Interview Vion Ein Rückzug ist nicht geplant

Vion reagiert auf Inflation und Preisdebatte in Deutschland. CEO Ronald Lotgerink betont im LP-Gespräch, dass er für den Lebensmittelkonzern nach wie vor eine große Zukunft hierzulande sieht.

Mittwoch, 30. August 2023 - Fleisch
Jens Hertling
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Bildquelle: Vion

Herr Lotgerink, das vergangene Jahr war ein Jahr der Herausforderungen. Erwarten Sie einen anhaltenden Kostendruck in einem weiterhin instabilen Markt?
Die Krise ist noch nicht vorbei. Die Inflation bleibt hoch, Schweinepreise praktisch unkalkulierbar, asiatische Exportmärkte weiterhin schwierig. All das macht die Situation nicht einfach und führt zu einem weiteren Kostendruck. Doch wir befinden uns mittlerweile im dritten Jahr der Herausforderungen, die uns widerstandsfähiger gemacht haben. Am Ende werden wir zwar einige schwierige Entscheidungen getroffen haben, aber ich bin mir sicher, dass Vion aus dieser Zeit gestärkt hervorgehen wird.

Können Sie kurz die wirtschaftlichen Eckdaten von Vion erläutern?
Im Jahr 2022 erreichten wir ein normalisiertes EBITDA von 47,8 Millionen Euro, im Vergleich zu 40 Millionen Euro im Jahr 2021. Der Umsatz stieg um 16,2 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Obwohl wir im normalisierten EBIT einen Verlust von 23,5 Millionen Euro verzeichnen mussten, konnten wir uns im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Millionen Euro verbessern. Der Jahresverlust belief sich auf 108 Millionen Euro, was hauptsächlich auf außerordentliche Wertminderungs- und Restrukturierungsaufwendungen zurückzuführen ist. Insofern bleiben unsere Liquidität und Zahlungsfähigkeit angemessen.

Die großen Schlachtunternehmen passen sich dem Markt an: Wie reagiert denn Vion? Wie verhält sich Ihr Unternehmen in der Krise?
Wir sind alle in der gleichen Situation in Deutschland: Es gibt einen strukturellen Rückgang der Viehbestände und eine Überkapazität an Schlachthöfen am Markt. Deshalb haben auch wir unsere Produktionskapazitäten in Deutschland bereits angepasst. In Emstek arbeiten wir nur noch in einer Schicht, in Holdorf haben wir exportrelevante Abteilungen geschlossen, die Zerlegung in Landshut haben wir auf die Standorte in Vilshofen und Crailsheim verteilt. Und zu Ende Juli 2023 haben wir unseren Rinderschlachthof in Bad Bramstedt geschlossen und kooperieren nun mit Danish Crown. Im Süden übernehmen wir aber dagegen die Lohn-Schweineschlachtungen aus dem geschlossenen Schlachthof in München. Und ich kann mir vorstellen, dass es noch mehr solcher Konsolidierungen am deutschen Markt geben wird.

Können Sie kurz das Programm „Change that Matters“ erläutern? Zeigt es bereits Wirkung?
Wir haben bereits 2022 unser Transformationsprogramm „Change that Matters“ ins Leben gerufen, um unsere Performance zu verbessern. Es sieht vor, bis 2025 eine Verbesserung von 150 Millionen Euro pro Jahr zu erreichen, um Mengenrückgang, Margendruck und Inflation auszugleichen. Wir passen unsere Produktion an, suchen nach Verbesserungspotenzialen in allen möglichen Prozessen und stellen uns insgesamt agiler, schlanker und innovativer auf. Ein wichtiger Teil des Programms ist der Übergang zu zwei Länderorganisationen. Die Business Units Pork, Beef und Retail werden in Deutschland und den Benelux-Ländern zusammengeführt. Dadurch können wir unseren Kunden einen besseren Service bieten und eine engere Verbindung zwischen Landwirten und Kunden herstellen. Ich bin übrigens immer wieder aufs Neue begeistert, wie viel Energie und Innovationskraft unsere Kollegen in dieses Programm stecken und welche Ergebnisse wir bereits erzielt haben.

