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Hans-Joachim Momm war die Erleichterung bei der jüngsten Prowein deutlich anzumerken. Nach fast zwei Jahren Verhandlungen und Gerüchten gibt es jetzt auch für den Deutschland-Geschäftsführer des spanischen Cava-Herstellers Freixenet Gewissheit: Eine Mehrheit der Aktien von 50,67 Prozent geht an die deutsche Henkell & Co.-Gruppe. „Die Diskussion gab es ja schon länger. Irgendwann sind die Mitarbeiter die Gerüchte Leid und wollen, dass eine Entscheidung kommt. Diese ist jetzt da und sie ist auch gut“, sagt Momm gegenüber der Lebensmittel Praxis.
Unabhängig davon, was der Deal für die mittlerweile in Mainz ansässige deutsche Tochter von Freixenet bedeutet, können Momm und sein Team starke Zahlen präsentieren. Alle Geschäftsbereiche, also Sekt, Wein und Weinhaltige Cocktails konnten 2017 ein zweistelliges Wachstum vorweisen. Teilweise liegt das in den schwachen Vorjahren oder Promotions begründet, allerdings scheint Freixenet seinen Marken auch die richtigen Impulse gegeben zu haben. Bei Carta Nevada war dies laut Marketingdirektorin Kirstin Brunkhorst die erfolgreiche Einführung der Variante Extra Dry mit 2017 mehr als einer Million verkaufter Flaschen. Spaß macht Freixenet auch das Geschäft mit weinhaltigen Cocktails unter der Marke Mia. Die Käuferreichweite der sechs Sorten umfassenden Range konnte zuletzt laut Brunkhorst verdoppelt, das Volumen verdreifacht werden. Trotzdem zeigt die Kategorie Ermüdungserscheinungen: „Der Hype ist ein bisschen weg. Es geht Richtung Marke oder Billigprodukt. Dazwischen wird es schwer“, erklärt Momm. Auch die Markenweine von Freixenet, Mederaño und Mia konnten mit zweistelligen Absatzzuwächsen gegen den Trend zulegen (IRI, LEH > 200 Quadratmeter, inklusive Aldi/DM). Der Bereich Markenwein wird in diesem Jahr mit einem völlig neuen Produkt noch besonders gestärkt, aber dazu später mehr.
Wir bleiben ein unabhängig agierender Distributeur mit Fokus auf Premium.
Markus Hotze, Eggers & Franke
Traditionelles Importhaus jetzt mit neuem Eigentümer
Die zweite große Meldung der Branche kam ebenfalls wenige Tage vor der Prowein: Der deutsche Marktführer im Schaumweinbereich, Rotkäppchen-Mumm, übernimmt das traditionelle Importhaus Eggers & Franke aus Bremen. Der Geschäftsführer für die LEH-Division des Hauses, Markus Hotze, wollte sich noch nicht über die Details des Deals und mögliche Auswirkungen äußern, schließlich steht die Zustimmung der Kartellbehörden noch aus. Allerdings biete der Importeur seit jeher eine große Kompetenz bei Premium-Weinen und Spirituosen sowie hervorragende Kontakte in das Ausland, von denen Rotkäppchen, beispielsweise mit einer Marke wie Gelderman, nur profitieren könne. Für die unmittelbare Zukunft bleibe aber erstmal alles wie es ist. Insbesondere die Arbeit oder Zusammenstellung des Außendienstes von Eggers & Franke sei von der Übernahme nicht betroffen, erklärt Hotze bei der Prowein.
Im Fokus bei der Messe stand für Eggers & Franke neben Wein das Thema Aquavit. Die Spirituose aus dem hohen Norden soll weiter durch aufmerksamkeitsstarke Aktionen gefördert werden, sodass aus dem „Underdog möglicherweise ein Trend entsteht“ (Product Group Manager Judith Kümpel). Im Lebensmittel-Einzelhandel wird das Thema mit einem Flagship-Store und dem Motto „Spirit of the Nordics“ gespielt. Der nächste Slot ist für April geplant. Während für Edeka, Rewe und Co. vor allem Linie, Aalborg und Malteser eine Rolle spielen, bietet Eggers & Franke für die Gastronomie den nicht fassgelagerten Lysholm No 52, der sich optisch und vom Produktkonzept an der Komplexität von Gin orientiert.
Rotkäppchen-Mumm überrascht mit einem neuen Weinkonzept
Der neue Mutterkonzern von Eggers & Franke zündete zur Prowein erwartungsgemäß ein wahres Feuerwerk an Neuheiten ab. Dazu zählten die alkoholfreien Varianten der Weinmischmarke „Fruchtsecco“, der Rollout des Italienischen Aperitifs Sprizzero im Lebensmittel-Einzelhandel sowie die neue Geldermann-Linie „Les Grands“. Besondere Aufmerksamkeit wurde aber dem seit September 2017 bestehenden Joint-Venture „Markgräflich Badisches Weinhaus“ zwischen Rotkäppchen-Mumm und dem Haus Baden, Eigentümer des VDP-Weinguts Markgraf von Baden, geschenkt. Mit „Elfhundertzwölf“ bringt das Unternehmen eine neue Burgunderlinie auf den Markt. Mit einer UVP von 4,99 Euro und den Sorten Spätburgunder, Grauburgunder und Blanc de Noirs will man beweisen, wie gut die Expertise und das Netzwerk eines der größten Sekt-und Weinproduzenten Deutschlands mit einem Weingut zusammenpassen, dessen Geschichte bis ins Jahr 1112 zurückreicht. Dabei übernahm Rotkäppchen-Mumm Marketing und Gestaltung, das Weingut ist für den Inhalt zuständig. „Viele Händler sind begeistert und fragen uns, warum wir nicht einen höheren Preis ansetzen. Allerdings liegen wir mit 4,99 Euro für LEH-Verhältnisse schon deutlich im Premium-Bereich“, erklärt Cathrin Duppel, Marketing-Leitering bei Rotkäppchen-Mumm. „Bei einem solchen Preis dreht sich nicht mehr so viel, und es sollte klar sein, dass wir hier nicht über 20.000 Flaschen sprechen. Das könnte das Weingut alleine. Es gibt schon den Anspruch, irgendwann die Millionen zu knacken“, sagt Duppel in Bezug auf den Absatz.
