Kreislaufwirtschaft Die Stunde null

Wie umgehen mit der weltweiten Flut an Plastikmüll? Coca-Cola Deutschland veranstaltete zu diesem Thema die Diskussionsrunde „Real Talk“. Vorgabe: keine Denkverbote und maximale Transparenz. Es wurde eine überraschend ehrliche Bestandsaufnahme.

Dienstag, 03. Mai 2022 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Die Stunde null
Bildquelle: Getty Images

Der Softdrinkriese Coca-Cola hat im Zuge der immer schärfer geführten Nachhaltigkeitsdebatte ein Problem: Einerseits steht der Konzern nach wie vor für einen großen Anteil an produzierten Einwegflaschen aus Plastik. Die NGO „Break Free From Plastic“, die weltweit Zählungen von Abfall, unter anderem an Stränden in Schwellenländern, durchführt, zählt Coca-Cola zu den größten Verursachern solcher Abfälle. Die Rede ist von 88 Milliarden produzierten Plastikflaschen pro Jahr.
Auf der anderen Seite bemüht sich das Unternehmen gegenzusteuern. Aufgrund der Größe wirkt die Umsetzung von Maßnahmen aber häufig langsamer als bei der Konkurrenz. Um die Herausforderung der global noch immer nicht nachlassenden Plastikflut zu diskutieren und wohl auch um dem Image als Einwegplastik-Maschinerie entgegenzuwirken, organisierte Coca-Cola Deutschland die digitale Gesprächsrunde „Real Talk“. Eingeladen waren Vertreter von Umweltverbänden, Politik, Industrie sowie der Abfallwirtschaft.

Dr. Bernhard Bauske, der sich beim WWF vor allem mit der Vermüllung der Meere beschäftigt, nahm den Titel der Veranstaltung dann auch direkt wörtlich und räumte mit ein paar Mythen auf. „Wir Deutschen sind in Sachen Verpackungsabfälle keine Vorbilder, sondern noch immer Europameister im Verbrauch. Auch exportieren wir viel zu viel Müll in Schwellenländer. Dass noch immer die Hälfte unserer Recyclingabfälle auf Deponien verbrannt wird, ist im Jahr 2022 ein Unding.“ Es sei nun wichtig, dafür zu sorgen, dass keine Wertstoffe verschwendet werden. Bei Glas und Metall hätte sich eine erfolgreiche Wiederverwertung eingestellt. Dies sei auch bei Plastik dringend erforderlich. Bauske lobte aber auch das deutsche Modell und insbesondere die Tatsache, dass mit der Etablierung des dualen Systems die Unternehmen für die Verpackungen, die sie in Verkehr bringen, mit in die Verantwortung genommen worden sind. Dieses Erfolgsmodell gelte es in andere Länder zu exportieren. „Damit es ein Erfolg bleibt, ist es aber wichtig, dafür zu sorgen, dass vom Verbraucher gesammelte und zurückgegebene Verpackungen auch wirklich recycelt werden und nicht auf irgendwelchen Deponien landen.“

Ähnlich äußerte sich die umweltpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, MdB Judith Skudelny: „Illegale Müllexporte müssen gestoppt werden. Hier ist der Zoll, Bund und die Länder gefragt. Wenn es etwas zu exportieren gibt, dann ist es unser deutsches Pfandsystem und die Herstellerverantwortung für die in den Verkehr gebrachten Verpackungen.“ Angesprochen auf das Thema der Veranstaltung „Eine Welt ohne Plastikmüll – Utopie oder Chance?“ sagte Skudelny, dass dies allein deshalb utopisch sei, da ja nicht nur Verpackungen, sondern auch viele Produkte aus Plastik seien.

Dr. Stefan Kunerth, als Technical Operations Director Westeuropa Experte für Verpackungen bei Coca-Cola, erklärte, dass Materialkreisläufe geschlossen werden müssten, warnte aber davor, „eine Verpackung gegen die andere auszuspielen“. Verschiedene Gebinde aus Glas, Aluminium oder Plastik würden sich für unterschiedliche Anlässe eignen, und man wolle sie getrennt voneinander optimieren. Neben den erhöhten rPET-Anteilen verwies Kunerth auf Projekte wie die „Plant Bottle“, eine PET-Flasche aus teilweise nachwachsenden Rohstoffen, oder Experimente mit Flaschen aus Papier. Diese seien zwar noch nicht skalierbar, also nicht bereit für einen Einsatz im großen Stil, aber ein erster Schritt. Außerdem sei eine Verpackung immer auch Teil der Markenidentität, und hier gelte es für große Konzerne wie Coca-Cola, Kompromisse zu finden. Als Beispiel nannte Kunerth die Sprite-Flasche, die in Deutschland durchsichtig und nicht grün ist. So lasse sich das Material besser recyceln. „Es findet gerade ein großer Wandel in der Lebensmittelindustrie statt und wir als Coca-Cola haben den Vorteil, viel Geld in Forschung und Entwicklung investieren zu können, damit wir Wertstoffkreisläufe schließen.“ Zum Thema nachwachsende Rohstoffe äußerte die FDP-Politikerin Skudelny aber auch Bedenken: „Man muss auch die Biodiversität im Blick haben und auch die Anbauflächen der Welt sind endlich.“

Herwart Wilms, Geschäftsführer des größten deutschen Recycling-Unternehmens Remondis, unterstrich die Bedeutung von geschlossenen Kreisläufen auch vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Bevölkerung, der Herausforderungen durch den Klimawandel sowie kriegerischer Auseinandersetzungen wie in der Ukraine. „Rohstoffe werden knapper, und deswegen müssen wir Wertstoffkreisläufe schließen. Die Anreize dafür müssen aber in den entsprechenden Ländern kulturell kompatibel sein“, so Wilms, der das Beispiel Philippinen nannte. Hier würde es einen erheblichen Eintrag von Plastik in den Meeren geben. Ein geringes Pfand von 5 Cent könnte schon Verbesserungen bringen.

Jenny Walther-Thoss, Nachhaltigkeitsexpertin bei der Beraterfirma Berndt+Partner Consultants, schlug den Bogen hin zur Industrie und wies auf teils unterschiedliche Interessen bei Konsumgüterherstellern hin: „Die Individualflasche wird von der Marketingabteilung häufig als ein wichtiges Instrument betrachtet. Wir müssen aber weg von dem Denken ‚Die Markenbotschaft ist das Höchste‘. Ein uniformeres Design hilft der Kreislaufwirtschaft.“

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