Wie viele Schweine wurden im letzten Jahr geschlachtet und wie schätzen Sie die Situation bei den Schweinen ein?
Insgesamt hat Vion 2022 knapp 13,1 Millionen Schweine geschlachtet, knapp 5,8 Millionen davon in Deutschland. Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl der Schweineschlachtungen in Deutschland auf ca. 650.000 Tiere pro Monat einpendeln wird.

Wie ist die Vion-Gruppe in Deutschland aufgestellt? Ist die Schließung des Schlachthofes Bad Bramstedt der Beginn des Marktaustritts in Deutschland?
Ein Rückzug aus dem deutschen Markt kommt für uns nicht in Frage! Wir machen 60 Prozent unseres Umsatzes hier, wir sind hier der größte Rindfleischproduzent und führend im Bereich Bio-Rinder. Trotz aller temporären Schwierigkeiten sehen wir für uns eine große Zukunft in der Bundesrepublik. Unsere Standortstruktur in Deutschland ist weiterhin stark, und wir können praktisch in allen Teilen Deutschlands regionales Rind- und Schweinefleisch aus einer Hand liefern.

Was passiert, wenn der Viehbestand weiter zurückgeht?
Auf diese Entwicklung bereiten wir uns bereits seit 2019 vor. Wir werden unsere Produktionskapazitäten weiterhin dem Markt anpassen. Aber vor allem werden wir noch schneller unsere Strategie umsetzen und straffe, nachhaltige Ketten mit Landwirten und Kunden aufbauen. Wir glauben fest daran, dass Nachhaltigkeit die Basis für eine erfolgreiche Kette ist, und davon werden alle Akteure in der Kette profitieren.

Neben den Veränderungen an den Standorten wird es ab Oktober mit Philippe Thomas erstmals einen Deutschland-Geschäftsführer geben. Warum und was ändert sich?
Mit Philippe Thomas haben wir einen COO an der Spitze der neuen Deutschland-Organisation, der seit mehr als 20 Jahren bei Vion ist und das Unternehmen bestens kennt. Unser verstärkter Fokus liegt auf der gesamten Kette – vom Landwirt bis zum Lebensmittelhandel. Philippe Thomas' große Vertriebserfahrung und seine enge Verbindung zum Handel werden beim Aufbau dieser Partnerschaften eine wichtige Rolle spielen.

Wie ist der Stand bei den Tierwohlprogrammen? Leiden Sie unter der Krise?
Tierwohlprogramme nehmen wieder langsam Fahrt auf. Zum Beispiel entwickeln sich sowohl unser Strohschweine-Programm aus HF3 als auch der Bayerischer Ochse aus HF3 positiv. Unsere Aufgabe ist hier, die Effizienz in der gesamten Kette so auszubauen, dass wir hochwertiges Fleisch aus Tierwohlprogrammen zu einem für die Verbraucher akzeptablen Preis anbieten können. Und der Handel muss dem Verbraucher immer wieder den Mehrwert dieser Produkte vor Augen führen.

Wie wichtig ist für Sie Fairness in der Kette?
Der faire Umgang miteinander macht eine gut funktionierende, straffe Kette erst aus! Wenn Landwirte, Fleischproduzenten und der Handel Informationen austauschen, transparent mit Kalkulationen umgehen und sowohl die notwendigen Investitionen als auch den Gewinn in der Kette fair aufteilen, sprechen wir von einer echten Partnerschaft auf Augenhöhe. Die Strukturen auf dem deutschen Markt sind anders als in den Niederlanden, wo dieses Modell bereits hervorragend funktioniert. Aber auch hier glauben wir fest daran – und haben bereits Projekte, die es beweisen – dass die Zukunft in einer fairen Kette liegt.

Wie können nachhaltige Produkte trotz steigender Preissensibilität der Verbraucher verkauft werden? Ist der Preis jetzt wichtiger?
„Ein gutes Stück Fleisch darf auch mal teurer sein“. Und das ist nicht nur meine Meinung, sondern die Meinung von mehr als 70 Prozent der Deutschen. Das beweist unsere repräsentative Befragung, die wir gemeinsam mit der GfK jedes Jahr erheben. Und zum ‘guten Stück’ zählt für mich auch die Nachhaltigkeit. Im Moment mag der Preis bei den Kaufentscheidungen der Verbraucher im Vordergrund stehen. Aber die Zeiten ändern sich, und zukünftig werden die Konsumenten nicht drum herumkommen, die Kosten für mehr Nachhaltigkeit bei Fleischprodukten mitzutragen. Auch das gehört zur Fairness in der Kette.