Markenweine scheinen wieder attraktiv zu sein
Überhaupt: Selten war das Thema Markenwein auf der Düsseldorfer Messe so präsent wie in diesem Jahr. Dabei fällt auf, dass die Etiketten deutlich plakativer werden, häufig verbunden mit einem direkten Konsumanlass. Exemplarisch hierfür stehen die Marken „Pizza Pasta Vino di Altobello“ oder „The Original Steak Wine“ der Weinkellerei ZGM, die im Handel schon seit Längerem Listungserfolge feiern. Auch die Lauffener Weingärtner eG ist seit der Prowein 2017 mit einem solch plakativen Markenkonzept höchst erfolgreich. „Lesestoff“, immerhin mit einer UVP von 6,99 Euro ausgestattet, bekommt jetzt Zuwachs in Form eines Blanc de Noirs, der aus Trauben von Rebstöcken auf Muschelkalk, Lößlehm und skelettreichen Kalkstein-Verwitterungsböden gekeltert wird. „Wir wollen Werte im Lebensmittel-Einzelhandel schaffen mit Preisen über fünf Euro. Dafür steht der Absender Lauffener Weingärtner“, erklärt Marian Kopp, der Geschäftsführende Vorstand der größten Einzel-WG in Württemberg. Das Attribut „plakativ“ sieht er dabei keinesfalls negativ. „Man will doch im Regal gesehen werden. Heute haben Händler durchaus mal 1.000 Weine im Sortiment. Die kann man gar nicht vermitteln. Hinzu kommt: Früher waren ‚freche‘ Markenweinkonzepte häufig im unteren Preissegment angesiedelt. Wir stellen uns erfolgreich anders auf“, sagt Kopp über „seine“ neue Marke. Im ersten Jahr wurden von Lesestoff bereits 200.000 Flaschen abgesetzt mit einer gewichteten Distribution von 30 Prozent. Keine schlechten Zahlen für diese Preislage.
Das Thema plakativer Markenwein beschäftigt auch Freixenet. Mit der Marke „C‘est Moi“ wollen die Spanier jetzt ausgerechnet im französischen Weinregal zum neuen Platzhirsch werden. Mit 3,99 Euro liegt der „pfiffig-freche“ Wein, der als „easy-drink“ vermarktet wird, auf einer Preislinie mit Mia und Mederaño. Momm sieht im deutschen Markt attraktive Chancen, um einen zielgruppenspezifischen Markenwein wie C’est Moi im französischen Weinsegment erfolgreich zu positionieren: „Die Heterogenität der Weinsortimente im Lebensmittelhandel überfordert den normalen Weinkunden, der dort einen guten Alltagswein sucht. Starke Marken geben ihm, dank eines klaren Profils, Sicherheit und Orientierung beim Einkauf.“ Französische Weine hätten ein gutes Image. Allerdings wirke die visuelle Anmutung laut Momm oft kompliziert oder austauschbar. Auch geschmacklich seien sie für viele Konsumenten zu komplex.
Interview mit Hans-Joachim Momm - „Die Marke ist eine Perle“
Hans-Joachim Momm zur Übernahme durch Henkell.
Wie wird sich die Übernahme durch Henkell auf Freixenet in Deutschland auswirken?
Hans-Joachim Momm: Freixenet ist die größte Marke im Portfolio, eine richtige Perle. Man wird sicher nichts tun, was die Marke schädigen könnte. Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass sie weiter gestärkt wird.
Wie könnte das konkret aussehen?
Henkell hat große Stärken beim Vertrieb, einen größeren Außendienst und ist gut in der Gastronomie vertreten, wo wir bisher immer relativ schwach waren, da uns die Manpower fehlte. Man kann hoffen, dass Freixenet so profitiert. Henkell hat durch die Verbindung zum Oetker-Konzern auch ganz andere Möglichkeiten. Die machen ihr Media-Buying beispielsweise im Verbund. Für uns ist das eine spannende Zeit, ein Neuaufbruch. Obwohl es bei uns ja schon sehr gut läuft.
Ein anderes Thema: Europaweit war die Weinernte schlecht. Wie wird sich das auswirken?
Das wird insgesamt zu einer Neuorientierung des Marktes führen. Insbesondere bei den Eigenmarken des Handels und im Niedrigpreissegment. Ich wundere mich ein wenig, dass da noch nichts passiert ist. Der Einstiegspreis ist engstens kalkuliert. Bei 1,99 Euro verdient noch kaum einer etwas, weder der Hersteller, noch der Distributeur noch der Handel.
Gelten diese Marktbedingungen auch für Freixenet?
Wir verwenden ja eine streng kontrollierte Herstellungsmethode, nach der auch französische Champagnerhäuser arbeiten. Der Vorteil: Was in einem Jahr geerntet wird, wird danach erstmal 12 Monate gelagert. Dadurch können wir eher moderieren und solche Marktschwankungen abfangen.