Getränkeindustrie Aktiv gegen die Personalflaute

Auch in der Getränkeindustrie zieht sich der Personalmangel durch fast alle Arbeitsbereiche und Hierarchien. Hier erzählen Unternehmer und Personalberater, was Abhilfe schaffen könnte.

Dienstag, 21. März 2023 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Aktiv gegen die Personalflaute
Bildquelle: Coca-Cola

Wer ein Gespür für den Fachkräftemangel in der deutschen Getränkewirtschaft bekommen will, sollte Bitburgers Personal-Geschäftsführer Dr. Stefan Schmitz zuhören. Von einer „Zeitenwende in der Arbeitswelt“ spricht der Mann. Prekär sei das Arbeitnehmeraufgebot in vielen Bereichen. „Das geht vom Gabelstaplerfahrer bis in den kaufmännischen Bereich und durch alle Hierarchiestufen“, so Schmitz. Und natürlich gilt es für die Gastronomie, wo Bitburger einen hohen Anteil seines Geschäftes macht. Die Braugruppe hat daher jetzt in einer Aktion mit dem Portal Jobmatch.me 500 Gastronomen eine auf 30 Tage begrenzte Teilnahme auf der Arbeitnehmerbörse geschenkt, um so möglicherweise dringend benötigte Fachkräfte für Küche und Service zu finden. Weder Getränkehersteller noch Restaurantbesitzer wollen nach fast drei Jahren Krise und Dauer-Lockdowns das Momentum eines wieder anziehenden Gastro-Geschäftes verlieren. Auch die Veltins-Brauerei kämpft an der Personalfront. Veltins-Sprecher Ulrich Biene beschreibt die Situation: „Von der Bewerberanzahl des letzten Jahrzehnts ist nur noch ein Bruchteil übrig geblieben.“ Die größten Herausforderungen stünden zum Ende des Jahrzehnts erst noch bevor, wenn große Teile der Belegschaft in den Ruhestand gehen.

Es fehlt an allen Ecken und Enden

Getränke wie Bier wollen aber nicht nur produziert oder in der Bar gezapft werden, sondern müssen auch von A nach B kommen. Laut Angaben des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung fehlen bereits heute zwischen 80.000 und 100.000 Fahrer in Deutschland – ein Mangel, der sich aus demografischen Gründen noch weiter zuspitzen wird. „Es fehlen aber nicht nur Fahrer, auch in der Kommissionierung, Sortierung, im kaufmännischen oder auch im IT-Bereich herrscht eine große Personalnot“, weiß Andreas Vogel vom Verband des Deutschen Getränke-Einzelhandels. Vogel sieht nur eine realistische Lösung des Problems: eine qualifizierte Zuwanderung. „Ohne das werden wir diese Probleme nicht in den Griff bekommen. Es bedarf dringend einer Entbürokratisierung von Prozessen und einer Erleichterung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse“, so der Verbandschef.

Apropos Abschlüsse. Viele Unternehmen suchen immer öfter gezielt bei der eigenen Belegschaft nach „High Potentials“, also möglicherweise unterforderten Mitarbeitern, die durchaus zu mehr imstande wären. „Die kreativen und flexiblen Arbeitgeber werden als Gewinner hervorgehen“, so Schmitz von Bitburger. Mit Kreativität meinen Personaler hier oft die Möglichkeit, in den eigenen Reihen schlummernde Talente zu erkennen und zu fördern. Eine Taktik, die auch bei Coca-Cola angewandt wird. „Bei der Besetzung von Stellen achten wir inzwischen sehr viel stärker auf die Motivation und Lernbereitschaft anstelle des perfekten Abschlusses. Wenn uns eine Person überzeugt hat, qualifizieren wir intern weiter. So haben wir schon viele tolle Mitarbeitende gefunden – auch als Quereinsteiger“, berichtet Janine Lüddecke, Director People & Culture Business Partner Coca-Cola Europacific Partners Deutschland.

Das sagt der Personalberater

Jochen Etter ist überzeugt: Mobiles und hybrides Arbeiten werden auf absehbare Zeit den Markt bestimmen. Etter war einmal Geschäftsführer bei Heineken Deutschland und hat sich mit einer Unternehmensberatung selbstständig gemacht, die gezielt Unternehmen aus der Getränkeindustrie bei der Personalsuche helfen will. „Die Forderungen von Kandidaten nach hybriden oder Remote-Arbeitsmodellen nehmen massiv zu und die Umzugsbereitschaft massiv ab. Auch in den oberen Managementpositionen. Unternehmen werden sich diesen Modellen zunehmend öffnen müssen“, ist Etter überzeugt.

Aber Annehmlichkeiten wie flexibles Arbeiten reichen nicht. Längst geht es auch um harte Währung, wie die jüngsten Tarifstreitigkeiten bei Coca-Cola gezeigt haben. „Auch auf dem Arbeitsmarkt gelten die Marktmechanismen. Wir haben eine höhere Nachfrage nach gutem Personal, als es gibt. Damit steigen die Preise, also das Einkommen.“ In Richtung Handel hat Etter noch eine Botschaft: „Ganz offen gesagt und ohne das böse zu meinen – viele Fachhändler haben auch bei ihrem Employer Branding noch Potenzial.“

Zum Interview mit Jochen Etter 

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