Haben Sie einen Wunsch an den Handel?
Wir sehen im deutschen Handel einen starken Verbündeten in Sachen Tierwohl, Klimaneutralität und Nachhaltigkeit. Gemeinsam können wir vor allem beim Thema Fleisch der negativen gesellschaftspolitischen Agenda stark entgegentreten. Es ist wichtig, dass wir uns auf Nachhaltigkeit konzentrieren und den Verbrauchern ein gutes Stück Fleisch oder eine Fleischalternative zu einem fairen Preis anbieten, ohne dass sie ein schlechtes Gewissen haben müssen.

Wie läuft ihr Absatz von Bio (De Groene Weg) in der Krise?
Wir haben auf der Biofach zu Beginn des Jahres eine sehr positive Resonanz auf das Angebot von Der Grüne Weg in Deutschland erhalten. Das Interesse an der Umstellung auf Bio ist bei den Landwirten hoch, jedoch gestaltet sich der Zeitpunkt aufgrund der Krise aktuell nicht einfach. Natürlich hat Bio nach dem unfassbaren Boom während der Corona-Jahre mit Beginn des vergangenen Jahres einen Dämpfer erhalten. Und beides – der Boom, wie die Delle – zog sich über alle Produktgruppen hinweg. Insgesamt entwickelt sich der Absatz von Bio-Produkten also den Marktbedingungen entsprechend. Langfristig gesehen wird der Absatz von Bio in Deutschland steigen. Auch deshalb planen wir, unser Angebot etwa an Bio-Schweinefleisch hierzulande weiter auszubauen. Hierfür haben wir bereits eine erhöhte Nachfrage und nutzen sie auch für unsere Gespräche mit interessierten Bauern.

Was gibt es Neues von der Vion-Tochter ME-AT the alternative?
Da gibt es wirklich etwas Neues. ME-AT verwendet eine hochmoderne 2D-Technologie für einige ihrer Fleischalternativen. Damit sehen die Produkte genau wie echtes Fleisch aus, was bisher nicht möglich war. Mit dieser Technologie sind wir in der Lage Innovationen umzusetzen. Unser aktuelles veganes Highlight ist das Plantrecote®. Dieses pflanzliche Steak auf Erbsen- und Weizenbasis sieht nicht nur wie ein Rinder-Lendensteak aus, sondern schmeckt auch so - inklusive „Fettrand“.

3 Fragen an

Vion-CEO Ronald Lotgerink über die Schlachthof-Schließung und zurückgehende Schweinebestände.

Ist die Schließung des Schlachthofes Bad Bramstedt der Beginn des deutschen Marktaustritts?
Ronald Lotgerink: Ein Rückzug aus dem deutschen Markt kommt für uns nicht infrage. Wir machen 60 Prozent unseres Umsatzes hier, wir sind hier der größte Rindfleischproduzent und führend im Bereich Bio-Rinder. Trotz aller temporären Schwierigkeiten sehen wir für uns eine große Zukunft in der Bundesrepublik. Unsere Standortstruktur in Deutschland ist weiterhin stark, und wir können praktisch in allen Teilen Deutschlands regionales Rind- und Schweinefleisch aus einer Hand liefern.

Wie viele Schweine wurden 2022 geschlachtet?
Insgesamt wurden von Vion im Jahr 2022 13,1 Millionen Schweine geschlachtet, davon in Deutschland 5,8 Millionen. Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl der Schweineschlachtungen in Deutschland in Zukunft auf 650.000 Tiere pro Monat einpendeln wird.

Was passiert, wenn der Viehbestand weiter zurückgeht?
Auf diese Entwicklung bereiten wir uns bereits seit 2019 vor. Wir werden unsere Produktionskapazitäten weiterhin dem Markt anpassen. Aber vor allem werden wir noch schneller unsere Strategie umsetzen und straffe, nachhaltige Ketten mit Landwirten und Kunden aufbauen.

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