweise in teuren Broschüren zur Schau gestellt wurde und manchmal den faden Beigeschmack des „Greenwashings“ hatte, wird also zur Pflicht-Kür. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen in den kommenden Jahren EU-weit von 11.600 auf 49.000 steigen. „Den immensen manuellen Aufwand für das ESG-Reporting werden zahlreiche Unternehmen wie schon bei der Einführung der DSGVO unterschätzen“, glaubt Jens Siebertz, Senior Vice President des Inform DataLab. Ein Negativ-Szenario: Eine einzelne Person erhebt händisch für jeden Mitarbeiter, welche CO2-Emissionen diese Person auf dem Arbeits- und Heimweg und bei Geschäftstätigkeiten verursacht. Ein absurd hoher Aufwand.

Das haben sich auch Dirk Reinsberg, Geschäftsführer Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels, und Andreas Vogel, Chef beim Verband des Deutschen Getränke-Einzelhandels (VDGE), gedacht und mit der Beraterfirma Fjol einen digitalen Nachhaltigkeitsmanager für die Getränkebranche auf den Weg gebracht. Das Programm wird mittlerweile nicht nur von Händlern, sondern auch von Herstellern genutzt. „Die Nutzer können Ressourcen schonen, Emissionen reduzieren und so ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit ein Wettbewerbsvorteil“, erklärt Reinsberg. Die Verbandsbosse wissen um die Konkurrenzsituation ihrer Fachhändler mit dem Lebensmittel-Discount, der sich mit einer Mehrweg-Pflicht noch verschärfen dürfte. Studien haben gezeigt, dass die Verbraucher gerade bei Lebensmittel- und Getränkeherstellern auf glaubwürdige Nachhaltigkeitsbemühungen achten, was ein wirtschaftlicher Vorteil sein kann.

Zeit der Excel-Tabellen vorbei
Die App, die das Erfassen von Daten erleichtern soll, hört auf den Namen „Leadity“. Maria Blume, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Getränke Hoffmann, hat bei der Entwicklung geholfen und nennt Abfallmengen, CO2-Ausstoß von Filialen, den Verbrauch von Strom und Wärme, aber auch soziale Themen wie Mitarbeiterfluktuation und Ausbildungsquote als wichtige Themen, die nun digital gebündelt werden können. „Die Zeit der Excel-Tabellen ist bald vorbei“, so Blume. Und auch wenn sich die Unternehmen Zielquoten selbst setzen können, habe die Reporting-Pflicht einen positiven Effekt: „Kein Unternehmen möchte jährlich berichten, dass der CO2-Ausstoß gestiegen ist“, so Blume.

Das Interesse an der App sei groß, versichert Andreas Vogel gegenüber diesem Magazin: „Vom finanziellen Invest abgesehen, müssen aber personelle Ressourcen geschaffen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeitsbereiche verteilt und Akzeptanz für das Vorhaben gewonnen werden.“ Christian Holländer, Geschäftsführer des Leadity-Anbieters Fjol, sieht hierin kein großes Problem: „Die Getränkebranche ist verbrauchernah. Daher gibt es hier seit über zehn Jahren eine hohe Sensibilisierung für Nachhaltigkeitsthemen. Neue regulatorische Anforderungen, wie die ESG-Berichtspflicht oder das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz, stärken die Notwendigkeit, sich dezidiert mit Nachhaltigkeitsfragen zu beschäftigen.“

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